Beim 8. Dortmunder Versicherungstag von VGA, BWV und IHK Dortmund zeigten die Redner Wege auf, mit dem demografischen Wandel und anderen Herausforderungen des Vertriebs umzugehen.
Alle zwei Jahre veranstalten der Dortmunder Assekuranz Club im VGA Bundesverband Assekuranzführungskräfte zusammen mit dem Berufsbildungswerk der Versicherungswirtschaft in Dortmund und der IHK zu Dortmund einen Versicherungstag, der vor allem der lokalen Versicherungswirtschaft und dem Vertrieb gewidmet ist. Moderiert wurde er vom Vorsitzenden des Dortmunder Assekuranz Club, Thorben Schwarz.
IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber eröffnete die Veranstaltung mit einem düsteren Ausblick auf die Konjunktur und die Lage der deutschen Wirtschaft. Insbesondere beklagte er die geringe Bereitschaft der Bundesregierung den Ernst der Lage anzuerkennen und zu handeln. Im Kammerbezirk Dortmund ist die Assekuranz der größte Arbeitgeber noch vor der Industrie, hob Schreiber hervor. Daher setze man auf die Erfolge der Branche auch in der Akquise von Personal und von Auszubildenden.
Podcasts und Social Media-Postings
Aber die Welt verändert sich auch für die Versicherungsbranche, machte Kristina Benz in ihrem Vortrag deutlich. Die Leiterin Vertriebsmarketing des Continentale Versicherungsverbunds zeigte anhand von Beispielen, wie man von einer Papier- in eine digitale Welt gelangen kann, um Kunden und Vertriebspartner besser zu erreichen. Postings in sozialen Medien und Podcasts lösen zwar papiergebundene Kommunikation nicht völlig ab, ergänzen sie aber wirkungsvoll. „Mit solchen Medien können wir wieder zeigen, dass wir eine spannende Branche sind“, so Benz.
Das motiviere gerade junge Menschen. Beispiel Podcast: „Wir waren überrascht, wie viele sich das anhören“, kommentierte sie die Ergebnisse der erst kürzlich gestarteten Kampagne „Continentale à la Carte“. Auch die gute alte Webseite wurde optimiert. Deren Besucher würden sich zwar nicht so sehr für die Produkte, aber vor allem für Servicethemen interessieren. Kunden zeigen Bereitschaft, Aufgaben wie Adressänderungen selbst zu übernehmen, was Personalaufwand einspart. Zudem konnte die Continentale eine nennenswerte Zahl von Leads, also Kaufinteressenten, über den modernisierten Internetauftritt generieren. Ein Erfolgsrezept ist dabei, den Vertriebspartner in den Vordergrund zu stellen statt den Versicherer.
Mit Spezialisierung und mit KI erfolgreich vermitteln
Ulrich Scheele, Generalbevollmächtigter Vertriebsentwicklung freie Vertriebe der Signal Iduna Gruppe, startete seinen Ausblick auf den Versicherungsvertrieb der Zukunft mit einer überraschenden Einschätzung: Regulierung sei ein „stabilisierender Faktor“. Denn damit würden die Hürden hoch gehalten, wodurch der Versicherungsvertrieb auch künftig kein Selbstläufer, sondern Herausforderung für einen professionellen und personalisierten Vermittlervertrieb bleibt.
Allerdings schrumpfen die Vermittlerzahlen weiter kräftig, was Scheele allein anhand der Altersstruktur der deutschen Vermittlerschaft verdeutlichte. In wenigen Jahren werde die Hälfte derjenigen verschwunden sein, die noch Anfang der 2010er Jahre im Vermittlerregister erfasst worden waren.
Das allein zwingt den Vertrieb bereits zu neuen, digitalisierten und kosteneffizienten Prozessen. Künstliche Intelligenz schätzte der gestandene Vertriebsprofi als „Gamechanger“ ein. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei Spezialisierung auf Zielgruppen. Das werde auch ein leitender Gedanke bei einer Neuorganisation des Signal Iduna-Vertriebs Anfang 2025 sein, deutete Scheele an.
An die Branche appellierte er, Nachhaltigkeit als etwas zu verstehen, „was gekommen ist um zu bleiben“. Wenn sich die Versicherer und ihre Vertriebe dem Thema verweigern sollten, dürften sie sich nicht wundern, wenn der Gesetzgeber eingreife. Insgesamt wagte Scheele einen positiven Ausblick auf die Berufschancen der selbstständigen Vermittler. Deren Bestände würden allein schon wegen der demografischen Entwicklung wachsen und mehr Potenzial für die unternehmerische Entwicklung bieten.
Welchen Value liefert die Beratung?
Ohne Versicherungen geht gar nichts, so das Credo von Dietmar Bläsing, dem früheren Vorstandssprecher der Volkswohl Bund Versicherungen. Die junge Generation frage oft nach dem Sinn dessen, was eine Branche tut. Die Versicherungswirtschaft liefere einerseits einen „Privat Value“ wie die Kreditwürdigkeit und das Sicherheitsgefühl für Haushalte und Unternehmen. Andererseits lässt sich ein „Public Value“ oder Gemeinwohl an Beispielen wie Schadenverhütung und der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen in der Vorsorge verdeutlichen.
Der „Value“-Begriff erinnert an den „Value for Money“, den die europäische Regulatorik und die Aufsichtsbehörden von Lebensversicherern verlangen. Die Verlautbarungen dazu kritisierte Bläsing als einseitig auf Kosten einer Lebensversicherung fokussiert. Zwar „werden wir uns dieser Diskussion stellen müssen“, so der langjährige Vertriebsvorstand, aber „Beratung darf nicht auf Kosten reduziert werden“. Vielmehr müsse man inzwischen nach dem „Value for Money der Regulatorik“ fragen.
Der Volkswohl Bund jedenfalls hat unter Bläsings Leitung im vergangenen Jahr eine Erhebung der Regulierungskosten vorgenommen mit dem erschreckenden Ergebnis, dass ein Sechstel der Beschäftigten mit Regulierungsaufgaben wie unter anderem Berichtserstellungen beschäftigt sind. Der Anteil an den Personalkosten könnte sogar etwas höher sein, denn für diese Aufgaben würden sehr spezialisiert ausgebildete und damit teure Mitarbeitende benötigt.
An die Branche appellierte Bläsing, auch solche Erhebungen durchzuführen und der Politik zu spiegeln, dass die wahren Kostentreiber in der Regulierung zu suchen sind. Für den Versicherungsvertrieb hatte er aber eine versöhnliche Botschaft: Zwar werde der Vertrieb anspruchsvoller und leide absehbar weiter unter seinem schwierigen Berufsimage. Aber eine „Do-it-yourself-Absicherung“ räche sich, und selbst in Verbraucherschutzinformationen finde sich der Hinweis auf die Gefahren einer verfehlten Altersvorsorge: „Einen zweiten Anlauf gibt es nicht.“
Deshalb sollte der Vertrieb seinen „Value of Advice“ herausstellen und könne dabei von anderen Branchen lernen. Als Beispiel zeigte er eine Gebrauchsanleitung zu einem Ofen des Herstellers Bosch, der mit 16 Warnhinweisen beginnt, was bei dessen Benutzung an Gefahren wie sich zu verbrennen denkbar sind. Aber in der Kundenkommunikation tritt Bosch mit dem Slogan #LikeABosch an – das „ist, wenn‘s einfach klappt“. Diese „Übersetzungsfunktion“ kann auch der Versicherungsvertrieb leisten.
Verdienste um den Versicherungsvertrieb gewürdigt
Beim Dortmunder Versicherungstag wird zudem regelmäßig der „Dortmunder Versicherungspreis“ an besonders verdiente Persönlichkeiten der lokalen Versicherungswirtschaft verliehen. In diesem Jahr geht er an Markus Bitter, Vertriebsdirektor im Ruhestand der Nürnberger Versicherungen. Die Laudatio auf den studierten Lehrer und jahrzehntelang erfolgreichen Vertriebsmanager hielt Wolfgang Schwarzer, Geschäftsführer des BWV Dortmund und Preisträger von 2022. Dabei hob er besonders hervor, dass sich Bitter neben der langjährigen Leitung des Dortmunder Assekuranz Clubs in der beruflichen Bildung und als Prüfer große Verdienste erworben hat.
Stefanie van Holt, Nachfolgerin von Dietmar Bläsing als Vertriebsvorständin beim Volkswohl Bund, beendete den Dortmunder Versicherungstag und hob hervor, dass trotz der Probleme der Gesamtwirtschaft die Aussichten für die Versicherungsbranche sehr gut seien – wenn sie ihre Hausaufgaben löst und sich als Berater und Begleiter in der Existenzsicherung und Vorsorge bewährt.
Autor(en): Matthias Beenken