Insgesamt gab es 2017 14.910 zulässige Beschwerden an den Versicherungsombudsmann, 1,7 Prozent mehr als im Vorjahr, wie kürzlich bei der Vorstellung des Jahresberichts 2017 in Berlin bekannt gegeben wurde. Die meisten betreffen mit 96,7 Prozent Unternehmensbeschwerden, 1,5 Prozent mehr als 2016. Dagegen gab es nur 297 Vermittlerbeschwerden, was einen Rückgang um fast 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.
Obwohl Beschwerden über Vertreter den Unternehmensbeschwerden zugerechnet werden und daher noch einmal geschätzte 300 Beschwerden zusätzlich auf die Kappe von Vermittlern gehen, ließe sich das negative Vermittlerbild anhand der Beschwerden nicht nachvollziehen, unterstrich Dr. Horst Hiort, Geschäftsführer des Vereins Der Versicherungsombudsmann e.V. Nicht einmal gesicherte Schlussfolgerungen könnten aufgrund der geringen Zahl der Beschwerden und der nicht möglichen statistischen Auswertung gezogen werden. Zudem sind fast die Hälfte (47,4 %) der Vermittlerbeschwerden unzulässig, vor allem, weil kein Zusammenhang zur Vermittlung hergestellt werden kann (60 %).
Anwälte wollen sich goldene Nase verdienen
Mit dem relativ neuen Phänomen von „Massenbeschwerden“ musste sich der Ombudsmann im vergangenen Jahr auseinandersetzen, berichtete Professor Günter Hirsch. Diese betreffen in der Mehrzahl die Rechtsschutzversicherung, die im „Ranking“ der beschwerdereichsten Sparten seit 2016 die Führung übernommen und damit die Lebensversicherung auf Platz zwei verdrängt hat. Als Beispiel nannte er die Auseinandersetzung im Rahmen des VW-Abgasskandals, ob dem Verbraucher nur eine neue Software oder umfassender Schadensersatz zustehe. Einige wenige oder sogar einzelne Anwaltskanzleien hätten darin ein neues Geschäftsmodell entdeckt und würden im Namen ihrer meist zahlreichen Mandanten Standardbeschwerden an den Ombudsmann schicken. Das sei rechtlich möglich, eine korrekte Bearbeitung hätte aber einen stark erhöhten Aufwand zur Folge. „Das Problem für uns ist, dass wir die schutzwürdigen Interessen der Verbraucher vertreten und nicht Anwälten dabei helfen sollen, mit geringem Aufwand viel Geld zu verdienen“, ärgerte sich Hirsch. Daher werde in solchen Fällen die Verfahrensordnung strikt angewandt.
Keine „Klage-Industrie“ a la USA
Gütliche Einigungen würden bei solchen Massenbeschwerden meist misslingen, führte der Ombudsmann weiter aus. „Die Angst der Versicherer vor dem Multiplikationseffekt, wenn sie sich ein Mal gütlich einigen, ist zu groß“, erklärte er. „Denn dann stehen hunderte oder vielleicht tausende bereit, auch ihr Recht einzufordern.“ Daher hält er die neue Musterfeststellungsklage, wie sie vom Bundeskabinett am 9. Mai auf den Weg gebraucht wurde, für einen sinnvollen Weg. Der Vorschlag sieht vor, dass in einem ersten Schritt eine anerkannte Verbraucherorganisation – und eben nicht Anwälte – gerichtlich feststellen lässt, ob ein strittiger Sachverhalt dem Grund nach einen Schadenersatzanspruch nach sich zieht. Betroffene Verbraucher können sich in ein Klageregister eintragen, 50 sind nötig, um die Musterfeststellungsklage auszulösen. Ansprüche haben im Erfolgsfall dann nur diese Verbraucher. Damit solle eine Klage-Industrie – eine Gelddruckmaschine für skrupellose Anwaltskanzleien – nach dem Vorbild der USA verhindert werden, betonte Hirsch.
Bei der Durchsetzung werden Verbraucher allein gelassen
Im zweiten Schritt müssen Verbraucher allerdings – falls ein Anspruch festgestellt wurde – individuell ihren Schadensersatz gerichtlich geltend machen. In dieser Phase sollten Schlichtungsstellen wie der Versicherungsombudsmann eine wichtige Rolle spielen. „Bisher ist es aber so, dass Versicherer nicht verpflichtend an dem Ombudsmann-Verfahren teilnehmen müssen“, kritisiert Professor Hirsch. „Das sollte im Falle von Musterfeststellungsklagen im Gesetz unbedingt geändert werden.“ Er hält dies für eine „systemgerechte Ergänzung“ und eine „Komplettierung des schnellen Zugangs des Verbrauchers zum Ombudsmann-Verfahren“. Wenn der Verbraucher eine Schlichtung wünsche, müsse sich in diesen Fällen der Versicherer dem Verfahren unterwerfen.
Kaum Beschwerden in der BU
Außer den Ausreißern bei der Rechtsschutzversicherung – mit 4.015 gültigen Beschwerdefällen im Jahr 2017, betonte Geschäftsführer Hiort, sei Leben mit 3.977 auf den zweiten Platz verwiesen worden, sei das Beschwerdejahr 2017 insgesamt normal, ruhig und unaufgeregt verlaufen. Auf Rechtsschutz und Leben folgt die Gebäude- mit 1.167 und die Autoversicherung mit 1.034 Beschwerden. Den momentanen Hype um Beschwerden rund um Berufsunfähigkeits-Versicherungen könne die Statistik nicht bestätigen: Ganze 380 gab es 2017 davon – jede einzelne mit einem Schicksal verbunden, aber in der Masse nicht auffällig, so Hiort.
Auch das laufende Jahr scheint normal zu laufen. Mit 5.178 Beschwerden im 1. Quartal 2018 liegt man sogar unter dem 2017er Wert von 5.548. Und was die durchschnittliche abschließende Bearbeitungszeit betrifft, habe man sich mit 2,5 Monaten auch gegenüber 2018 mit 2,8 Monaten gesteigert.
Autor(en): Elke Pohl