Versicherungsbetrug: Kein Pardon für Gelegenheitstäter und Profis

Wir laufen dem Betrug hinterher“, resümierte Thomas Leicht, Vorsitzender der Kommission Kriminalitäts- und Geldwäschebekämpfung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Vorstandsvorsitzender der Gothaer Allgemeine Versicherung AG auf einer Pressekonferenz zum Thema Versicherungsbetrug in Köln. Das Marktforschungsunternehmen GfK hat Verbraucher im Auftrag des GDV befragt und ein geringes Unrechtsbewusstsein gegenüber dieser Straftat ausgemacht.

Versicherungsbetrug schädigt die Assekuranz deutlich: Experten schätzen, dass rund zehn Prozent der Schadenfälle pro Jahr fingiert sind. Gesicherte Zahlen gibt es nicht und die Dunkelziffer ist hoch. Leicht schätzte, dass sein Unternehmen pro Jahr einen Schaden von rund 80 Millionen Euro durch Betrug erleidet. „Die ganz große Mehrzahl der Kunden ist aber ehrlich“, stellte er klar. Aufklärung über die unehrliche Minderheit lieferte Karsten John, Leiter des Bereichs Finanzmarktforschung der GfK, der die Studienergebnisse vorstellte.


Die Studienergebnisse
Die Marktforscher führten im Frühjahr 2011 mit 1.000 repräsentativ ausgewählten Personen Telefoninterviews. Die Erkenntnisse der Befragung lassen aufhorchen: Immerhin jeder fünfte Deutsche betrachtet Versicherungsbetrug als Kavaliersdelikt. Diese Ansicht zieht sich durch alle Schichten, Altersgruppen, Regionen und ist bei Männern und Frauen gleich ausgeprägt. Vier Prozent der Haushalte haben zugegeben, in den vergangenen fünf Jahren einen Versicherungsbetrug begangen zu haben. Weitere sieben Prozent haben Kenntnisse über einen Betrug, der im Freundes- oder Familienkreis begangen wurde. Hausrat- und Haftpflichtversicherung sind am stärksten von Betrug betroffen, allerdings in der Bevölkerung auch die verbreitetsten Versicherungen. Bestimmte Muster beim Betrug sind typisch. Am häufigsten wird der wahre Schadensverlauf etwas anders dargestellt, wenn der Versicherungsschutz für den tatsächlichen Hergang nicht gegeben wäre. Klassisch ist etwa, dass ein Freund angibt, sich auf die Brille des Versicherten gesetzt zu haben, obwohl dieser die Brille selber demoliert hat. Häufig wird auch der Wert eines tatsächlichen Schadens übertrieben. Das Internet bietet für angehende Versicherungsbetrüger Rat - jeder sechste informiert sich vorab in Internetforen.

Michael Halm, Referent der Deutschen Versicherungsakademie, erläuterte, dass es bei Versicherungsbetrug kein einheitliches Täterbild gibt. Sowohl der Gelegenheitstäter, der zufällige Schäden zu seinem Vorteil ausnutzt als auch professionelle Täter, etwa die berüchtigten „Autobumser“, machen den Versicherern zu schaffen. Durch die technischen Entwicklungen ergeben sich auch neue Betrugsmuster, erläuterte Halm. So sei es durch Scanner und Bildbearbeitungsprogramme immer einfacher Belege wie Rechnungen zu fälschen. Besonders hoch sei die Betrugsrate bei technischen Geräten: Eine aktuelle Sonderuntersuchung der Versicherungswirtschaft von mehr als 1.000 Laptops ergab, dass bei 36 Prozent nachgewieser Betrug vorlag. Bei neun Prozent verfolgten die Versicherten ihre Forderung nicht weiter nachdem der Versicherer eine Begutachtung angekündigt hatte. Insgesamt wurden nur 55 Prozent der Schäden reguliert.


Ist der Laptop wirklich heruntergefallen?
Wie schützt sich die Assekuranz? Laut Halm hat die Branche sich spartenübergreifendin einer professionalisierten Betrugsabwehr organisiert. In den Häusern wurden zentralisierte Betrugsabwehrabteilungen eingerichtet und Betrugsspezialisten zertifiziert. Diese können wiederum Schadensachbearbeiter schulen. Kontinuierlich werde auch nach neuen Betrugsmustern Ausschau gehalten. Auch moderneTechnik setzt die Branche ein beispielsweise das vor wenigen Monaten gestartete Hinweis- und Informationssystem HIS, das "auffällige" Kunden identifizieren soll. Was den potenziellen Betrüger heutzutage erwartet, verdeutlichte der Experte Sascha Lember, der als Mitgesellschafter und Sachverständiger der Kroll GmbH, Unterhaltungs- und Kommunikationselektronikfür die Assekuranz begutachtet.

Vor versammelter Presse warf er einen Flachbildschirm auf den Boden, trat auf ein Mobiltelefon und knickte mit Gewalt die Bildschirmecken eines Notebooks um. Erstaunlich für Zuschauer war, dass die malträtierten Geräte nur geringe Schäden aufwiesen. Lember erläuterte, dass er und seine Kollegen anhand der Beschädigungsspuren relativ genau erkennen könnten, ob ein Gerät wirklich heruntergefallen sei oder vorsätzlich zertrümmert wurde. Die Versicherungsbranche setzt auf Gutachter wie Lember und lässt Bagatellschäden begutachten. Außerdem werden auch Gelegenheitstäter aktiv verfolgt. Die Sanktionen für Versicherungsbetrug sind nicht unerheblich: Der Schaden wird abgelehnt, der Versicherungsvertrag gekündigt, entstandene Kosten etwa für den Gutachter werden zurückgefordert. Schließlich wird noch eine Strafanzeige fällig.

Bildquelle: GDV Berlin

Autor(en): Alexa Michopoulos

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