Schlussverkauf ist in den vergangenen Jahren zu einer der häufigsten Vokabeln im Vertrieb vor allem von Lebensversicherungen geworden. Die Folgen sind fatal.
"Alles muss raus!", "Wir machen den größten Schlussverkauf des Jahres!", "SALE - bis zu 70 Prozent Rabatt!", "Schluss! Aus! Ende!". Solche Werbeaussagen kennt man hinlänglich vom Einzelhandel. Gab es früher noch feste Zeiten für den "Sommerschlussverkauf" und den "Winterschlussverkauf" zum jeweiligen Wechsel des Bekleidungsangebots sowie immer wieder Räumungsverkäufe wegen angeblichen Umbaus, so werden Käufer längst zu allen Jahreszeiten von solcher Handelswerbung angeschrien.
Seit 1999 in Schlussverkäufen erfahren
Aber die Versicherungsbranche hat sich mittlerweile ganz ähnliche Verhaltensweisen angewöhnt. Jedenfalls, soweit es um ihr nach Beitragsaufkommen wichtigstes Produkt, die Lebensversicherung, geht. Den "größten Schlussverkauf aller Zeiten" haben bereits einige Vertriebsvorstände von Versicherungs- und Poolgesellschaften ausgerufen.
Der erste Schlussverkauf war der Steuer- oder Eichel-Schlussverkauf 1999, als der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel eine Abschaffung des Steuerprivilegs der Kapitallebensversicherung ankündigte. Die wurde zwar nach heftigen Protesten wieder zurückgezogen und nicht ins Jahressteuergesetz aufgenommen. Aber aufgeschreckt von den Medienberichten holte die Branche ein außergewöhnlich hohes Neugeschäft in die Bücher.
Ernst wurde es dann doch mit dem Fall des Steuerprivilegs. Ende 2004 wurde am Vorabend des Alterseinkünftegesetzes Stimmung gemacht, noch schnell steuerbegünstigte Policen zu erwerben. Eine pikante Anekdote ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem Argument, dass das Steuerprivileg für Einmalauszahlungen wegfallen wird, Ende 2004 in erster Linie Rentenversicherungen verkauft wurden. Gerade die aber wurden durch das Alterseinkünftegesetz ab 1. Januar 2005 begünstigt - jedenfalls, wenn sie ihrem Namen gerecht werdend als Rentenversicherung eingesetzt und nicht per Einmalauszahlung (Kapitaloption) beendet werden.
Die Männer und immer wieder die Zinsen
In den folgenden Jahren wurden neue Argumente gefunden, um Schlussverkäufe zu inszenieren. Vor allem die sukzessiven Absenkungen des Höchstrechnungszinses, meist als Garantiezins bezeichnet, gaben dazu Anlass. Ende 2012 kam dann noch ein Unisex-Schlussverkauf hinzu. Für den gab es 2005 schon eine Vorübung, als die Versicherer zum "Männer-Schlussverkauf" speziell in der Riesterrente trommelten. Die damals behaupteten Beitragssprünge, die Kunden noch schnell zum Abschluss vor Einführung geschlechtsneutraler Tarife bewegen sollten, ließen sich in dieser Höhe später allerdings nicht empirisch nachweisen.
Aktuell kommt die Lebensversicherung wieder auf den Grabbeltisch der Branche. Dazu trägt die erneute Absenkung des Höchstrechnungszinses auf 1,25 Prozent bei. Betroffen sind sowohl kapitalbildende als auch Risikotarife. Doch auch bei Risikotarifen, in diesem Fall Berufsunfähigkeit, ist nach einem auf Zahlen von Morgen & Morgen basierenden Bericht des "Finanztips" (http://www.finanztip.de/bu-wird-nicht-zwangslaeufig-teurer/) historisch empirisch gar nicht nachweisbar, dass die behaupteten Beitragssprünge überhaupt eintreten. Vielmehr sorgt der Wettbewerb dafür, dass sich allenfalls moderate Beitragssteigerungen einstellen.
Konditionierung der Verbraucher mit unerwünschten Folgen
Der Wunsch der Vertriebsmanager, das wegen der Niedrigzinslage maue Neugeschäft mit Schlussverkaufsparolen zu stimulieren, ist verständlich. Gleichzeitig aber ist das Vorgehen fatal. Ein Blick in den Handel sollte Besseres lehren. Die jahrzehntelange Konditionierung der Kunden führt dazu, dass sie sich in fester Erwartung des nächsten Schlussverkaufs in Kaufzurückhaltung üben. Wer als Händler mit Rabattaktionen von sich reden macht, braucht sich nicht zu wundern, dass er in rabattaktionsfreien Zeiten Umsatzeinbrüche erlebt. Am Ende bleibt der Absatz gleich hoch, aber der Umsatz fällt. Einige große, bekannte Handelsketten haben das bereits mit einem wirtschaftlichen Niedergang bezahlen müssen.
Zudem fördert das Schlussverkaufsdenken die Kritik an der Lebensversicherung als solcher. Denn das Gerede über angeblich bald unattraktive Zinsen fokussiert den Blick einmal mehr auf den angeblichen Nutzen der Lebensversicherung als Anlageprodukt, bei dem es im harten Wettbewerb mit Anlagealternativen von Banken und Investmentgesellschaften um Renditechancen gehen soll. Dass eine Lebensversicherung, ganz gleich ob in ihren Ausprägungen als gemischter Todes- und Erlebensfall-, Berufsunfähigkeits- oder reiner Todesfallversicherung, einem ganz anderen Nutzen jenseits einer "Rendite" dient, geht darüber verloren.
Ikea will Versicherungsangebote im Heimatmarkt testen
Ins Bild passt die Ankündigung der vergangenen Woche, dass Ikea Versicherungsangebote zunächst im Heimatmarkt für bestimmte Zielgruppen testen möchte. Auch wenn schon einige Anläufe des Handels wie von Penny Markt und Tchibo an rechtlichen Hürden gescheitert sind, Versicherungen zu verkaufen, so sollte doch die Aussicht nachdenklich stimmen, demnächst Vorsorgeverträge auf den echten Grabbeltischen des Handels wiederzufinden. Mit Dienstleistung hat das dann allerdings nichts mehr zu tun.
Bildquelle: (c) Denis Junker/Fotolia
"Alles muss raus!", "Wir machen den größten Schlussverkauf des Jahres!", "SALE - bis zu 70 Prozent Rabatt!", "Schluss! Aus! Ende!". Solche Werbeaussagen kennt man hinlänglich vom Einzelhandel. Gab es früher noch feste Zeiten für den "Sommerschlussverkauf" und den "Winterschlussverkauf" zum jeweiligen Wechsel des Bekleidungsangebots sowie immer wieder Räumungsverkäufe wegen angeblichen Umbaus, so werden Käufer längst zu allen Jahreszeiten von solcher Handelswerbung angeschrien.
Seit 1999 in Schlussverkäufen erfahren
Aber die Versicherungsbranche hat sich mittlerweile ganz ähnliche Verhaltensweisen angewöhnt. Jedenfalls, soweit es um ihr nach Beitragsaufkommen wichtigstes Produkt, die Lebensversicherung, geht. Den "größten Schlussverkauf aller Zeiten" haben bereits einige Vertriebsvorstände von Versicherungs- und Poolgesellschaften ausgerufen.
Der erste Schlussverkauf war der Steuer- oder Eichel-Schlussverkauf 1999, als der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel eine Abschaffung des Steuerprivilegs der Kapitallebensversicherung ankündigte. Die wurde zwar nach heftigen Protesten wieder zurückgezogen und nicht ins Jahressteuergesetz aufgenommen. Aber aufgeschreckt von den Medienberichten holte die Branche ein außergewöhnlich hohes Neugeschäft in die Bücher.
Ernst wurde es dann doch mit dem Fall des Steuerprivilegs. Ende 2004 wurde am Vorabend des Alterseinkünftegesetzes Stimmung gemacht, noch schnell steuerbegünstigte Policen zu erwerben. Eine pikante Anekdote ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem Argument, dass das Steuerprivileg für Einmalauszahlungen wegfallen wird, Ende 2004 in erster Linie Rentenversicherungen verkauft wurden. Gerade die aber wurden durch das Alterseinkünftegesetz ab 1. Januar 2005 begünstigt - jedenfalls, wenn sie ihrem Namen gerecht werdend als Rentenversicherung eingesetzt und nicht per Einmalauszahlung (Kapitaloption) beendet werden.
Die Männer und immer wieder die Zinsen
In den folgenden Jahren wurden neue Argumente gefunden, um Schlussverkäufe zu inszenieren. Vor allem die sukzessiven Absenkungen des Höchstrechnungszinses, meist als Garantiezins bezeichnet, gaben dazu Anlass. Ende 2012 kam dann noch ein Unisex-Schlussverkauf hinzu. Für den gab es 2005 schon eine Vorübung, als die Versicherer zum "Männer-Schlussverkauf" speziell in der Riesterrente trommelten. Die damals behaupteten Beitragssprünge, die Kunden noch schnell zum Abschluss vor Einführung geschlechtsneutraler Tarife bewegen sollten, ließen sich in dieser Höhe später allerdings nicht empirisch nachweisen.
Aktuell kommt die Lebensversicherung wieder auf den Grabbeltisch der Branche. Dazu trägt die erneute Absenkung des Höchstrechnungszinses auf 1,25 Prozent bei. Betroffen sind sowohl kapitalbildende als auch Risikotarife. Doch auch bei Risikotarifen, in diesem Fall Berufsunfähigkeit, ist nach einem auf Zahlen von Morgen & Morgen basierenden Bericht des "Finanztips" (http://www.finanztip.de/bu-wird-nicht-zwangslaeufig-teurer/) historisch empirisch gar nicht nachweisbar, dass die behaupteten Beitragssprünge überhaupt eintreten. Vielmehr sorgt der Wettbewerb dafür, dass sich allenfalls moderate Beitragssteigerungen einstellen.
Konditionierung der Verbraucher mit unerwünschten Folgen
Der Wunsch der Vertriebsmanager, das wegen der Niedrigzinslage maue Neugeschäft mit Schlussverkaufsparolen zu stimulieren, ist verständlich. Gleichzeitig aber ist das Vorgehen fatal. Ein Blick in den Handel sollte Besseres lehren. Die jahrzehntelange Konditionierung der Kunden führt dazu, dass sie sich in fester Erwartung des nächsten Schlussverkaufs in Kaufzurückhaltung üben. Wer als Händler mit Rabattaktionen von sich reden macht, braucht sich nicht zu wundern, dass er in rabattaktionsfreien Zeiten Umsatzeinbrüche erlebt. Am Ende bleibt der Absatz gleich hoch, aber der Umsatz fällt. Einige große, bekannte Handelsketten haben das bereits mit einem wirtschaftlichen Niedergang bezahlen müssen.
Zudem fördert das Schlussverkaufsdenken die Kritik an der Lebensversicherung als solcher. Denn das Gerede über angeblich bald unattraktive Zinsen fokussiert den Blick einmal mehr auf den angeblichen Nutzen der Lebensversicherung als Anlageprodukt, bei dem es im harten Wettbewerb mit Anlagealternativen von Banken und Investmentgesellschaften um Renditechancen gehen soll. Dass eine Lebensversicherung, ganz gleich ob in ihren Ausprägungen als gemischter Todes- und Erlebensfall-, Berufsunfähigkeits- oder reiner Todesfallversicherung, einem ganz anderen Nutzen jenseits einer "Rendite" dient, geht darüber verloren.
Ikea will Versicherungsangebote im Heimatmarkt testen
Ins Bild passt die Ankündigung der vergangenen Woche, dass Ikea Versicherungsangebote zunächst im Heimatmarkt für bestimmte Zielgruppen testen möchte. Auch wenn schon einige Anläufe des Handels wie von Penny Markt und Tchibo an rechtlichen Hürden gescheitert sind, Versicherungen zu verkaufen, so sollte doch die Aussicht nachdenklich stimmen, demnächst Vorsorgeverträge auf den echten Grabbeltischen des Handels wiederzufinden. Mit Dienstleistung hat das dann allerdings nichts mehr zu tun.
Bildquelle: (c) Denis Junker/Fotolia
Autor(en): Matthias Beenken