Der europäische Dachverband der Vermittlerverbände hat eine neue Analyse vorgelegt, wie viele Versicherungsvermittler tätig sind und welche Marktanteile sie aufweisen.
Deutschland hat nicht mehr die höchste Anzahl an Versicherungsvermittlern in Europa. Diesen Rang hat Italien eingenommen, das nach dem aktuellen BIPAR-Report „Figures on insurance intermediaries in Europe“ mit 239.204 Vermittlern geführt wird. Deutschland liegt mit 201.405 klar dahinter. Die Zahlen sind nicht mehr taufrisch, zum Jahresanfang 2021 waren es hierzulande sogar nur noch 197.437 Versicherungsvertreter, -makler und -berater.
Europa verfügt über keine aussagefähige Statistik
Grund dafür ist, dass der europäische Dachverband der Vermittlerverbände BIPAR in Brüssel auf Zahlenlieferungen der örtlichen Mitgliedsverbände angewiesen ist. Eine allgemeine, europäische amtliche Statistik gibt es nicht – ein Versäumnis, das Europa mit der anstehenden Evaluierung der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD beseitigen sollte.
Ein Problem ist, so BIPAR-Direktor Nic De Maesschalck, dass ein Marktvergleich durch unterschiedliche Vermittlerkategorisierungen und Zählweisen erschwert wird. Deshalb solle man die BIPAR-Zahlen auch nicht als im „wissenschaftlichen“ Sinn „korrekt“ ansehen, eher als Tendenzaussage. Dasselbe Problem hatte die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA, als sie 2018 den ersten Marktstrukturbericht aufstellen wollte. Auch dort kamen Zahlen zusammen, die nur schwer direkt vergleichbar sind.
EIOPA hatte deshalb auch einheitliche Vermittlerkategorien vorgeschlagen. Diese müssten in der IDD verbindlich verankert und ein Berichtswesen für die nationalen Aufsichtsbehörden vorgeschrieben werden.
Deutlich unter einer Million Vermittler
BIPAR hat Angaben über die Vermittlerzahlen von 24 der ehemals 28 Mitgliedsländer zusammengetragen. Dort kommt BIPAR auf rund 833.000 Vermittler.
Für 18 Länder kann ein Vergleich zu früheren BIPAR-Zahlen aus dem Jahr 2017 hergestellt werden. Danach ist in diesen Ländern die Zahl der Vermittler um gut 226.000 gesunken. Auch im EIOPA-Marktstrukturbericht 2018 war noch von über einer Million Vermittler die Rede gewesen.
Der Rückgang verteilt sich jedoch nicht einheitlich. Teilweise gibt es hohe Zuwächse oder hohe Rückgänge, die sich möglicherweise auch aus unterschiedlichen Zählweisen der Länder zwischen den Berichtsjahren ergeben.
Deutschland hat keine Überversorgung an Vermittlern
In verschiedenen Publikationen wie unter anderem einer Studie für das damalige Verbraucherschutzministerium 2008 wurde Deutschland eine Überversorgung an Vermittlern vorgerechnet. Die aktuellen Zahlen zeigen einmal mehr, dass es zwar in Deutschland viele Vermittler gibt. Aber Deutschland hat auch die höchste Einwohnerzahl in Europa.
Bezogen auf die Einwohnerzahl liegt Deutschland mit 242 Vermittlern je 100.000 Einwohner im Mittelfeld. Besonders viele Vermittler weist Luxemburg nach derselben Zählweise auf mit über 1.500 Vertretern und Maklern. Auch die Slowakei, Italien und Tschechien haben deutlich mehr Vermittler pro Einwohner als Deutschland.
Am anderen Ende steht Großbritannien mit nur 15 Vermittlern je 100.000 Einwohnern. Ein Zusammenhang mit der dort seit mehreren Jahren diskutierten Beratungslücke, die die dortige Finanzaufsicht und das Finanzministerium zur Entwicklung von Robo-Advisor-Systemen gemeinsam mit der Finanzindustrie veranlasst hat, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen.
Allerdings hängt die geringe Anzahl Vermittler wohl auch damit zusammen, dass Großbritannien schon seit Jahrzehnten eine Kultur des Direktvertriebs von Sachversicherungen pflegt. Kunden nutzen zudem viel häufiger Vergleichsportale als Abschlusskanal. In den Niederlanden gibt es ein ähnliches Nachfrageverhalten, was die mit 36 Vermittlern ebenfalls geringe Vermittlerdichte erklärt.
In UK und NL nur Makler
Die Märkte unterscheiden sich zudem sehr stark danach, ob Vertreter oder Makler dominieren. Es gibt 100-prozentige Maklermärkte, das sind wiederum Großbritannien und die Niederlande. Das glatte Gegenteil mit 100 Prozent Vertretern findet sich in Portugal. Eine ganze Reihe weiterer Länder weist zumindest nahe an 100 Prozent Vertreter auf. Deutschland liegt mit 77 Prozent Vertretern und 23 Prozent Maklern ziemlich genau im europäischen Mittel.
Allerdings zeigen sich auch hier Tücken der uneinheitlichen Kategorien und Berichtsweisen. In einigen Märkten wie insbesondere in Malta, Italien und Griechenland repräsentieren die dort gezählten Vertreter und Makler nur eine Minderheit der Gesamtanzahl der registrierten Vermittler. Es dominieren „andere Kategorien“. Man kann nur spekulieren, aber dabei könnte es sich um Bankvertriebe und Annexvertriebe handeln.
Lebensgeschäft ist nirgendwo Makler-dominiert
Aufschluss gibt der Bericht zudem über die Marktanteile im Lebens- und im Nichtlebensgeschäft. Lebensversicherungen werden in Litauen, Estland, Polen und Portugal mit jeweils mehr als 50 Prozent Marktanteil durch Vertreter vermittelt. In keinem Land erreichen Makler 50 Prozent Marktanteil und mehr. Relativ am stärksten sind die Makler in den Niederlanden (47 Prozent), Irland (45 Prozent) und Belgien (42 Prozent) am Lebengeschäft beteiligt. Selbst in den für ihre Provisionsverbote bekannten und als Vorreiter der Honorarberatung gelobten Länder Großbritannien und Niederlande dürften wohl die Banken den Löwenanteil des Leben-Geschäfts schreiben. Deutschland bewegt sich mit 40 Prozent Vertreter- und 36 Prozent Makler-Anteil im Mittelfeld.
Das Nichtleben-Geschäft wird nur in Polen und in Portugal zu jeweils deutlich mehr als der Hälfte von Vertretern vermittelt. Makler erreichen dagegen in Rumänien, Niederlande, Belgien und Luxemburg jeweils mehr als 50 Prozent Marktanteil. Im Spezialfall Italien sind 86 Prozent des Nichtlebens-Geschäfts auf sonstige Vermittlerkategorien zurückzuführen. Deutschland wird einmal mehr im Mittelfeld mit 46 Prozent Vertreter- und 30 Prozent Makler-Anteil gelistet.
Autor(en): Matthias Beenken