Mit einer sehr pauschalen Kritik an der DIN 77230 für Finanzberater hat sich die Vema an die Öffentlichkeit gewendet. Anscheinend befürchtet die Maklergenossenschaft, dass die Norm rechtlich verpflichtend wird.
Die DIN 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ wurde im Februar 2019 veröffentlicht. Mitte 2022 wurde die Norm um ein Modul zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ergänzt. „Ziel war es, die Nachhaltigkeitspräferenzen in einer einheitlichen, einfachen und für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlichen Abfragelogik zu konkretisieren“, heißt es dazu in einer Mitteilung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV).
Teilanalysen möglich
Ende 2023 wurde die Analysenorm überarbeitet. Danach gibt es nun neun Bedarfsfelder, die Teilanalysen erlauben. So kann nun laut dem Defino Institut für Finanznorm beispielsweise „Krankheit und Pflege“, „Arbeitskraftverlust“ oder „Sparen und Vermögensbildung“ separat analysiert werden. Wer sich auf die Norm beruft, muss aber die Teilanalyse-Themen in die gesamte Liste der 42 Finanzthemen der DIN 77230 einordnen. Damit sollen Verbraucher sehen, dass sie „möglicherweise noch wichtigere Themen“ zu betrachten haben“, erläutert Defino.
Ende 2023 hat das Deutsche Institut für Normung DIN den neuen Normenausschuss „Finanzen“ NAFin ins Leben gerufen. Dieser soll die Normung und Standardisierung für den Finanzsektor unter einem Dach vereinen. Zudem hat sich der Haushaltsausschuss des Bundestages auf die bestehenden DIN-Normen berufen. Sie sollen Grundlage für ein Modellprojekt werden, um die Finanzbildung zu steigern. Dafür sollen in den nächsten drei Jahren insgesamt 600.000 Euro zur Verfügung gestellt werden.
Kompetente Beraterinnen und Berater ausschlaggebend
Trotzdem hat nun die Vema Maklergenossenschaft eine massive Kritik an der DIN-Analyse geäußert. Laut Vema sei die „Regulierung auf dem Holzweg.“ Finanzberatung brauche keine Normung. So schreibt Vema-Vorstand Johannes Neder: „Kann die Vereinheitlichung durch eine Norm dem individuellen Absicherungsbedürfnis eines Menschen grundsätzlich gerecht werden? Wird der Kunde dadurch wirklich besser beraten oder ist es nicht eher eine seltsam verquere Marketingmaßnahme, wenn man sich damit brüstet, nach DIN zu beraten statt nach individuellem Bedarf?“ Nach Meinung des Maklerfunktionärs wird die „Qualität der Beratung maßgeblich durch die Qualifikation und Integrität der Beraterinnen und Berater gesichert und gesteigert.“
Auf Rückfrage, welche Software nach Meinung der VEMA für die Beratung von Privathaushalten empfohlen wird, teilte Neder mit: „Die Wahl der Systeme ist nicht entscheidend – hier muss jeder Berater das für seine Kunden und ja nach Beratungsanforderung passende Softwareprodukt wählen, sofern er überhaupt eines benötigt.“ Gleichzeitig heißt es in der Pressemitteilung: „Kunden brauchen keine DIN-Norm für die Beratung, sondern kompetente Berater, die den vorhandenen Bedarf erkennen und sich die Zeit nehmen, einem Versicherungslaien die Lösungen zu erklären.“
Mehr Haftpflichtschäden durch Rechtsberater
Der VEMA-Vorstand befürchtet, dass eine Beratung nach Norm den Eindruck erwecke, dass fachlich geschulte Berater nicht mehr benötigt werden, weil das System keine Fehlberatung möglich mache. Neder verweist darauf, dass Wirtschaftsprüfer, Notare, Steuerberater und Rechtsanwälte, die keiner Beratungsnorm unterliegen würden, „höhere Schadenzahlungen in ihren Haftpflichtversicherungen“ hätten als Finanzdienstleister. Konkrete Angaben zu diesem Vergleich lieferte der Vema-Vorstand auf Rückfrage aber nicht.
Laut dem Pressesprecher des Defino-Instituts Harro von Lieres sind derzeit rund 2.000 Finanzberaterinnen und -berater auf die DIN-Norm 77230 zertifiziert. Dazu können wohl auch Vema-Makler gehören. So bestätigt Neder: „Es gibt sicherlich durchaus den ein oder anderen Partner, der erste Gehversuche mit der DIN-Beratung umsetzt. Die große Mehrheit jedoch berät nicht mittels DIN-Vorgaben und fordert diese auch nicht.“
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek