Der Wettbewerb in der privaten Unfallversicherung wird härter. Gleichzeitig steigen die Schadenaufwendungen. Vermittler können hiervon im Sinne ihrer Kunden profitieren.
Da zahlreiche Versicherer immer weniger auf eine Ausschließlichkeit bauen können, schrumpft bei der Hälfe der rund 130 Versicherer, die noch die Unfallsparte anbieten, der Bestand. Denn weiterhin gilt: Die private Unfallversicherung muss aktiv verkauf werden.
Allianz ist der Platzhirsch
Das macht niemand so erfolgreich wie die Allianz. 500.000 "Unfall-Schutz"-Policen hat sie in den vergangenen zwei Jahren neu abgeschlossen. "Es hat sich ausgezahlt, dass wir unser Produkt unter dem Motto 'Ein Unfall wirf mich nicht aus der Bahn' neu gestaltet haben", unterstreicht Kathrin Lesser, Allianz-Projektleiterin Unfall-Risiko. Es gebe nun eine hohe Kundenzufriedenheit und auch ein positives Feedback von Verbraucherschützern.
Kern des Produkts ist der persönliche Unfallberater, der sofort nach dem Unfall telefonisch oder direkt vor Ort Hilfe organisiert. Dafür hat die Allianz mittlerweile 18 Berater im Schadenbereich, die alle einen medizinischen Background haben. Das neue Produkt zielt, wie viele ähnliche Angebote im Markt, viel stärker auf Bagatellunfälle. Dies demonstriert Lesser an einem Fahrradunfall, nach dem eine Mutter mit zwei Kleinkindern mit einem Armbruch im Krankenhaus operiert werden muss. "Früher wären die Eintrittshürden der Unfallversicherung zu hoch gewesen, heute erhält die Kundin eine Akutleistung von 1.500 Euro, die Organisation ihres Haushaltes, einen Kinderbetreuungsdienst und einen Taxiservice", so Lesser. Im Rahmen des "Wieder-Fit-Bausteins" organisiere der Unfallberater zudem eine ambulante Reha sowie eine Physiotherapie inklusive Kostenübernahme, weil die Krankenkasse diese nicht bezahlt hätte.
Bei solchen innovativen Unfallpolicen, die viel Beratung erfordern, hat heute weiterhin in der Regel die Ausschließlichkeit die Nase vorn – sagen viele Experten. "Tatsächlich wurden die meisten Policen von der AO verkauft", bestätigt Lesser.
Stornogefahr durch Dynamisierung wächst
"Insgesamt stagniert die Unfallversicherung", sagt Hans-Jürgen Holstiege, Abteilungsleiter Produktmanagement Unfall bei der Ergo Versicherung. So werde das durchschnittliche Wachstum der Unfallversicherung von 1,4 Prozent pro Jahr im Wesentlichen von der Dynamisierung getragen. Doch eine langjährige Dynamisierung führe zu einer gefährlichen Stornoanfälligkeit der Verträge. "Die Kunden stellen lediglich fest, dass die Verträge immer teurer werden, und sehen nicht, dass die Versicherungssummen gestiegen sind", so Holstiege.
Die Unfallversicherung befinde sich im schweren Fahrwasser, weil die Bestände überalterten und keine jungen Kunden gewonnen werden könnten. Zudem ist die Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr (UBR) fast vom Markt verschwunden. Der Anteil der UBR an den Einnahmen ist von 2008 bis 2018 von 26 auf 17 Prozent gefallen. Gab es damals noch rund 20 UBR-Anbieter, sind es heute nur noch acht. Zudem führe ein starker Preis- und Leistungswettbewerb zu immer höheren Schäden. Durch immer umfangreichere Leistungen entwickelt sich die private Unfallversicherung immer mehr in Richtung Krankenversicherung.
Leistungskataloge immer umfangreicher
Das zeigt auch eine aktuelle Analyse. Von den 124 Tarifen zur privaten Unfallversicherung, die das Analysehaus Ascore im Dezember 2019 untersucht hat, haben über 74 Prozent auch "Sonnenbrand und Sonnenstich“"als Leistungsauslöser. Noch 70 Prozent erweitern den Unfallbegriff, weil sie allergische Reaktionen aufgrund eines Insektenstichs als Versicherungsfall definieren. Bei Eigenbewegung gibt es bei rund 65 Prozent der Tarife die vereinbarte Zahlung, bei Infektionen durch geringfügige Verletzungen gilt dies für rund 60 Prozent und bei Bewusstseinsstörung durch Medikamente und Epilepsie liegt die Quote im Markt bei 50 Prozent. Recht exotisch ist noch die Mitversicherung der Bewusstseinsstörung durch Zuckerschock. Diese Leistung fand Ascore bei gerade einmal knapp 15 Prozent der Tarife. Unter dem Strich zeigen die privaten Unfallversicherer eine immer größere Leistungsbreite.
"Bei der Wahl einer Unfallversicherung sollte man den Leistungsumfang der Tarife genau und bedarfsorientiert vergleichen", rät Ascore. Das Leistungsniveau befindet sich jedenfalls in einem scharfen Wettbewerb.
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Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek