Ein Finanzgericht hatte die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein Tarifoptimierer der privaten Krankenversicherung für seine Leistung keine Umsatzsteuer erheben und abführen muss.
In dem vom Finanzgericht Hamburg (Urteil vom 16. Februar 2023, Az. 6 K 86/22, r+s 2/2024, 95-96, Landesrecht Hamburg) entschiedenen Fall ging es um einen Versicherungsmakler, der Kunden beim Tarifwechsel innerhalb ihres privaten Krankenversicherers berät, im Branchenjargon also einen Tarifoptimierer.
Mehrwertsteuer auf Erfolgsbeteiligung
Das 2008 gegründete Unternehmen wirbt im Internet mit seiner Dienstleistung und verkauft diese gegen eine Erfolgsbeteiligung, die auf Basis der für den Kunden ausgehandelten Beitragsersparnis berechnet wird. In Rechnung gestellt wurden zunächst acht und später zehn Monats-Beitragsersparnisse, jeweils erhöht um die Mehrwertsteuer. Der Makler hatte außerdem auch umsatzsteuerfreie Umsätze aus Courtagen für Neu- und für Bestandsversicherungen.
Im Streitfall ging es um die Umsätze mit Mehrwertsteuer aus den Jahren 2015 und 2016, für die zunächst die Umsatzsteuer abgeführt worden war. 2018 aber reichte der Makler eine Korrektur der Umsatzsteuererklärungen ein. 2020 verlangte der Makler per Änderungsantrag, von der Umsatzsteuerpflicht für die Umsätze aus Tarifwechselvergütungen befreit zu werden und verzichtete auf sein Vorsteuerabzugsrecht.
Finanzamt lehnt Umsatzsteuerfreiheit ab
Daraufhin kam es zu einer länger andauernden Außenprüfung. Anfang 2021 dann teilte das Finanzamt dem Makler mit, dass es dessen Auffassung nicht folgt und lehnte die Umsatzsteuerfreiheit für diese Erfolgshonorare ab. Ein Einspruch gegen den Bescheid wurde abgelehnt, sodass die Sache gerichtsanhängig gemacht wurde.
Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Tarifoptimierers und stufte die Umsätze aus der Tarifwechselberatung ebenfalls als umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr. 11 UstG ein. Grund dafür ist, dass nach Ansicht des Gerichts die Tarifwechselberatung „zu den Dienstleistungen eines Versicherungsmaklers“ gehört.
Versicherungsvermittler ist kein formaler Begriff
Die Umsatzsteuerbefreiung für Versicherungsvermittler beruht auf europarechtlichen Vorgaben. Nationale Vorschriften spielen hier daher keine Rolle für die Frage, was ein Versicherungsvermittler ist. Das Gericht führt weiter aus, dass es zwei Bedingungen gibt, die kumulativ erfüllt sein müssen.
Erstens müssen die Leistungen, für die eine Vergütung fließen soll, „zu Versicherungsumsätzen `dazugehörige´ Dienstleistungen sein“. Das sei hier der Fall. Die Tarifwechselberatung gehört zu den verschiedenen Dienstleistungen, „die zur Bewirkung von Versicherungsumsätzen und insbesondere zur Schadensregulierung beitragen“.
Zweitens müssen die fraglichen Leistungen von einem Versicherungsmakler oder einem Versicherungsvertreter erbracht werden. Dabei komme es „nicht auf die formale Eigenschaft des Dienstleistungserbringers“ an, sondern auf den „Inhalt dieser Dienstleistung“.
Diese Aussage des Gerichts ist für Deutschland deshalb interessant, weil es auch die formale Erlaubnis als Versicherungsberater (§ 34d Abs. 2 GewO) gibt, der zwar namentlich kein Versicherungsmakler und kein Versicherungsvertreter ist. Allerdings darf er laut Gewerbeordnung „für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen“ übernehmen.
Verbindung zu beiden Parteien und typische Tätigkeit
Das Gericht sagt weiter, dass zwei Kriterien geprüft werden müssten, ob es sich um eine umsatzsteuerfreie Versicherungsvermittlung handelt. Zum einen müsse der Vermittler sowohl mit dem Versicherer als auch dem Kunden in Verbindung stehen. Zum anderen muss die Tätigkeit „wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit – wie Kunden im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsverträgen zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen – umfassen“.
Das „Zusammenbringen“ sei ausdrücklich auch dann der Fall, wenn ein Versicherungsvertrag wie im Tarifwechselgeschäft längst besteht, aber der Dienstleister beauftragt wird diese Verträge „durch rechtsgeschäftliche Änderungsvereinbarungen zu optimieren“.
Bestärkt sieht sich das Gericht noch durch die Tatsache, dass der Tarifoptimierer eine Erfolgsvergütung verlangt. Das sei „ein Beweisanzeichen, dass berufstypische Leistungen erbracht werden“.
Fehlende Definitionen erschweren Zuordnung
Die Zuordnung der Beitragsoptimierer zum Berufsstand der Versicherungsvermittler ist schon seit Jahren umstritten. 2019 entschied der Bundesgerichtshof, ein Versicherungsberater dürfe kein Erfolgshonorar nehmen (Versicherungsmagazin vom 2.12.2019), was angesichts der erwähnten Erlaubnis des Versicherungsberaters eine erstaunliche Meinung ist. Aber es handelte sich um ein wettbewerbsrechtliches Verfahren – das Gewerberecht und wie jetzt auch das Steuerrecht können zu anderen Ergebnissen kommen.
Einmal mehr zeigt sich, dass in Deutschland weiter Bedarf besteht, sich nicht mehr einseitig auf historisch gewachsene Berufsbegriffe zu fokussieren und stattdessen gesetzlich festzuschreiben, was genau die typischen Aufgaben und Dienstleistungen der einzelnen Akteure sind. Die europäische Regulierung bietet dafür ein geeignetes Vorbild. Das würde manche Diskussion schneller zu einem konstruktiven Ende bringen, so wie hier über die Umsatzbesteuerung oder in einem anderen Zusammenhang über die Frage, wie „unabhängig“ oder wie „ungebunden“ ein Makler ist. Saubere Definitionen würden helfen. Die fehlen aber in deutschen Gesetzen.
Autor(en): Matthias Beenken