Tiefgreifende IDD-Änderungen geplant

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Der Vorschlag einer Kleinanlegerstrategie wurde bisher nur in Bezug auf ein mögliches Provisionsverbot diskutiert. Aber es gibt noch ganz andere Herausforderungen.

Die etwas aufgeregten Reaktionen einiger Vermittlerverbände, die zum Teil ein drohendes Provisionsverbot für Lebensversicherungen, zum Teil nur eine unklare Formulierung und gerade die Abwendung eines solchen Verbots sehen, verdecken den Umfang der Anpassungen, die die EU-Kommission bei der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD vornehmen will.

Wie viel Geschäft im EU-Ausland?

Der dazu vorgelegte Vorschlag enthält ein ganzes Sammelsurium an Ergänzungen und Neuausrichtungen. Das beginnt mit neuen Pflichten für solche Vermittlerinnen und Vermittler, die grenzüberschreitend in der Union Versicherungen vermitteln. Sobald sie mindestens mehr als 50 Kundinnen und Kunden im Ausland haben, sollen sie regelmäßig an ihre Aufsichtsbehörde verschiedene Daten liefern.

Dabei geht es vor allem um die Länder, in denen sie tätig sind, und die Art und den Umfang der Vermittlungsaktivitäten sowie dabei entstandene Beschwerden. Bisher weiß die EU wenig darüber, ob der eigentliche Zweck der früheren Vermittler- und heutigen Vertriebsrichtlinie erreicht wird, grenzüberschreitende Vermittlungen zu fördern.

Mehr Wissen über Lebensversicherung

Bei der Aus- und vor allem Weiterbildung sollten sich die Vermittler auf neue Bildungsinhalte einstellen. Der Anhang 1 der IDD wird im Bereich der Lebensversicherung deutlich erweitert. Der EU-Kommission ist es wichtig, dass Vermittler und alle im Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten tätigen Angestellten nicht etwa nur die Produkte als solche kennen, wie man das von der Sachkundeprüfung her gewohnt ist.

Vielmehr sollen sie künftig auch die Kostenstrukturen der Produkte kennen und in die Beratung einbeziehen können, ebenso wie Prognosetechniken und Bewertungen von Anlagen. Volkswirtschaftliche Grundkenntnisse und Wissen über Finanzmärkte runden diesen Bereich ab. Wenig überraschend, werden auch Kenntnisse zum Konzept Nachhaltigkeit und zu Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden aufgenommen.

Zertifizierte Weiterbildung angestrebt

Möglicherweise gezählt sind die Tage für die Praxis, Weiterbildung recht großzügig auch durch reine körperliche Anwesenheit bei Veranstaltungen als abgeleistet anzunehmen. Die Kommission fordert Lernerfolgskontrollen sowie regelmäßige Zertifikate, und zwar für alle Weiterbildungsverpflichteten, auch die Angestellten. Betont wird, dass neu eingeführte Produkte Weiterbildungsbedarf auslösen.

Vorsichtiger werden muss der gesamte Vertrieb künftig bei seiner Werbung in Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten. Marketingkommunikation und Marketingpraktiken und -tools müssen so aufgebaut werden, dass Kunden nicht etwa in die Irre geführt werden. Sie sollen die wesentlichen Bestandteile des Angebots benennen, was normalerweise gerade nicht Gegenstand einer reinen Werbung, sondern der aus guten Gründen bestehenden Produktinformationspflichten ist. Allerdings kennt man das auch von anderen Branchen und Produkten, dass die Werbung eine Menge Zusatzinformationen und Warnhinweise enthalten muss.

Kunden in erster Linie digital informieren

Günstig für den Vertrieb ist, dass die Kommission von der „Papier zuerst“-Regel abgehen und digitale Kundeninformationen fördern will. Es soll sogar die Möglichkeit geben, Kunden auf digitale Mitteilungen umzustellen, wenn sie nicht innerhalb von acht Wochen einer entsprechenden Mitteilung widersprechen. Papier wäre dann nur noch eine Ausnahme, die auf Kundenwunsch vorgehalten werden muss.

Die Welt der Produktinformationsblätter wird nach dem Willen der Kommission um eine weitere Variante reicher. Neben dem normalen Produktinformationsblatt für Schadenversicherungen und den speziellen Informationsblättern für Versicherungsanlageprodukte soll es nun auch noch eines für Lebensversicherungen geben, die nicht Versicherungsanlagen enthalten – gemeint sind Biometrieprodukte.

Versicherungsanlagen bewerten

Wer künftig Versicherungsanlageprodukte vermitteln will, sollte sich ohnehin auf steigende Anforderungen einstellen. Vermittlern soll nicht nur wie bisher auferlegt werden, dass sie sich Informationen aus dem Produktfreigabeverfahren des Versicherers besorgen und die Produkte verstehen, zu denen sie beraten und die sie vertreiben.

Sondern sie sollen künftig auch eine eigene Kostenbewertung vornehmen. Dazu zählen zum einen solche Kosten, die nicht schon der Versicherer einkalkuliert hat. Beispiele wären Honorare, Gebühren oder auch Kickbacks von Fondsgesellschaften an Vermittler. Zum anderen sollen sie prüfen, ob die Gesamtkosten des Produkts „gerechtfertigt und angemessen“ sind in Bezug auf den Zielmarkt oder die Zielkunden. Dazu wird es von der Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde Benchmarks geben, an denen sich die Vermittler orientieren können – so der Plan. Selbstredend geht das mit entsprechenden Dokumentationspflichten einher.

Neu austariert werden muss das Konzept der sogenannten unabhängigen Beratung. Denn die Kommission schlägt vor, den Begriff aus der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie MiFID II zu übernehmen. Danach dürfte derjenige, der eine unabhängige Beratung behauptet, auch keine Provisionen und andere Anreize von einer dritten Partei annehmen, also irgendjemand anderes als dem Kunden selbst.

Provisionen bleiben zulässig – aber nicht immer

Dazu wird einleitend erläutert, dass eine Provisionsvermittlung von Versicherungen nicht verboten werden soll. Man dürfe sich halt nur nicht als unabhängig bezeichnen und müsse den Kunden korrekt darüber informieren, dass man Vergütungen von Versicherern erhält. Auch anerkennt die EU-Kommission die unterschiedlichen Vertriebsstrukturen, nach denen es wie in Deutschland auch Makler gibt, die vertraglich gerade nicht an einen oder mehrere Versicherer gebunden sind. Wahrscheinlich wird es nun auf die deutsche Umsetzung ankommen, ob man die hierzulande übliche Trennung in Provisions-bezahlte Makler einerseits und Versicherungs- beziehungsweise Honorarberater andererseits aufrechterhält und den Kunden den Unterschied noch besser verdeutlicht als bisher.

Bevor das alles in Kraft tritt, müssen aber das Europäische Parlament und der Rat ihre Position zu den Kommissionsvorschlägen festlegen und dann im Trilog eine Einigung erzielen. Zeitdruck entsteht dabei durch die Europawahl im kommenden Jahr. Zudem richten sich Richtlinien immer erst einmal nur an die Mitgliedsländer. Denen muss Zeit eingeräumt werden für die Umsetzung. Dennoch schadet es nicht, sich mit den geplanten Änderungen jetzt schon auseinanderzusetzen.

Autor(en): Matthias Beenken

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