Ein Versicherungsmakler deckte die Private Krankenversicherung seiner Kundin um – was sich als Fehler herausstellte.
In dem vom Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 7.3.2023, Az. 12 U 268/22, r+s 2024, 188-192) entschiedenen Fall hatte eine selbstständige Augenoptikerin ihre private Krankenvollversicherung zum Ende 2018 auf Anraten eines Versicherungsmaklers gekündigt und zu einem anderen Versicherer umdecken lassen. Der alte Vertrag sah unter anderem ein Krankenhaustagegeld von 50 Euro am Tag und ein Krankentagegeld von 100 Euro ab dem 29. Tag vor.
Zurück zum Vorversicherer für mehr Prämie und weniger Leistung
Die Sache ging schief, als die Kundin Anfang 2021 einen Leistungsfall meldete, der neue Versicherer aber wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurücktrat. Denn bei der Aufnahme des neuen Antrags, den die Kundin quasi blind unterschrieben hatte, wurde nicht mit angegeben, dass die Kundin auf ein Hörgerät angewiesen ist.
Die Kundin wurde daraufhin von der Vorversicherung wieder aufgenommen, aber gegen einen Risikozuschlag von monatlich knapp 191 Euro – und ohne die bisherigen Deckungen bei Arbeitsunfähigkeit. Mit der Klage verlangte die Kundin Schadenersatz vom Versicherungsmakler. Und das zu Recht, so das Gericht.
Unterschiede genau darlegen
Denn die Pflichten eines Versicherungsmaklers gehen weit, zitiert das OLG die ständige Rechtsprechung zu diesem Berufsstand. Wenn der Wechsel einer Personenversicherung empfohlen werde, habe der Versicherungsmakler „dem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung zu verschaffen“.
Erschwerend kam eine unvollständige Beratungsdokumentation hinzu. Denn aus der ging nicht hervor, ob das Thema Arbeitsunfähigkeit und die fehlende Deckung von Kranken- und Krankenhaustagegeldern in der neuen Deckung angesprochen wurde. In diesen Fällen gehen die Gerichte davon aus, dass keine Beratung erfolgt ist, sofern der beklagte Vermittler nicht das Gegenteil auf anderem Weg als mit der unvollständigen Beratungsdokumentation nachweisen kann. Das OLG betont, dass die Kundin zum Zeitpunkt der Umdeckung schon über 50 Jahre alt war und das Angebot einer neuen Deckung ohne Hinweis auf den fehlenden Schutz bei Arbeitsunfähigkeit „pflichtwidrig“ gewesen sei.
Ein Makler muss das wissen
Es reichte auch nicht aus, dass Anlass der Umdeckung eine Unzufriedenheit der Kundin mit der schleppenden Leistungsregulierung durch den alten Krankenversicherer war, und dass die Kundin nicht ausdrücklich selbst den Abschluss von Kranken- und Krankenhaustagegeld-Deckungen gewünscht hatte. Ein Makler muss also wissen, dass solche Deckungen benötigt werden, und dass das Fehlen einen erheblichen Nachteil darstellen kann.
Auch geht das Gericht davon aus, dass die Kundin sich bei korrekter Aufklärung gegen den angebotenen neuen Vertrag entschieden hätte. Das wird als „Vermutung beratungsgerechten Verhaltens“ bezeichnet. Ebenso nachteilig war die erneute Gesundheitsprüfung, die das Risiko von rechtlichen Schritten gegen diesen Vertrag oder von Risikozuschlägen barg – genau, wie es dann auch eingetreten ist.
Als nicht stichhaltig zurückgewiesen wurde außerdem das Argument, die neue Versicherung sei günstiger gewesen als die alte. Nach Einschätzung des Gerichts gab es keine Vorteile, die den erheblichen Nachteilen als Kompensation gegenüberstanden.
Höhe der Schadenersatzpflicht steht erst künftig fest
Bei der Bemessung des entstandenen Vermögensschadens ließ das Gericht den neu entstandenen Risikozuschlag zunächst außer Betracht. Stattdessen bezifferte es den Schaden als in der Höhe entstanden, in der künftig keine Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit mehr gewährt werden. Das heißt, aktuell konnte noch kein bestimmter Betrag des Schadenersatzes festgesetzt werden, sondern nur abstrakt die Tatsache, dass eine Schadenersatzpflicht entstanden ist. Für den Makler bedeutet das künftig teure Rechnungen für den Verdienstausfall.
Den Einwand ersparter Prämien für die Tagegeld-Deckungen ließ das Gericht nicht gelten, weil der Kundin kein Vorteil entstanden ist. Dabei wurde der Risikozuschlag doch berücksichtigt, denn mit diesem fällt die neue Prämie – ohne Deckung für Kranken- und Krankenhaustagegeld – nach den Feststellungen mit rund 773 Euro monatlich immer noch höher aus als vorher mit rund 737 Euro.
Ein Mitverschulden der Kundin wurde ebenfalls nicht festgestellt. Sie musste nicht alle Unterlagen selbst sorgfältig lesen und die Deckungsunterschiede zwischen neuem und altem Vertrag auffinden. Das sei nicht mit dem Schutzzweck der Beratungspflicht nach § 61 VVG vereinbar. Das Gericht war auch nicht von der Behauptung zu überzeugen, dass die Kundin aufgrund ihres Berufs mit Tarifbezeichnungen von Versicherungen vertraut sein müsse.
Verlust der Alterungsrückstellungen spricht gegen Umdeckung
In diesem Fall dürfte der größte Fehler darin bestanden haben, überhaupt eine Umdeckung zu einem anderen Krankenversicherer zu empfehlen. Angesichts des Alters und der Vorerkrankungen der Kundin machte das keinen Sinn. Aus dem Urteil geht zwar nicht hervor, ob der Altvertrag vor oder ab 2009 abgeschlossen worden war. Aber in jedem Fall wäre die Umdeckung mit dem Verlust mindestens eines Teils oder bei Abschluss vor 2009 sogar dem vollständigen Verlust der Alterungsrückstellungen verbunden gewesen.
Die bessere Alternative ist zu prüfen, ob es beim selben Versicherer alternative Tarifangebote gibt, um dann das gesetzliche Recht auf Tarifwechsel nach § 204 VVG geltend zu machen. Das erfolgt unter Anrechnung aller erworbenen Rechte und Alterungsrückstellungen. Und wenn die Motivation der Kundin in der schleppender Leistungsregulierung den Versicherer bestanden hat, gäbe es Beschwerdemöglichkeiten als milderes Mittel.
Hätte Chance bestanden, den Fehler zu korrigieren
Schwer verständlich ist auch, warum der gewinnende Krankenversicherer den Antrag ohne Rückfragen beim Makler bezüglich fehlender Tagegelddeckungen und der vermeintlich guten Gesundheitssituation angenommen hatte. Beides müsste angesichts des Berufs wie des Alters dieser Kundin als ungewöhnlich zu erkennen sein. Vielleicht hätte so eine Chance bestanden, den Fehler zu korrigieren.
Allerdings wäre der Preis dieses Handeln im bestmöglichen Kundeninteresse aus Sicht sowohl des gewinnenden Krankenversicherers als auch des Maklers, der auf eine Abschlussprovision aus der Umdeckung hoffte, hoch gewesen.
Autor(en): Matthias Beenken