Deutsche Anbieter von Telematik-Tarife sehen sich immer wieder vehementer Kritik ausgesetzt. Die Kritikpunkte sind: Die Produkte sind intransparent, ihr Nutzen ist nicht eindeutig, die Technik ist fehleranfällig und ob persönliche Daten missbraucht werden (können), ist ungewiss. Diese kritischen Stimmen will die Huk-Coburg entkräften, mit eigenen Analysen und einer offenen Haltung gegenüber den Kunden.
Das erste Telematik-Produkt von Huk-Coburg „Smart Driver“ hatte nur junge Fahrer als Klientel im Blick. Von Oktober 2016 bis September 2019 konnte das Versicherungsunternehmen dort 80.000 Verträge platzieren. Und hat hierfür reichlich Daten gesammelt, so zum Beispiel: 125 Millionen Fahrten, 36 Millionen Fahrstunden, 26 Milliarden Positions-/Geschwindigkeitsdatenpunkte.
Seit April 2019 hat der Versicherer nun alle Autofahrer im Visier und bietet diesen die Police „Telematik Plus“ an. Für diesen neuen Tarif haben sich nach Unternehmensangaben circa 90.000 Kunden entschieden. Bis zu 30 Prozent können die Kunden mit diesem Tarif potenziell sparen. Nach Aussage des Versicherers ist dieser Prozentsatz auch „erfahrbar, auch bei vielen Kilometern“.
Wollen Wettbewerbsfähigkeit in der digitalen Welt beweisen
Und warum setzt die Huk-Coburg nun auf Telematik für alle Pkw-Kunden? Sie möchte mit dieser Vorgehensweise ihr bisheriges „Geschäftsmodell verteidigen“, das heißt auch, dass sie „ihre Wettbewerbsfähigkeit in der digitalen Welt“ beweisen will und sie „wollen lernen“.
Den Vorwurf, Telematik-Tarife seien intransparent, sieht die Huk für ihr Produkt nicht gegeben, denn in den allgemeinen Versicherungsbedingungen seien alle notwendigen Aspekte offengelegt, vor allem aber Bewertungen/Blogs im Netz und die Feedback-Optionen in der entsprechenden App würden die Erfahrungen und die Haltung der Nutzer zu diesem Angebot offenlegen.
Mittels eines Smartphones und/oder einer Telematik-Einheit werden Fahrdaten gesammelt und in den meisten Fällen per App über das Mobilfunknetz an einen Dienstleister weitergeleitet. Dieser wertet die Daten dann aus und ermittelt einen so genannten Score. Dieser Score oder Wert wird dann an den Versicherer übertragen und dient diesem als Grundlage für den individuellen Rabatt.
„Telematik behandelt jeden Menschen gleich“
Laut Huk-Coburg-Vorstand Jörg Rheinländer ist der Telematik-Score absolut diskriminierungsfrei. Denn: Zielgröße ist die Schadenhäufigkeit beziehungsweise der Schadenbedarf. Nur das Verhalten zähle bei der Score-Berechnung und dies könne von jedem selbst beeinflusst werden. Soziodemografische Faktoren wie Alter, Einkommen oder Beruf hätten selbstverständlich keinen Einfluss auf den Fahrwert. O-Ton Rheinländer: „Telematik behandelt jeden Menschen gleich.“
Einen Score zu berechnen ist einfach. Dies ist eine rationale Aufgabe, sie ergibt sich direkt aus Korrelationen und der Statistik. So haben Berechnungen des Versicherers ergeben, dass Fahrer mit schlechtem Score eine drei bis zehn Mal höhere Unfallwahrscheinlichkeit haben. Und dass die 20 Prozent der Fahrer mit der höchsten Unfallwahrscheinlichkeit 30 bis 40 Prozent der Unfälle produzieren.
Das Problem bei der Score-Berechnnung sei vielmehr, dem Kunden mit den richtigen Worten ein sinnvolles, korrektes Feedback auf seinen Score-Wert zu liefern. Dies sei ein „sehr emotionales Thema“, so Rheinländer und fügt hinzu: „Wir müssen hier noch die richtige Balance finden“.
Keine Solidar- sondern eine Risikogemeinschaft
Auch Vorwürfe, dass durch Telematik das Versichertenkollektiv zerstört würde, entbehren nach Ansicht von Rheinländer jeder Grundlage. Die Kfz-Versicherung sei keine Solidar- sondern eine Risikogemeinschaft. Im aufsichtsrechtlichen Sinne bedeute dies, dass jeder die seinem Risiko angemessene Prämie bezahle. Rheinländer: „Risiko hat seinen Preis.“ Dies träfe eben auch für den Telematik-Tarif zu und dieser basiere wie jede andere Versicherung auch auf Statistik.
Auch die Vermutung, dass Telematik zulasten der herkömmlichen Versicherungsbestände läuft, ist laut Rheinländer falsch: „Telematik und Nicht-Telematik können als zwei separate Bestände gesehen werden. Jede der beiden Gruppen bezahlt das für die Gruppe Erforderliche, also Kunden in Nicht-Telematik-Tarifen zahlen den für ihre Gruppe angemessenen Preis und Telematik-Kunden ebenso.“ Damit gebe es keine - oft behauptete - Schlechterstellung von Nicht-Telematik-Kunden. Der Rabatt für Telematik entstehe durch Risikodifferenzierung, Selektion und Verhaltensänderung.
Nebeneffekt: Ökologisch angemessenere Fahrweise
Die Huk-Coburg ist auf jeden Fall überzeugt, dass sie mit ihren Telematik-Angeboten den richtigen Weg beschreitet, denn diese würden dem Verbraucher nicht nur helfen, Geld zu sparen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen, sondern auch zu einer ökologisch angemesseneren Fahrweise führen. Außerdem sei der Abschluss eines Telematik-Tarifes eine absolut freiwillige Entscheidung, von der man jeden Tag zurücktreten, sprich den Vertrag kündigen könne.
Kontinuierliche Test, umfangreiche Qualitätsfilter, permanentes Qualitätscontrolling - damit will der Versicherer technische Schwachstellen bei seinem Telematik-Angebot minimieren, wissend, dass es „100 Prozent Perfektion nie geben kann“. „Wir tun unser Bestes, um unser Produkt ständig weiter zu entwickeln. Gleichzeitig muss aber auch der Kunde mitarbeiten. Telematik funktioniert nur gemeinsam“, kommentiert Daniel John, Leiter des Aktuariats /Kompositversicherung, die Vorgehensweise seines Hauses.
Nischenprodukt oder DIE Lösung?
Und wie sieht die Zukunft der Telematik-Welt aus? Wird es erst einmal ein Nischenprodukt bleiben oder bald flächendeckend angeboten werden? Rheinländer schätzt: „ Unseres Erachtens werden Telematik-Tarife in den kommenden Jahren einen Marktanteil von neun bis 20 Prozent verbuchen können“.
Autor(en): Meris Neininger