Die Huk-Coburg hat sich im Oktober 2016 auf den Weg nach „Telematikistan“ gemacht. Über seine Erfahrungen berichtete Deutschlands größter Kfz-Versicherer in einer von Versicherungsmagazin moderierten Session auf der Tagung Fahrerassistenzsysteme (FAS-Tagung) der Automobilzeitschrift ATZ. Über den Datenschutz machen sich die Kunden jedenfalls keine Sorgen.
Dass die Telematik-Kunden der Huk-Coburg die Sammlung und Analyse ihrer Fahrdaten offenbar recht locker nehmen, mag daran liegen, dass der Tarif aktuell nur von jungen Menschen bis 25 Jahre abgeschlossen werden kann. Seit Oktober 2016 bietet der Versicherer das Produkt „Smart Driver“ an. Bislang kamen so 60.000 Verträge zusammen, bei denen die Kunden bis zu 30 Prozent ihrer Beiträge sparen können und die eine automatische Rettung bei Unfall beinhalten.
Im Vergleich zu den elf Millionen Verträgen mit klassischer Tarifierung ist das noch wenig. Aber es ist schon genug, um Schlüsse daraus zu ziehen, die Martin Ballerstein, Leiter Tarifierung und Marktbeobachtung Komposit bei der Huk, auf der FAS-Tagung vorstellte. Für den Versicherer ist es außerdem genug, um seinen Telematik-Tarif wie vor wenigen Tagen angekündigt ab 2019 für alle Fahrer gleich welchen Alters zu öffnen.
Boxen fuhren bislang rund 8.500 um den Erdball
Ballerstein nahm seine Zuhörer in seinem Vortrag auf eine Reise nach „Telematikistan“. „Wir entwickeln uns hin zu einem Technologieunternehmen“, nannte der Versicherungsmathematiker eine Erkenntnis und erwähnte, dass die Huk als Datenspezialisten etwa Astrophysiker beschäftigt. Die fest verbauten Boxen in den Fahrzeugen der Kunden zeichneten insgesamt 31 Millionen Fahrten, neun Millionen Fahrstunden und 342 Millionen gefahrene Kilometer auf, das entspricht über 8.500 Erdumrundungen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 38, die maximale Geschwindigkeitsüberschreitung 140 Stundenkilometer.
Wer sich ans Tempolimit hält, fährt unfallfreier, das ist laut Ballerstein ein weiteres Ergebnis, ebenso, dass sichere Fahrer auch von den Ersparnissen im Tarif profitieren. Er gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass mit den ersten Schäden die Risikoforschung erst richtig beginnt.
Zwischen Assistenzsystemen und autonomen Fahren differenzieren
Einig ist sich Ballerstein mit Jan-Hendrik Wolf, Jurist und Berater Produktentwicklung Kfz bei R+V Allgemeine Versicherung, vor allem in einem Punkt: Die Versicherer werden sich, auch wenn mittlerweile Autofahrer von Assistenzsystemen wie Abstandhaltern unterstützt werden, nicht vom Opferschutz zurückziehen. Uneins zeigten sich die Experten darüber, wie schnell der Abschied vom Selbstfahren kommt. Für sein Berufsleben sieht Wolf diese Entwicklung nicht. „Vieles wird so dargestellt, als sei es schon so weit, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis wir das Lenkrad aus der Hand geben“, kritisierte er.
Wolf präsentierte in seinem Vortrag die Ergebnisse einer Studie des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), wonach der Kfz-Versicherung bis zum Jahr 2035 durch Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren nur sieben bis 15 Prozent Ersparnisse beim Schadenaufwand verbuchen kann. Für die Kfz-Haftpflicht wurden neun bis 20 Prozent, in der Kaskoversicherung drei bis sieben Prozent errechnet. Der R+V-Jurist begründet dies unter anderem damit, dass 70 Prozent aller Kasko-Schadenaufwendungen auf Glas sowie Diebstähle entfallen und entsprechend mit Fahrerassistenzsystemen nicht adressierbar seien. Der Schadenaufwand kann nach Wolfs Prognose sogar steigen, da vermehrt auch etwa bei leichten Parkremplern komplexe und damit teure Sensorik am Fahrzeug betroffen sind.
Autor(en): Stefanie Hüthig