Deutschlands größter Versicherer meldet mehr Betrugsfälle. Demgegenüber wiegelt der Branchenverband ab. Versicherer setzen aber vermehrt auf automatische Betrugsabwehr. Die bundesweite Anti-Betrugsdatenbank gibt keine Auskunft.
Nach Feststellung der Allianz Versicherung gibt es in den letzten zwei Jahren eine deutliche Steigerung beim Versicherungsbetrug. „Unsere Betrugsabwehr hat 2021 gegenüber dem Vorjahr rund 20 Prozent mehr Betrugsversuche aufgedeckt“, erklärt Jochen Haug, Schadenvorstand der Allianz Versicherungs-AG, in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Schon 2020 hatte der Versicherer einen Anstieg des Betrugs um rund zehn Prozent ermittelt. Der Trend zu mehr Betrug setzt sich laut Allianz auch im ersten Halbjahr 2022 fort.
Privater und gewerblicher Bereich betroffen
Betroffen sei sowohl der private wie der gewerbliche Versicherungsbereich. Leicht rückläufig, aber dennoch auf Platz 1, waren Betrügereien in der Autoversicherung mit 45 Prozent (Vorjahr: 50), dicht gefolgt von der Sachversicherung mit 40 Prozent (Vorjahr: 30) und der Haftpflicht mit 15 Prozent (Vorjahr: 20). Demgegenüber kann der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) marktweit „keinen Anstieg der dubiosen Schadenfälle“ feststellen. Die Versicherungslobby ist aber aufmerksam. „Wir werden weiterhin beobachten, ob es unter dem Einfluss von Inflation und einer möglichen Rückkehr der Pandemie zu Änderungen beim Aufkommen dubioser Schäden kommt“, sagte eine GDV-Sprecherin.
Betreiber der Anti-Betrugsdatei schweigt
Eine Anfrage an die Anti-Betrugsdatei ließ der Betreiber des „Hinweis- und Informationssystem der deutschen Versicherungswirtschaft (HIS), die Informa GmbH, unbeantwortet. In das HIS melden Versicherer ungewöhnliche Schadenfälle. Es werden die Daten von Versicherungsnehmern, Geschädigten, versicherten Personen und Zeugen gesammelt. Zudem werden Angaben zu Fahrzeugen und Gebäuden festgehalten. Im HIS dürften über fünf Millionen Daten gespeichert sein. Wer wissen möchte, ob er im HIS eingetragen ist, kann eine kostenfreie Selbstauskunft verlangen (Informa HIS GmbH, Abteilung Datenschutz, Kreuzberger Ring 68, 65205 Wiesbaden).
Werden mehr Fälle entdeckt?
Laut dem GDV setzen die Versicherer in ihren Unternehmen verstärkt Software ein, um Betrüger zu entlarven. Die festgestellt höhere Zahl an Betrugsversuchen könnte somit auch ein Resultat der verschärften Betrugsabwehr der Assekuranzen sein. So will die Allianz ihre Mannschaft von 150 Betrugsabwehrspezialistinnen und -spezialisten erweitern. Ein zusätzliches Team, welches sich speziell mit Kfz-Betrugsabwehr beschäftigt, habe bereits die Arbeit aufgenommen. Zudem wurde ein neuer Bereich in der Betrugsabwehr gegründet, welcher sich auf komplexe nationale und internationale Schadenfälle spezialisiert und zudem auch kriminelle netzwerkartige Strukturen aufdecken soll.
Meist wird rund ums Kfz betrogen
Die bevorzugte Betrugsvariante in der Autoversicherung sind laut Allianz – mit über 50 Prozent – angebliche Unfälle im fließenden Verkehr, gefolgt von vorgetäuschten Totaldiebstählen (rund 13 Prozent). In der Sachversicherung sind aktuell die Lockerungen der Corona-Maßnahmen zu spüren. Waren vermeintliche Einbruchdiebstahlschäden 2020 aufgrund des Lockdowns eher rückläufig, so lagen Betrügereien in diesem Bereich im Jahr 2021 auf Platz 1 (35 Prozent).
Mit rund 30 Prozent folgten Schadenmeldungen im Zusammenhang mit angeblich unbeabsichtigt ausgetretenem Leitungswasser (30 Prozent). In der Haftpflichtversicherung wurden am häufigsten betrügerische Schadenfälle im Zusammenhang mit Kfz (40 Prozent) aufgedeckt. Angebliche Schäden an Immobilien (ohne Mietsachschäden) lagen mit 17 Prozent auf Platz 2.
Die Versicherungsunternehmen verweisen darauf, dass Versicherungsbetrug kein Kavaliersdelikt ist, sondern eine Straftat. Zum Schutz der ehrlichen Kundinnen und Kunden sei daher eine Betrugsabwehr unerlässlich. In der Regel bringen die Versicherer entlarvte Betrüger zu Anzeige. Wer wegen Versicherungsbetrug vorbestraft ist, kann dann künftig beim Abschluss einer Versicherung Probleme bekommen.
Autor(en): Uwe Schmid-Kasparek