Die Pflege der Kundenbeziehungen wird im digitalen Zeitalter angesichts maximaler Transparenz und steigenden Wechselwillens immer schwieriger. Mit den richtigen Instrumenten kann sie jedoch auch heute gelingen, wie ein Gastbeitrag zeigt.
Unternehmen investieren viel Zeit, Geld und Intelligenz in die Akquise von Neukunden. Mit attraktiven Angeboten und groß angelegten Marketing-Maßnahmen sollen Interessenten zum Kauf von Produkten oder der Nutzung von Services motiviert werden. Leider vernachlässigen viele dabei jedoch die Pflege bestehender Kundenbeziehungen. Loyale Kunden verursachen nicht nur wesentlich weniger Kosten und Aufwand in der Ansprache und Betreuung, sie sind auch wichtige Multiplikatoren und Markenbotschafter.
Kunden werden untreuer
Doch lohnen sich Investitionen in Kundenbindungsmaßnahmen überhaupt, angesichts von Preisvergleichsseiten, Bewertungsportalen und einer steigenden Fluktuation? Selbst in Branchen, in denen die Bindung an ein Unternehmen traditionell hoch ist, werden Kundenbeziehungen immer unbeständiger. Das zeigen aktuelle Studien wie der YouGov-Report "Wechselbereitschaft Girokonto". Bankkunden, so die Untersuchung, empfinden immer weniger Loyalität zu ihrem Finanzinstitut. Fast jeder vierte der für die Studie Befragten war an einem Wechsel seines Girokonto-Anbieters interessiert und plante diesen für die kommenden zwölf Monate, Tendenz steigend.
In der Versicherungsbranche zeigt der Trend in dieselbe Richtung. Die zunehmende digitale Präsenz der Unternehmen und die Möglichkeit, Verträge bequem und direkt online abzuschließen, führen zu steigendem Wechselwillen. Vor allem Vergleichsportale tragen überproportional zu dieser Entwicklung bei. Neben dem Trend zu Online-Abschlüssen spielt auch der schwindende persönliche Kontakt zu Beratern eine Rolle. Familie, Freunde und die Community in den sozialen Medien ersetzt die professionelle Beratung.
Der Kern der Kundenbindung
Kunden sind also auch heute durchaus offen für Empfehlungen, Inspiration und Unterstützung bei Kaufentscheidungen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Wechselwillen, sondern auch auf die Bereitschaft, einem Anbieter treu zu bleiben. Hier können Kundenmanagement und Kundenentwicklung ansetzen.
Die Basis einer guten Kundenbeziehung bildet das richtige Produkt- oder Service-Angebot. Sein Nutzen muss nicht nur real erfahrbar sein, sondern auch stetig kommuniziert werden. Ziel ist es, eine Bindung zwischen Kunde, Produkt und Unternehmen aufzubauen. Wichtiger noch als die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen ist die Pflege wertiger Kunden, die regelmäßig kaufen, nutzen und weiterempfehlen. Sie sollten durch eine zielgerichtete Ansprache aufgebaut und entwickelt werden. Eine echte Bindung entsteht dabei durch emotionale Verbundenheit und nicht durch Vertragsbindung oder aufgrund ökonomischer und situativer Faktoren.
Den Kunden emotional mit einbeziehen
Im Mittelpunkt sollten daher erlebnisorientierte Maßnahmen stehen, die den Kunden emotional einbeziehen, etwa durch den Aufbau einer Erlebnis- und Markenwelt oder das Entwickeln und Kommunizieren einer Vision, mit der sich der Kunde identifizieren kann. Eine zielgerichtete Ansprache sorgt zudem dafür, dass individuelle Bedürfnisse adressiert und nach Möglichkeit erfüllt werden.
Diese Anstrengungen können allerdings nur wirken, wenn sich Treue und Loyalität für den Kunden lohnen. Rückgewinnungsmaßnahmen müssen daher einen größeren Nutzen bieten als Neukunden-Angebote. Sie müssen zudem individuell auf den Kunden zugeschnitten sein und Emotionalität sowie Wertschätzung stetig gewährleisten.
Ein erfolgreiches Kundenbindungs-Management kann nur gelingen, wenn ein Unternehmen seine Kunden kennt und diese individuell und zielgerichtet in jeder Phase der Customer Journey durchgängig über alle Kanäle ansprechen kann. Um werthaltige Kunden erkennen zu können, ist eine Analyse bestehender Kundenbeziehungen und Kundenstrukturen sowie eine umfangreiche Kundensegmentierung von Vorteil.
Darüber hinaus bieten Analysen und Selektionen, etwa auf Basis von Predictive Modelling die Möglichkeit, Produktpräferenzen, Kaufentscheidungen und Absprungwahrscheinlichkeiten vorherzusagen. Aktuelle IT-Trends wie Marketing-Automation, Big Data oder Machine Learning unterstützen dabei die Steigerung und Sicherung der Kundenbindung.
Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, die Kundenbindung zu intensivieren
In den Zeiten von Vergleichsportalen, Preissuchmaschinen und Empfehlungsplattformen wird es immer schwieriger, Kunden an ein Unternehmen zu binden. Selbst Versicherer und Banken sind heute mit wechselwilligen Kunden konfrontiert, die der früher üblichen langjährigen oder gar lebenslangen Loyalität zum Finanzinstitut keine Bedeutung mehr zumessen.
Doch gerade die Digitalisierung bietet auch sehr viele Möglichkeiten, die Kundenbindung zu intensivieren und zu optimieren. Trends wie Marketing-Automation, Big Data und Machine Learning erlauben es, Kunden über alle Kanäle hinweg in der Customer Journey zu begleiten und ihnen zur richtigen Zeit das richtige, individuelle Angebot zu unterbreiten. Im Vordergrund sollte jedoch immer die emotionale und wertschätzende Bindung stehen, idealerweise durch eine Vision des Unternehmens und der Produkte, mit der sich der Kunde identifizieren kann.
Steffen Bolenius ist Bereichsleiter Insurance Business Consulting bei msg.
Autor(en): Steffen Bolenius