Selbstzufriedenheit ist Gift für Unternehmen und Menschen

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Anke Nienkerke-Springer (im Bild) beschäftigt sich in ihrem neuen Buch "Evolution statt Revolution - Unternehmerische Zukunft verantwortungsvoll gestalten" mit dem Thema evolutionäre und nachhaltige Unternehmensentwicklung.  Die Autorin beschreibt, wie in den Unternehmen eine Haltung des Gelingens entsteht. Ihre Überzeugung: Unternehmen müssen sich nicht ständig neu erfinden, sondern sich ständig neu ausrichten. Wer sich auf den unternehmerischen Sinn und Daseinszweck besinnt und gleichzeitig offen ist für neue Entwicklungen, kann zuversichtlich in die Zukunft blicken. Im Gespräch mit Versicherungsmagazin erläutert sie ihren Ansatz.

Unternehmen mussten sich schon immer an veränderte Rahmenbedingungen anpassen oder weichen. Was ist das Neue am evolutionären Wandel?
Anke Nienkerke-Springer: Schon Charles Darwin wusste, dass die Arten, die sich am besten anpassen, die sind, die im Laufe der Evolution überleben. Übertragen auf die heutige Unternehmenswelt bedeutet das: die Umwelt und die Bedürfnisse der Menschen und Gesellschaft im Blick zu behalten. Es bringt nichts, an der großartigen Technologie der analogen Spiegelreflexkamera festhalten zu wollen, wenn die Mehrheit der Menschen mit einem Knopfdruck tolle Fotos mit ihrem Handy schießen kann.

Es muss eine Wandlung, eine Anpassung stattfinden, die in der Folge auch ein Umdenken beziehungsweise neues Mind-Set erfordert. Ein evolutionärer Wandel setzt weder auf blinden Aktionismus, Methodengläubigkeit noch auf das Beharren auf Althergebrachten. Unternehmen müssen sich nicht ständig neu erfinden, sondern sich immer wieder neu ausrichten. Immer wichtiger wird auch das Bewusstsein, dass unternehmerisches Handeln stets eine gesellschaftliche Relevanz und Verantwortung besitzt.

Was sind die Merkmale einer wertschätzenden Unternehmenskultur?
In einer wertschätzenden Unternehmenskultur wird der einzelne Mensch nicht primär als Funktionsträger interpretiert, sondern vor allem in seinem Menschsein akzeptiert.  Wertschätzung wird in einem evolutionären Unternehmen als Grundhaltung gelebt. Nur so entsteht Empowerment, ein Klima, in dem Menschen ihre Potenziale entfalten wollen, können und dürfen. Führung im evolutionären Unternehmen heißt: Menschen bewegen und Organisationen gestalten. Das sind die zwei Seiten einer Medaille.

Warum sollten Inhaber eines kleinen oder mittelständischen Vermittlerbetriebs sich mit dem Thema beschäftigen? Was hätten sie davon?
Dynamische und komplexe Umfeld-Veränderungen wirken sich sowohl auf das Geschäftsmodell der Versicherer als auch der Vermittlerbetriebe aus. Die richtige Positionierung im Sinne von Personal Branding ist heute wichtiger denn je. Das alleinige Präsentieren und Verkaufen hat als Erfolgsrezept ausgedient. Vermittler stehen einem hybriden Kunden gegenüber, dessen Nachfrage- und Kaufverhalten situativ wechselt, der sowohl Online- als auch Offline-Kanäle nutzt, im Netz recherchiert und sich seinen persönlichen Berater aussucht. In der Versicherungsbranche stehen die Vertriebskanäle nicht nur vor technischen sondern insbesondere auch vor emotionalen Herausforderungen.

Für die Führung eines Vermittlerbetriebs ist es umso wichtiger branchenspezifische Herausforderungen und Entwicklungen im Blick zu haben. Die Zukunftsfähigkeit basiert somit auf einer Analyse der aktuellen Marktposition und einer zukunftsfähigen Strategie. Auch organisatorische Resilienz, also die Fähigkeit, in Zeiten des Umbruchs entscheidungsfähig zu bleiben, beziehungsweise, sich als Unternehmen schnell von Problemen zu erholen zu können, ist ein zukunftsweisender Faktor. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie sowohl exzellente Produkte, Prozesssicherheit und ausgezeichnete Verhaltensweisen der Mitarbeiter vorweisen können.

Im Zustand der Selbstzufriedenheit zu verharren ist Gift für Menschen und Unternehmen. Ziel sollte es sein, zu einem evolutionären Unternehmen zu werden, welches auch morgen und übermorgen noch gleichermaßen attraktiv für Mitarbeiter und Kunden ist.

Wie gelingt es, Mitarbeiter "mitzunehmen"?
Ein zukunftsweisender Faktor ist die Möglichkeit zur individuellen Potenzialentfaltung innerhalb des Unternehmens. Wichtig dafür sind die drei salutogenetischen Grundprinzipien: Verstehbarkeit, Gestaltbarkeit und Sinnhaftigkeit. Um ein Unternehmen nachhaltig zukunftsfähig zu machen, werden kohärente Mitarbeiter benötigt, die sich dadurch auszeichnen, mit Krisen, Widerständen und Veränderungen effizient und selbstbewusst umzugehen. Um diese Mitarbeiter zu finden und zu halten, sind die drei oben genannten Prinzipien entscheidend. Denn genau danach suchen die Menschen.

Welche Stolpersteine liegen auf dem Weg zu einem evolutionären Unternehmen?
Gründe für ein Scheitern sind ebenso vielfältig und individuell wie die Unternehmen selbst. Nach meiner Beobachtung und durch die langjährige Begleitung von Unternehmen in Transformationsprozessen gibt es jedoch Fehler, die sich auffällig häufen. Wer diese Quellen eines möglichen Scheiterns kennt, kann rechtzeitig Vorsorge treffen, um nicht zu den aussterbenden Unternehmen zu gehören.

Panik ist in einer Krise kein guter Berater. Es gilt Strategien für den Umgang mit unerwarteten Entwicklungen zu entwerfen und auch das eigentlich Unmögliche zu bedenken und einzuplanen. Allerdings: Es kann immer auch ganz anders kommen als geplant. Letztendlich müssen Verantwortungsträger und Entscheider damit umgehen lernen, dass sie nichts wissen - zumindest nie hundertprozentig. Mit einer ausgeprägten Ambiguitätstoleranz, also die Fähigkeit mit Unsicherheiten und Vieldeutigkeiten umzugehen, gelingt es auch Unvorhergesehene Irritationen in produktiver Weise zu bewältigen.

Eine der größten Gefahren für das Scheitern ist die Angst vor dem Scheitern. Wenn sich die Verantwortlichen zu intensiv mit den Szenarien des Scheiterns beschäftigen. Sie wollen erst handeln, wenn eine hundertprozentiger Erfolgswahrscheinlichkeit vorliegt, was ja ein Widerspruch in sich ist, denn eine hundertprozentige Erfolgsgarantie gibt es nun einmal nicht. Ein weiterer Stolperstein ist das Festhalten an bewährten Erfolgsrezepten. Das Bewährte zu bewahren ist in evolutionären Unternehmen, die Anpassungsprozesse anstreben ein positiver Wert. Es ist aber nicht zielführend, wenn sich niemand traut, Dinge zu hinterfragen und auch einmal eine Heilige Kuh zu schlachten und sich von Grundsätzen und Gewohnheiten zu trennen, die zwar in der Vergangenheit zum Erfolg geführt, sich jedoch mittlerweile überlebt haben.

Buchtipp

Anke Nienkerke-Springer

Evolution statt Revolution
Unternehmerische Zukunft verantwortungsvoll gestalten
ISBN: 978-3-86936-963-1
29,90 Euro
Gabal Verlag

Evolution statt Revolution Cover

Anke Nienkerke-Springer ist Expertin für das Thema Change und Kulturwandel. Sie berät und begleitet Unternehmenslenker, Geschäftsführer und Führungskräfte in Transformationsprozessen und entwickelt mit ihnen zukunftsorientierte Lösungen. www.nienkerke-springer.de

Autor(en): Anke Nienkerke-Springer

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