Schulterschluss statt Ellenbogendenken

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Hoffen auf den Durchbruch: Mit kreativen digitalen Geschäftsmodellen mischen junge internationale Firmen als Innovationsmotor die Assekuranz auf. Bei der „Global Insurtech Roadshow“ in Frankfurt trafen die Gründer auf Investoren und traditionelle Versicherer. Statt Ellenbogendenken suchten die Teilnehmer den gegenseitigen Schulterschluss.

Es geht ein Ruck durch die Branche. Der einstige Appell von Bundespräsident Roman Herzog findet auf ganz neue Art einen starken Widerhall. Bei leidenschaftlichen Gründern und Kreativen, die die Ärmel hochkrempeln und der behäbigen Assekuranz Beine machen. Die jungen Unternehmen (Insurtechs) schlagen dabei den weiten Bogen von Smart Home bis Cyber, von Telematik bis Betrugsbekämpfung, von parametrischen Unwetterdeckungen bis zur digitalen Schadenregulierung, von kundenzentrierten Plattform-Lösungen und Investmentstrategien bis hin zu Künstlicher Intelligenz und regulatorischer Aufsicht. Diese Vielfalt an Branchentrends zeigte sich kürzlich bei der zweiten Auflage der „Global InsurTech Roadshow“ auf dem Campus der Goethe-Universität in Frankfurt. Nachdem vor einem Jahr erstmals 25 Start-ups ihr Angebot vor dem Publikum, darunter traditionelle Versicherer und Investoren, präsentierten (Pitch Contest), waren es dieses Mal 22 ausgesuchte Firmen aus vier Kontinenten.

Stellen gerne die ganze Wertschöpfungskette auf den Kopf

Dass die hippen, erfolgshungrigen Jeans- und Turnschuhträger nicht nur eine einzelne Sparte umkrempeln, sondern die ganze Wertschöpfungskette auf den Kopf stellen können, haben die Moderatoren mit ihren Versicherungsfabriken selbst bewiesen, unter deren Leitung die Startups ihre digitalen Geschäftsmodelle mit dem natürlichen Selbstbewusstsein eines jahrhundertealten Versicherungsvereins vorstellten. So begleiteten unter anderem Alexander Grimm von der Getsafe GmbH, Sebastian Langrehr von der Alecto GmbH (Friendsurance) und Stephen Voss von der Neodigital Versicherung AG die Insurtechs bei ihrer öffentlichen Vorstellung.

Chatbot statt Makler?

Und die Kandidaten standen Gewehr bei Fuß. In maximal sieben spannungsgeladenen Minuten mussten sie nämlich Kunden, Investoren und Versicherern den Hof machen. Kennen Sie ihre Gesundheitswerte? Mit dem Thema Gesundheitsmanagement trat Geschäftsführer Michael Theodossiou von der Bodylabs GmbH aus München an. Er zeigte ein digitales Präventionsprogramm, das auf die individuell gemessenen Risikoprofile basiert. Auf Chatbots in der Kundenkommunikation setzte die Botfriends GmbH. Bei der Konversation kommt KI-Technik zum Einsatz, um eine Frage richtig zu verstehen und die dazu passende Antwort zu generieren. Für alle, die jetzt um ihren Job fürchten, steht die Ewa GmbH bereit. Sie warb für ihr „Grundeinkommen per Versicherung“, das zwar „nicht bedingungslos – aber bezahlbar“ sei. Im Vermittlerregister ist die Firma als Versicherungsvertreter (gemäß §34d GewO) registriert.

Eine digitale Versicherungsplattform entlang der gesamten Wertschöpfungskette präsentierte die 2016 gegründete Moinsure GmbH unter ihrer Marke „Hepster“. Sie hat auch Makler als Zielgruppe, denen sie mit ihrem Programm mehr Zeit für Akquise und Kundenpflege, eine automatisierte Datenübertragung an Versicherer und die Generierung von automatischen Bestandsprovisionen verspricht. Noch in Gründung befinden sich die „Wetterhelden“ (Wetterheld Beteiligung GmbH in Gründung). Das Start-up will sich auf dem Markt für Wetterversicherungen einen Namen machen. Zielgruppe bilden kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland. Die Verträge werden mit dem White Label-Versicherer Element abgeschlossen, Rückversicherer ist die Hannover Rück.

Vorzeigemodelle aus der Schweiz

Den Brückenschlag zwischen persönlicher und Online-Beratung wagte Alexander Bojer. Der Gründer und Geschäftsführer des 2015 gegründeten Schweizer Internet-Vergleichsportals Anivo 360 AG möchte trotz seiner Online-Plattform auf individuelle Beratung nicht verzichten. Online versichert, aber persönlich beraten, lautete daher sein Credo. Ebenfalls aus der Schweiz angereist war Julian Stylianou von der Mitipi AG, die sich auf das vernetzte Zuhause (Smart Home) spezialisiert hat. Sie vertreibt ein Sicherheits-Abo, das auch eine Hausratversicherung beinhaltet, eine „Anti-Einbruchs-Garantie“ und einen Anwesenheitssimulator.

Aufbruchstimmung bei Alten und Jungen

Bei Gesprächen mit Teilnehmern fiel der Wandel der Nerds, Freaks und IT-Cracks von Konkurrenten hin zu Partnern etablierter Versicherer auf. Die Innovationsschmieden punkteten mit modern(st)en technologischen Angeboten. Auf der anderen Seite grübelten die Vertreter von klassischen Versicherungen über die Frage, wie sie all diese Lösungen in ihre veraltete, fragmentierte IT-Systemlandschaft, der es bereits an offenen Schnittstellen mangelt, integrieren können. Eine mit diesem technologischen Wandel einhergehende Herausforderung ist der kulturelle Umbau, das Umdenken im Kopf bei Mitarbeitern etablierter Versicherer.

"Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen“, motivierte einst Altbundespräsident Roman Herzog in seiner bekannten „Ruck-Rede“, deren Titel „Aufbruch ins 21. Jahrhundert“ lautete. Vor dem Hintergrund all der Veränderung in der Branche bekommen seine Worte eine ganz neue Bedeutung. Auf der Konferenz in Frankfurt fielen seine Sätze jedenfalls auf fruchtbaren Boden. Die Aufbruchstimmung – in der Old-, als auch New-Economy – war deutlich zu spüren.

Autor(en): Umar Choudhry

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