Die Berichtspflichten unter Solvency II sowie die Kleinanlegerstrategie sollen einfacher und verständlicher werden, damit mehr Menschen verstehen, um was es dort geht. Diese beiden Initiativen stehen beispielhaft für die gestiegenen Kundenerwartungen nach mehr Inklusion, Teilhabe und finanzielle Bildung. Vermittlerinnen und Vermittler nehmen eine entscheidende Rolle ein, wenn es um einen barrierearmen Zugang zu Finanzberatung geht.
Beispiel Solvency II-Richtlinie: Die Richtlinie umfasst auch Berichtspflichten, denen die Versicherer nachkommen müssen. So müssen sie im jährlichen “Bericht über die Solvabilität und Finanzlage” über ihre wirtschaftliche Situation Auskunft geben. Nach Ablauf jedes Geschäftsjahres müssen Versicherer ihn auf ihrer Website veröffentlichen. Diese sogenannten SFCR-Berichte (Solvency and Financial Condition Report) sollen in Zukunft verständlicher und lesbarer werden. Bereits im Dezember 2023 hat sich die EU für eine Aufteilung der Berichte ausgesprochen. Demnach wird es einen Bericht für Kundinnen und Kunden und einen Bericht für die Fachöffentlichkeit geben.
Solvency II: Adressatenorientierte Regulierung
Der GDV begrüßt diese Regelung. „Vertrauen ist für Versicherer unerlässlich“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Deshalb sei es gut, wenn Verbraucher sich künftig übersichtlich und ohne spezifische Fachsprache über einen Versicherer informieren könnten. „Die Anforderungen der Berichte schreiben eine zu große Fülle von Informationen vor”, so Asmussen. Sie müssten so gestaltet sein, dass sie sowohl für Experten als auch Verbraucher einen Mehrwert bieten.
Eine Untersuchung des GDV unter 107 Versicherern in Deutschland ergab nämlich, dass die SFCR-Berichte im Schnitt nur neunmal pro Monat aufgerufen werden (vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der SFCR 2022 im April 2023 bis zum 29.02.2024). Das entspricht nur einem Aufruf pro 23.000 Haushalten (auf Basis von circa 41 Millionen Haushalten in Deutschland beziehungsweise circa 473 Millionen Erstversicherungsverträgen). Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Informationen von Kundinnen und Kunden kaum beziehungsweise nicht genutzt werden, wie der GDV selbstkritisch eingesteht. Die geringen Aufrufe der SFCR-Berichte zeigten deutlich, dass sie “am Bedarf vorbeigehen“, gibt Asmussen unumwunden zu.
EU-Kleinanlegerstrategie: Klare und relevante Informationen
Genau das soll auch bei der Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy) verhindert werden. Die EU möchte mehr Menschen motivieren, am Kapitalmarkt aktiv zu werden, auch um besser für das Alter vorzusorgen. Konkret geht es bei der Kleinanlegerstrategie darum, wie Privatanlegern der Zugang erleichtert werden kann. Eine wichtige Diskussion ist dabei auch, Verbraucherinformationen zu verschlanken und zu vereinfachen. Nach Ansicht des GDV wird bei der Verschlankung der Informationspflichten das vorhandene Potential “bei weitem nicht ausgeschöpft”. Hier gäbe es noch viel Luft nach oben, damit Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mit Information überflutet würden.
Klare und relevante Informationen seien notwendig, um Investitionsentscheidungen zu erleichtern, so der GDV. Denn OECD-Studien zeigten, dass Kleinanlegern oft das Wissen über Rentenprodukte fehle, insbesondere die langfristigen Vorteile von Kapitalmarktanlagen würden massiv unterschätzt.
Weitere Studien der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) bestätigen laut GDV die Zurückhaltung europäischer Verbraucher, ihre Ersparnisse den Kapitalmärkten anzuvertrauen. Marco Traversa, Teamleiter Conduct Oversight bei EIOPA, erwähnte auf einer GDV-Veranstaltung die Bedeutung eines einfachen digitalen Zugangs und verständlicher Darstellungen, um Finanzinformationen breit zugänglich zu machen, berichtet der Versichererverband.
Wie die Rolle der Vermittlerinnen und Vermittler aussieht
In einer Studie im Auftrag des GDV untersuchte das Beratungsunternehmen Oxera, welchen Einfluss verschiedene Vergütungsmodelle der Vermittler auf das Verhalten von Anlegern, Vermittlern und Anbietern haben. Vermittler spielen den Studienergebnissen zufolge eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Menschen bei finanziellen Entscheidungen zu unterstützen. Sie analysierten die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden und erklärten ihnen die Chancen und Risiken von Geldanlagen. Auf diese Weise motivierten sie die Kunden, sich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen und fundierte, rationale Entscheidungen zu treffen.
Weitere Studien, so der GDV, zeigten, dass sich viele Menschen Unterstützung wünschten und Hilfe bei finanziellen Entscheidungen benötigten. Ein einfacher Zugang zu professioneller Finanzberatung sei daher essenziell. In der Gesamtschau zeigt die Oxera-Studie, dass der Fokus auf Provisionen und auf Verbote vor dem Hintergrund der eigentlichen Ziele der Kleinanlegerstrategie zu eng ist und mehr schadet als nützt.
Unser Lesetipp für Sie
Ein ausführlicher Artikel zum Thema einfache und verständliche Kundenansprache erscheint in der August-Ausgabe von "Versicherungsmagazin".
Autor(en): Umar Choudhry