Die Bafin hat in ihrem Journal Auswirkungen des IDD-Umsetzungsgesetzes für die Versicherungsbranche skizziert. Sie ermuntert dabei die Versicherer, es werde alles nicht so schlimm. Das könnte aber Zweckoptimismus sein.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sieht die Versicherungsunternehmen gut auf den Produktgenehmigungsprozess vorbereitet, der mit der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) zum 23. Februar 2018 im Versicherungsaufsichtsgesetz verankert wird.
Verstehen alle Vertreiber bereits die Produkte?
In ihrem Bafin-Journal März 2017 führt sie aus, "die deutschen Versicherer können zumindest teilweise auf bereits vorhandene interne Abläufe aufbauen, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen an das Produktfreigabeverfahren umsetzen". Es gebe heute bereits "strukturierte Produktentwicklungsprozesse", die lediglich für die Aufsicht dokumentiert und damit sichtbar gemacht werden müssten. "Dies ist sicherlich noch nicht die ganze Arbeit, aber ein Stück des Weges ist bereits geschafft."
Bemerkenswert ist diese Einschätzung deshalb, weil es eigentlich bisher keine gesetzlichen oder aufsichtsamtlichen Vorgaben gibt, Zielmärkte zu definieren, die einschlägigen Risiken der Kunden genau zu untersuchen und darzustellen, wie diese gedeckt und die Produkte anschließend vertrieben werden sollen. Die Vertreiber müssen die Produkte verstanden haben.
Ob allein die letztgenannte Anforderung bei jeder Art der heute zunehmend angebotenen, komplexen fonds- und indexgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen mit unterschiedlichsten Garantiekonzepten bis in die letzte Versicherungsagentur und den kleinsten Pool-Makler-Betrieb des Landes sichergestellt wird, darf man doch stark bezweifeln. Selbst die Fachleute der Assekurata schreiben hinsichtlich der Vergleichbarkeit moderner Vertragskonstrukte beispielsweise: "Vielmehr weisen Indexpolicen ganz eigene, im Detail aber auch sehr unterschiedliche Eigenschaften auf, für die sich ein unmittelbarer Produktvergleich anhand nur eines bestimmten Kriteriums verbietet. Letztlich unterscheiden sich auch Garantie- und Kapitalwerte von Indexpolicen mitunter deutlich".
Die Bafin weist allerdings darauf hin, dass die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung des Produktgenehmigungsverfahrens „derzeit noch unklar“ seien, weil hierzu die Europäische Kommission noch delegierte Rechtsakte erlassen wird. "Einigermaßen verlässliche Vorhersagen über den Regelungsgehalt sind derzeit leider nicht möglich." Allein die Eiopa habe zur Vorbereitung 837 Seiten Texte an die Kommission übermittelt. Insofern erscheint der Optimismus, dass die Versicherer jetzt schon gut vorbereitet seien, etwas verfrüht.
Nur Kundencenter-Mitarbeiter betroffen, und das auch nur eventuell?
Weiter kündigt die Bafin an, dass sie die künftigen Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Aus- und laufende Weiterbildung der Mitarbeiter von Versicherungsunternehmen nicht einer "Vorabkontrolle" unterwerfen wird. Stattdessen dürfen sich die Versicherer analog den bisherigen Vorgaben für gebundene erlaubnisfreie Vertreter auf eine Missbrauchsaufsicht einstellen, die anlassbezogene Prüfungen vorsieht. Sie betont aber, dass sie im Einzelfall "die Zusammenarbeit mit bestimmten Vermittlern im Einzelfall auch untersagen" kann. Ob das auch für Angestellte gilt, wird nicht ganz deutlich.
Offenbar hat die Behörde bisher keine klaren Erkenntnisse, wer beim Versicherer in die Aufsichtsanforderungen einzubeziehen ist. "Wer genau als Mitarbeiter im Vertrieb gilt, ist für die Aufsichtspraxis der Bafin noch nicht abschließend beantwortet." Es wird nur als"„denkbar" bezeichnet, "dass die neuen Vorschriften auch für Angestellte in einem Kundencenter gelten, wenn sie etwa auf eine telefonische Anfrage hin den Versicherungsschutz eines Kunden erweitern".
Diese Aussage könnte durchaus missverstanden werden. Denn die Richtlinie enthält eine "sehr weit gefasste Definition zum Versicherungsvertrieb", wie die Bafin selbst ausführt. Sie umfasst namentlich unter anderem "die Beratung, das Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall".
Auch stellt Artikel 10 derselben Richtlinie klar, "dass die maßgeblichen Personen innerhalb der Leitungsstruktur (…), die für den Vertrieb von Versicherungs- und Rückversicherungsprodukten verantwortlich sind, sowie alle anderen, direkt an dem Versicherungs- oder Rückversicherungsvertrieb mitwirkenden Personen" über die nötige Ausbildung verfügen. Das dürfte in Summe weitaus mehr Personen als nur "Angestellte in einem Kundencenter" umfassen.
Neben Ordnungsstrafen auch Wettbewerbsklagen zu erwarten
Die Bafin weist besonders darauf hin, dass das neu im VAG zu verankernde Provisionsabgabeverbot eine "Marktverhaltensregel" darstellt. So führe es die Begründung zum Gesetzentwurf aus.
Die Versicherungsaufsicht erwartet als konkrete Konsequenz, dass sehr viel häufiger als in der Vergangenheit Wettbewerber auf Einhaltung des Provisionsabgabeverbots klagen könnten. Neben der aufsichtsrechtlichen Ahndung von Verstößen müssen Vermittler deshalb künftig auch mit wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen rechnen.
"Entsprechende zivilrechtliche Urteile sollten dann dafür sorgen, dass sich das Verbot schnell durchsetzt und entsprechend beachtet wird." Versicherer und Vermittler sollten sich deshalb damit auseinandersetzen, zumal das Verbot unmittelbar mit der Gesetzesverkündung und damit voraussichtlich "noch vor der parlamentarischen Sommerpause 2017" und ohne Übergangsfrist in Kraft treten wird.
Dumping per Durchleitung statt per Provisionsabgabe
Bezüglich der geplanten Förderung der Honorarberatung weist die Bafin darauf hin, dass sie die Aufgabe erhält, die Einhaltung des Durchleitungsgebots von in der Prämie enthaltenen Vermittlungskosten an die von einem Versicherungsberater beratenen Kunden zu überwachen. Dabei mutmaßt die Aufsicht, "es besteht sogar die Möglichkeit, dass die Gutschrift für den Versicherungsnehmer höher ist als die Kosten für den Berater". Damit könne der Kunde "also durch die Inanspruchnahme eines Beraters sogar einen Kostenvorteil haben".
Damit bestätigt die Aufsicht den Verdacht, dass die Neuregelung zu einem Beratungs-Dumping führen kann. Insbesondere könnten Versicherungsberater Kunden ansprechen, die bereits durch traditionelle Vermittler vorberaten wurden, und nun eine rabattierte Abschlussmöglichkeit suchen. Dieses Geschäftsmodell gibt es bereits reihenweise im Internet und basiert derzeit meist auf der Provisionsabgabe. Die Provisionsabgabe wird also künftig durch die Durchleitung von Vermittlungskosten ersetzt werden können. Der tiefere Sinn dieser "Förderung der Honorarberatung" bleibt weiter im Dunkeln.
Bild: © Daniel Kalker/dpa
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sieht die Versicherungsunternehmen gut auf den Produktgenehmigungsprozess vorbereitet, der mit der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) zum 23. Februar 2018 im Versicherungsaufsichtsgesetz verankert wird.
Verstehen alle Vertreiber bereits die Produkte?
In ihrem Bafin-Journal März 2017 führt sie aus, "die deutschen Versicherer können zumindest teilweise auf bereits vorhandene interne Abläufe aufbauen, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen an das Produktfreigabeverfahren umsetzen". Es gebe heute bereits "strukturierte Produktentwicklungsprozesse", die lediglich für die Aufsicht dokumentiert und damit sichtbar gemacht werden müssten. "Dies ist sicherlich noch nicht die ganze Arbeit, aber ein Stück des Weges ist bereits geschafft."
Bemerkenswert ist diese Einschätzung deshalb, weil es eigentlich bisher keine gesetzlichen oder aufsichtsamtlichen Vorgaben gibt, Zielmärkte zu definieren, die einschlägigen Risiken der Kunden genau zu untersuchen und darzustellen, wie diese gedeckt und die Produkte anschließend vertrieben werden sollen. Die Vertreiber müssen die Produkte verstanden haben.
Ob allein die letztgenannte Anforderung bei jeder Art der heute zunehmend angebotenen, komplexen fonds- und indexgebundenen Lebens- und Rentenversicherungen mit unterschiedlichsten Garantiekonzepten bis in die letzte Versicherungsagentur und den kleinsten Pool-Makler-Betrieb des Landes sichergestellt wird, darf man doch stark bezweifeln. Selbst die Fachleute der Assekurata schreiben hinsichtlich der Vergleichbarkeit moderner Vertragskonstrukte beispielsweise: "Vielmehr weisen Indexpolicen ganz eigene, im Detail aber auch sehr unterschiedliche Eigenschaften auf, für die sich ein unmittelbarer Produktvergleich anhand nur eines bestimmten Kriteriums verbietet. Letztlich unterscheiden sich auch Garantie- und Kapitalwerte von Indexpolicen mitunter deutlich".
Die Bafin weist allerdings darauf hin, dass die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung des Produktgenehmigungsverfahrens „derzeit noch unklar“ seien, weil hierzu die Europäische Kommission noch delegierte Rechtsakte erlassen wird. "Einigermaßen verlässliche Vorhersagen über den Regelungsgehalt sind derzeit leider nicht möglich." Allein die Eiopa habe zur Vorbereitung 837 Seiten Texte an die Kommission übermittelt. Insofern erscheint der Optimismus, dass die Versicherer jetzt schon gut vorbereitet seien, etwas verfrüht.
Nur Kundencenter-Mitarbeiter betroffen, und das auch nur eventuell?
Weiter kündigt die Bafin an, dass sie die künftigen Anforderungen an die Zuverlässigkeit, Aus- und laufende Weiterbildung der Mitarbeiter von Versicherungsunternehmen nicht einer "Vorabkontrolle" unterwerfen wird. Stattdessen dürfen sich die Versicherer analog den bisherigen Vorgaben für gebundene erlaubnisfreie Vertreter auf eine Missbrauchsaufsicht einstellen, die anlassbezogene Prüfungen vorsieht. Sie betont aber, dass sie im Einzelfall "die Zusammenarbeit mit bestimmten Vermittlern im Einzelfall auch untersagen" kann. Ob das auch für Angestellte gilt, wird nicht ganz deutlich.
Offenbar hat die Behörde bisher keine klaren Erkenntnisse, wer beim Versicherer in die Aufsichtsanforderungen einzubeziehen ist. "Wer genau als Mitarbeiter im Vertrieb gilt, ist für die Aufsichtspraxis der Bafin noch nicht abschließend beantwortet." Es wird nur als"„denkbar" bezeichnet, "dass die neuen Vorschriften auch für Angestellte in einem Kundencenter gelten, wenn sie etwa auf eine telefonische Anfrage hin den Versicherungsschutz eines Kunden erweitern".
Diese Aussage könnte durchaus missverstanden werden. Denn die Richtlinie enthält eine "sehr weit gefasste Definition zum Versicherungsvertrieb", wie die Bafin selbst ausführt. Sie umfasst namentlich unter anderem "die Beratung, das Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall".
Auch stellt Artikel 10 derselben Richtlinie klar, "dass die maßgeblichen Personen innerhalb der Leitungsstruktur (…), die für den Vertrieb von Versicherungs- und Rückversicherungsprodukten verantwortlich sind, sowie alle anderen, direkt an dem Versicherungs- oder Rückversicherungsvertrieb mitwirkenden Personen" über die nötige Ausbildung verfügen. Das dürfte in Summe weitaus mehr Personen als nur "Angestellte in einem Kundencenter" umfassen.
Neben Ordnungsstrafen auch Wettbewerbsklagen zu erwarten
Die Bafin weist besonders darauf hin, dass das neu im VAG zu verankernde Provisionsabgabeverbot eine "Marktverhaltensregel" darstellt. So führe es die Begründung zum Gesetzentwurf aus.
Die Versicherungsaufsicht erwartet als konkrete Konsequenz, dass sehr viel häufiger als in der Vergangenheit Wettbewerber auf Einhaltung des Provisionsabgabeverbots klagen könnten. Neben der aufsichtsrechtlichen Ahndung von Verstößen müssen Vermittler deshalb künftig auch mit wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen rechnen.
"Entsprechende zivilrechtliche Urteile sollten dann dafür sorgen, dass sich das Verbot schnell durchsetzt und entsprechend beachtet wird." Versicherer und Vermittler sollten sich deshalb damit auseinandersetzen, zumal das Verbot unmittelbar mit der Gesetzesverkündung und damit voraussichtlich "noch vor der parlamentarischen Sommerpause 2017" und ohne Übergangsfrist in Kraft treten wird.
Dumping per Durchleitung statt per Provisionsabgabe
Bezüglich der geplanten Förderung der Honorarberatung weist die Bafin darauf hin, dass sie die Aufgabe erhält, die Einhaltung des Durchleitungsgebots von in der Prämie enthaltenen Vermittlungskosten an die von einem Versicherungsberater beratenen Kunden zu überwachen. Dabei mutmaßt die Aufsicht, "es besteht sogar die Möglichkeit, dass die Gutschrift für den Versicherungsnehmer höher ist als die Kosten für den Berater". Damit könne der Kunde "also durch die Inanspruchnahme eines Beraters sogar einen Kostenvorteil haben".
Damit bestätigt die Aufsicht den Verdacht, dass die Neuregelung zu einem Beratungs-Dumping führen kann. Insbesondere könnten Versicherungsberater Kunden ansprechen, die bereits durch traditionelle Vermittler vorberaten wurden, und nun eine rabattierte Abschlussmöglichkeit suchen. Dieses Geschäftsmodell gibt es bereits reihenweise im Internet und basiert derzeit meist auf der Provisionsabgabe. Die Provisionsabgabe wird also künftig durch die Durchleitung von Vermittlungskosten ersetzt werden können. Der tiefere Sinn dieser "Förderung der Honorarberatung" bleibt weiter im Dunkeln.
Bild: © Daniel Kalker/dpa
Autor(en): Matthias Beenken