Eine Studie der Universität Regensburg will beweisen, dass ein Provisionsverbot den Wohlstand der Bevölkerung erhöht. Dabei wird – wie so oft in der ideologisierten Debatte – ein wesentlicher Fakt vergessen.
„Provisionsverbot führt zu signifikanten Vermögensteigerungen“, betitelt die Universität Regensburg eine Pressemitteilung zur Studie „Die Auswirkungen von Provisionsverboten auf das Vermögen der Haushalte: Erkenntnisse aus OECD-Ländern“ der beiden Regensburger Wissenschaftler Steffen Sebastian und Albert Grafe sowie Lukas Noth von der privaten Handelshochschule Leipzig. Sebastian ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung und Direktor am Center for Finance.
Bisher wenige Länder weltweit mit Provisionsverbot
Ziel der Studie ist anhand von Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aufzuzeigen, dass sich das Vermögen von Haushalten in Ländern mit Provisionsverbot besser entwickelt als in Ländern ohne Provisionsverbot. Als Länder mit Provisionsverbot werden Australien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Niederlande, Neuseeland und Norwegen genannt, außerdem faktisch auch in Schweden.
Die Provisionsverbote wurden dort allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten und aus unterschiedlichen Gründen eingeführt. Insbesondere in Skandinavien hatte die Einführung gerade nichts mit dem Wunsch nach mehr Wettbewerb zu tun, der in dem wissenschaftlichen Paper als hehrer Grund genannt wird, sondern mit dem glatten Gegenteil: Versicherungsunternehmen versuchten durch zum Teil kartellartige Absprachen, Makler aus den recht kleinen Versicherungsmärkten zu verdrängen.
Der EU-Kommission und den beiden demokratisch legitimierten Institutionen Parlament und Rat gefiel dies so wenig, dass ein bei der Vorbereitung einer zweiten EU-Vermittlerrichtlinie, der heutigen EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, noch vorgeschlagenes Provisionsverbot wieder fallen gelassen wurde. Und selbst in der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie MiFID II wurde kein allgemeines Provisionsverbot vorgesehen.
Der Verbots-Deckel passt nicht auf jeden Landes-Topf
Auch wird in diesem Paper nicht differenziert, welche Vertriebsstrukturen in den betrachteten Märkten herrschen. Ein Provisionsverbot lässt sich leicht in Ländern umsetzen, in denen ohnehin fast nur Makler tätig sind wie zum Beispiel in Großbritannien und den Niederlanden. Wie aber will man Arbeitgebern die Bezahlung ihrer Außendienstangestellten verbieten und dies zusätzlich den Gewerkschaften verkaufen? Oder den Auftraggebern von Handelsvertretern die Bezahlung derselben untersagen?
Die Folge wären starke Wettbewerbsverzerrungen in Märkten, in denen Anlagen und Versicherungsanlagen vorwiegend durch Angestellte und durch Handelsvertreter vertrieben werden. Verlierer sind dann ausgerechnet die Makler, die eigentlich den Kunden den besseren Marktüberblick verschaffen könnten.
Willkürliche Auswahl an Einflussfaktoren
Der Kern der Studie ist eine Regressionsanalyse mit Daten vorwiegend der OECD. Darin wird untersucht, ob die durchschnittliche Rendite auf investiertes Vermögen in verschiedensten Ländern der OECD weltweit auf die Tatsache zurückzuführen ist, ob es dort ein Provisionsverbot gibt oder nicht. Ergänzend berücksichtigt wird die Wirkung von nicht wirklich näher begründeten weiteren Variablen wie Sozialversicherungsanteil, Anteil an arbeitender Bevölkerung, Bildungsstand oder Frauenanteil. Das wirkt etwas willkürlich ausgewählt. Einflussfaktoren wie beispielsweise Steuer- und Sozialgesetzgebung, Opt out-Lösungen in der betrieblichen Altersvorsorge, staatliche Förderanreize, Assetallokation und Zugänglichkeit zu Assetklassen für Privatkunden, Einkommenssituation, kulturelle und soziologische Unterschiede könnten möglicherweise auch wichtige Erklärungsbeiträge liefern.
Eine erste Analyse führt zu der Aussage: „Abbildung 3 zeigt die durchschnittliche Vermögensentwicklung der Haushalte in Ländern mit Provisionsverboten im Vergleich zu Ländern ohne Provisionsverbote. Die Visualisierung unserer Daten vermittelt keinen klaren Trend. Haushalte mit Provisionsverbot weisen eine leicht erhöhte durchschnittliche jährliche Vermögensentwicklung von 5,4 Prozent auf, wohingegen Haushalte ohne Provisionsverbote eine jährliche Haushaltsvermögensentwicklung von 5,9 Prozent aufweisen.“
Aus einer höheren Vermögensentwicklung von 5,9 Prozent in Ländern ohne Provisionsverbot ziehen die Autoren den überraschenden Schluss: „Dies zeigt bereits, dass Länder mit einem Provisionsverbot möglicherweise besser dran sind.“ Entweder liegen hier Zahldreher oder eine eigenartige Interpretation der abgebildeten Tatsachen vor.
Wie hoch ist die Überrendite wegen Provisionsverbot?
Die Regressionsanalyse führt zu der Aussage, dass Haushalte in Ländern mit Provisionsverbot eine um 1,7 Prozent raschere Vermögensentwicklung aufweisen als in solchen ohne Provisionsverbot. Rechnet man die oben erwähnten Kontrollvariablen heraus, schrumpft die auf das Bestehen eines Provisionsverbotes zurückgeführte Wirkung auf 1,2 Prozent.
Speziell für Europa errechnen die Autoren auf gleicher Basis eine um 2,1 Prozent bessere Vermögensentwicklung, bereinigt um ihre Kontrollvariablen sind es noch 1,7 Prozent. Das hört sich wenig an, führt aber nach einfacher Zinseszinsrechnung in etwa zu einer Verdoppelung des Vermögens in 40 Jahren.
Was kostet der Rat?
Abgesehen von der begrenzten Aussagefähigkeit der sehr wenigen Länder mit Provisionsverbot fehlt ein entscheidender Faktor in der Analyse: Die Kosten der Beratung. Wie so oft in Beiträgen, in denen die Vorteilhaftigkeit der Honorarberatung bewiesen werden soll, wird ein Vergleich „Brutto“ mit „Netto“ oder „Äpfel“ mit „Birnen“ durchgeführt. Dabei sind die laufenden, aber externalisierten Kosten der Beratung und Betreuung des Anlagevermögens auch in Provisionsverbotsländern nicht zu unterschätzen. Aufschluss darüber hat beispielsweise die britische Finanzaufsicht in ihrem Financial Advice Market Review Baseline Report gegeben.
Danach kostet ein unabhängiger Rat durchschnittlich 2,8 Prozent des Investmentvolumens einmalig plus 0,7 Prozent laufend jährlich. In 48 Prozent der Fälle wird eine solche, prozentuale Abschlussgebühr und in 57 Prozent der Fälle eine laufende Betreuungsgebühr berechnet. Die übrigen Fälle verteilen sich auf die drei Varianten Stundengebühr, Festgebühr oder Kombinationslösungen. Die Gebühren fallen zudem bei kleineren Anlagevermögen überproportional höher aus, ein klarer Hinweis darauf, dass die systemimmanente, soziale Komponente der Provision im freien Wettbewerb der separat vereinbarten Vergütungen verloren geht.
Im Ergebnis zeigen die Untersuchungen der Regensburger Forscher daher keine überzeugend bessere Wertentwicklung, wenn man die Kosten von Beratung und Betreuung mit der aufgezeigten Überrendite saldiert. So einfach lässt sich nun doch nicht eine schöne, heile Welt der Honorarberatung herbeiargumentieren.
Autor(en): Matthias Beenken