Politik muss sich der Verantwortung stellen

In Berlin macht sich die Vorwahl-Blockadepolitik breit. Gleichzeitig sind Lebensversicherer in der Pflicht, rechtzeitig auf Marktentwicklungen zu reagieren und fangen an, sich aus der klassischen Vorsorge auf Raten zu verabschieden. Das Ergebnis kann die Wahl-Bürger nicht ruhig lassen.

"Lebensversicherung unattraktiv" titelte die Zeitschrift Capital kürzlich. Demnach kündigte der Ergo-Konzern an, Mitte des Jahres eine neue Rentenversicherung einzuführen, bei der nur noch in der Aufschubzeit eine Garantie gewährt wird. Diese soll analog der Riester-Rente auf einen vollständigen Beitragserhalt hinauslaufen. Das kann je nach Tarif und vor allem Laufzeit sogar attraktiver sein als heute 1,75 Prozent nur auf den Sparanteil innerhalb des Beitrags zu garantieren.

Risikoverlagerung auf den Kunden
Zum Rentenbeginn werden die Karten neu gemischt und eine Garantie nach den dann gegebenen Möglichkeiten gewährt. Für den Kunden erhöht sich das Risiko, was mit einer großzügigeren Rückkaufsmöglichkeit erkauft werden soll. Hintergrund dieser neuen Tarifgeneration, die offenbar auch mit Nachdruck in den Markt gebracht und gegen die parallel erst einmal weiter angebotenen klassischen Tarife positioniert werden soll, ist die schwierige Ertragslage. Verantwortlich dafür sind unter anderem die andauernden Niedrigzinsen. Die neuen Eigenkapitalvorschriften nach Solvency II bestrafen langfristige Leistungsversprechen zusätzlich.

Und die deutsche Politik packt noch eine weitere Absurdität obenauf: Anstatt die Vorschriften zur Rückkaufswertberechnung maßvoll anzupassen, können sich Regierung und Opposition in gegenseitiger Blockade nicht mehr einigen. Dabei ist unmittelbar einsichtig, dass ein Versicherer einen Euro nur einmal und nicht mehrmals ausgeben kann. Denn die Bewertungsreserven, an denen die Kunden hälftig beteiligt werden müssen, stammen in erheblichem Ausmaß aus Anleihen und werden niemals realisiert, sondern reduzieren sich zum Ablauftermin automatisch auf null. Das enorme Ansteigen ist auch wiederum der Niedrigzinspolitik geschuldet. Im Ergebnis werden damit keine Mehrwerte der Kapitalanlagen, sondern die Kapitalanlagen selber an die kurzfristig ausscheidenden Versicherten verteilt – den übrigen Kunden fehlen sie damit.

Der Wahlkampf ist anscheinend wichtiger, als sachliche Lösungen zu suchen, mit denen das gesellschaftliche Ziel einer angemessenen Altersvorsorge sichergestellt wird. Stattdessen genügt ein aufgeregter Hinweis auf vermeintliche Benachteiligung derjenigen, die aktuell einen Rückkauf vornehmen, um den vielen Versicherten, die darauf erst in Zukunft hoffen können, jetzt schon Kapital zu entziehen.

Alleinstellungsmerkmal gefährdet
Ergo ist nicht die einzige Gesellschaft, die mit einem Teilausstieg aus dem klassischen, mit lebenslänglichen Garantien versehenen Vorsorgegeschäft reagiert. Schon vor längerer Zeit wurden die ersten Überlegungen zu Garantien auf Zeit laut, beispielsweise durch den früheren Provinzial-Vorstand Hanus bei der Versicherungsmagazin-Fachkonferenz Altersvorsorge 2011. Neben Ergo haben auch die Allianz und der Volkswohl Bund neue Produktkonzepte angekündigt. Damit ist auch klar, dass es nicht nur hausgemachte Probleme oder der Druck der Aktionäre ist, der Versicherer zu diesem Schritt nötigt. Im Gegenteil, die lebenslängliche Garantie als Alleinstellungsmerkmal zumindest in Teilen aufzugeben ist im Wettbewerb mit den Banken gefährlich.

Es wird Zeit, dass Berlin zur Sacharbeit zurückkehrt und die existenzsichernde Vorsorge nicht im Wahlkampf aus den Augen verliert. Die Kunden wollen berechtigterweise Transparenz und Verlässlichkeit bei den Produkten, hier wurde viel getan in den letzten Jahren. Die Versicherer brauchen aber ebenfalls verlässliche Rahmenbedingungen, um den Altersvorsorgeauftrag zu erfüllen.

Autor(en): Matthias Beenken

Zum Themenspecial "Niedrigzinsen"

 

Alle Branche News