Piraterie-Gefahr auf See ist versicherbar

Piraten kapern ein Schiff und nehmen die Besatzung als Geisel. Dieses Szenario erlangt derzeit vor der Küste des afrikanischen Staates Somalia traurige Aktualität. Analog zur steigenden Zahl der Piratenangriffe wächst derzeit das Angebot der Versicherer mit neuartigen Policen zur Deckung des finanziellen Risikos für solche Entführungsfälle auf hoher See.

Der Bedarf ist da. Im Jahr 2007 sollen Piraten auf den Weltmeeren rund 13 Milliarden Euro Schaden angerichtet haben. Wenig bekannt ist, dass die Piraterie-Gefahr grundsätzlich versicherbar ist; sie fällt in den Bereich der Transportversicherung. "Besorgniserregend sind Häufigkeit und Schwere der Fälle - vor allem vor der Küste Somalias, eines der gefährlichsten Gewässer der Welt", heißt es bei der . Wurden vor einigen Jahren noch Schiffe überfallen, um die Bordkasse oder die geladene Ware zu rauben, gilt heutzutage Kidnapping als der neue Trend.

Lösegeld statt Ladung
"Das ist methodisch viel einfacher, weil man keine Waren auf See umladen muss. Außerdem ist es lukrativer", sagte Dieter Berg, Leiter der Abteilung Transportversicherung der Münchener Rück, gegenüber Journalisten. Seinen Ausführungen zufolge haben sich die Lösegeldforderungen in den vergangenen Jahren verzehnfacht. Mit Sorge blicke man beim Rückversicherer aus München auf die aktuellen Ereignisse. Auch wenn Piraterie derzeit nur einen sehr kleinen Teil des Transportversicherungsgeschäfts ausmache, seien die potenziellen Gefahren doch sehr deutlich.

Dieter Berg konkretisiert das an einem Beispiel: Wird ein Schiff überfallen, schließen die Piraten neuerdings die Besatzung oft kurzerhand im Ladungsraum ein und überlassen sie ihrem Schicksal. Kollidiert solch ein führerloses Schiff zum Beispiel mit einem Tanker, können Schäden von ungeheurem Ausmaß entstehen.
Bei Schäden durch Piraterie sind in erster Linie die Schiffskasko-, die Warentransport- sowie die Protection-and-Indemnity-Versicherung (P&I) betroffen.

Deckungskonzepte können stark variieren
Unter Umständen könne auch die Frachtausfall-/Verdienstausfall-Versicherung (Loss of Hire) für Schäden eintreten, weiß der Fachmann. Zudem werden heute den Schiffseignern spezielle Lösegeldversicherungen (Kidnap & Ransom) angeboten. "Die Deckungskonzepte verschiedener Versicherungsmärkte stimmen zwar im Grundsatz größtenteils überein, variieren aber je nach Land und Policenart stark in der Definition der versicherten Gefahren und in der Ausgestaltung der Bedingungswerke", sagt Dieter Berg. Die Gefahr der Piraterie werde heute oftmals wieder unter speziellen Kriegs- und Streikklauseln gelistet, die auch das Terrorismusrisiko umfassen.

Im Zeitalter der Globalisierung ist der sichere Transport von Gütern über das Wasser im ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor sei. Laut Berg werden heutzutage 90 Prozent aller Waren weltweit mit dem Schiff befördert. Piraten überfallen jedoch nicht nur große Handelsschiffe, sondern haben es auch auf private Yachten abgesehen.

Schiffseigner verschweigen Überfälle
Piraterie trete häufig da auf, wo es keine funktionierende Staatsmacht gebe oder wo Korruption zum Alltag gehöre, heißt es. Mehr als tausend Piraten, so schätzt man, treiben derzeit ihr Unwesen an der Küste Somalias. 2005 waren es rund 300. Dieter Berg erklärt dazu, dass Piraterie statistisch schwer zu erfassen sei. Die potenziellen Versicherungsnehmer, die Schiffseigner, "mauern". Aus Angst vor langen Liegezeiten und steigenden Versicherungsprämien melden die Reedereien nur einen Bruchteil der Überfälle.

Verlässliche Zahlen über den wirtschaftlichen Schaden liegen deshalb nicht vor. Das Internationale Maritime Bureau (IMB), eine auf Kriminalität auf See spezialisierte Abteilung der Internationalen Handelskammer, schätzt den allein im Jahr 2007 entstandenen Schaden auf etwa 13 Milliarden Euro.

Foto: s:kimo/

Autor(en): Ellen Bocquel

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