Bei der Absicherung der Arbeitskraft sollte für Vermittler weiterhin die alte Devise gelten: Königsweg ist die Berufsunfähigkeitsversicherung! Erst wenn dieser Schutz aufgrund von Vorerkrankungen oder ausgeübtem Beruf – hier reicht schon eine handwerkliche Tätigkeit – nicht abschließbar oder bezahlbar ist, sollten den Kunden Alternativen angeboten werden. Die Branche wirbt dabei intensiv mit Grundfähigkeitspolicen. Denn die Versicherer haben bei dieser Absicherung ein deutlich geringeres Risiko. Darauf macht Michael Franke, Geschäftsführer des Analysehauses Franke und Bornberg, anlässlich eines aktuellen Ratings zur Grundfähigkeitsversicherung aufmerksam.
Hohe Unsicherheit im Schadenfall
Der große Unterschied zwischen Berufsunfähigkeits- (BU) und Grundfähigkeitsversicherung (GF): Bei der klassischen Absicherung geht es darum, dass der Betroffene aufgrund von Krankheit, Unfall oder allgemeinem Kräfteverfall eine Fähigkeit im Laufe eines Arbeitstages zu 50 Prozent nicht mehr ausüben kann. Demgegenüber leistet die GF-Versicherung nur, wenn die Fähigkeit ganz fehlt. Dies zeigt auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (17.07.2019 – 20 U 91/18). Im Verfahren gelingt es dem Versicherten nicht zu beweisen, dass die versicherten Fähigkeiten verloren gegangen sind. So erläutert das Gericht, dass die Beeinträchtigung ständig gegeben sein müssen und nicht nur zu bestimmten Tageszeiten. Zum Verhängnis wurde dem Versicherten zudem, dass er bei der Verhandlung ruhig gesessen hatte, dabei hätte er eigentlich ständig vor Schmerzen schreien sollen. Die Streitigkeiten um Leistungen aus der GF dürften daher künftig deutlich zunehmen. Ein Grund sind die sehr unterschiedlichen Beschreibungen der Leistungsauslöser bei den verschiedenen Versicherern.
Top-Tarife erfüllen 15 Grundfähigkeiten
Daher warnt Rater Franke davor, dass neue Leistungsauslöser, wie Aussteigen aus einem Fahrzeug, überbewertet werden. Mit solchen berufsspezifischen Leistungen rücke die GF-Versicherung nur scheinbar an die BU-Versicherung heran. Daher lassen die Rater Grundfähigkeiten ohne Mehrwert unter den Tisch fallen. Damit würden die Leistungen der unterschiedlichen Tarife vergleichbar. Seit 2019 basiert das Grundfähigkeits-Rating von Franke und Bornberg auf einem einheitlichen Katalog von 15 „relevanten“ Grundfähigkeiten. Alle Leistungsauslöser müssten sich daran messen lassen – unabhängig davon, wie ein Versicherer die jeweilige Fähigkeit bezeichnet.
Das neue GF-Rating von Franke und Bornberg untersucht 97 Tarife von 26 Gesellschaften nach bis zu 74 Kriterien (Stand September 2022). Seit Einführung des neuen GF-Kriterienkatalogs von Franke und Bornberg im Jahr 2019 ist der Kreis der Anbieter von damals 17 auf jetzt 26 Gesellschaften gewachsen. Weitere Versicherer stehen nach Einschätzung der Experten kurz vor der Markteinführung.
Beim Rating unterscheiden die Analysten zwischen „Grundfähigkeit“ und „Grundfähigkeit Plus“. Tarife der Plus-Variante bieten Zusatzbausteine mit weiteren Leistungsauslösern. Dazu zählt zum Beispiel Versicherungsschutz bei schweren Krankheiten. Die Höchstnote FFF+ erhalten nur Tarife, die alle 15 Grundfähigkeiten in der geforderten Qualität absichern.
Tipps zur Haftungsminimierung
Unter dem Höchstniveau sollten Versicherungsmakler keine GF-Policen vermitteln. Um die Haftung zu minimieren, sollte zudem der Unterschied zwischen BU-Versicherung und GF-Versicherung deutlich erläutert und ins Protokoll aufgenommen werden. Aufgrund der noch bestehenden rechtlichen Unsicherheit im Schadenfall, wäre zudem vor Antragsstellung eine Rechtsschutzversicherung angeraten. Auch diese Empfehlung sollten Vermittler im Protokoll festhalten.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek