Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Industrie- und Handelskammern arbeiten enger zusammen, wie das Beispiel Gruppenversicherung zeigt. Außerdem teilt die BaFin mit, was sie in Sachen Nachhaltigkeit vom Vertrieb erwartet.
Es gibt keine offizielle Institution, die die Aufsicht über den gesamten Versicherungsvertrieb koordiniert, ganz gleich, ob er über BaFin-überwachte Versicherungsunternehmen und deren gebundene Vertreterinnen und Vertreter oder über die von Industrie- und Handelskammern überwachten Vermittlerinnen und Vermittler mit Gewerbeerlaubnis oder Erlaubnisbefreiung erfolgt. Diese Lücke schließen die BaFin und die Kammerorganisation nun in einem weiteren Fall durch eine gemeinsame „Aufsichtsmitteilung“.
Gemeinsame Veröffentlichung zur Gruppenversicherung
Vorbild sind die „FAQ zur Weiterbildungsverpflichtung“ der im Vertrieb Tätigen, die in dritter Auflage im November 2021 veröffentlicht wurden. Aktuell wird eine vierte Auflage erarbeitet.
IHK-Organisation und BaFin befassen sich in ihrer neuen, gemeinsamen Veröffentlichung vom 3. Juli 2023 mit den „Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 29. September 2022 (C-633/20) zum Vermittlerstatus des Versicherungsnehmers beziehungsweise der Versicherungsnehmerin eines Gruppenversicherungsvertrages auf andere Gruppenversicherungskonstellationen“
Nach diesem Urteil können die Gruppenspitzen von Gruppenverträgen unter bestimmten Umständen als Versicherungsvermittler gelten und damit grundsätzlich der Erlaubnispflicht und den sonstigen Vermittlerpflichten unterliegen.
Dabei geht es um „echte“ Gruppenversicherungsverträge, die eine Personengruppe in einem einheitlichen Versicherungsvertrag versichert. Im Unterschied dazu gibt es auch Rahmenverträge, beispielsweise mit berufsständischen Institutionen, bei denen die einzelne Versicherte/der einzelne Versicherte auch selbst die Rolle des Versicherungsnehmers und nicht als versicherte Person einnimmt.
Was die Merkmale der Vermittlereigenschaft sind
Nach dem Urteil ist die Gruppenspitze dann als Versicherungsvermittler einzuordnen, wenn sie eine Vergütung für ihre Tätigkeit erhält beziehungsweise ein eigenes, wirtschaftliches Interesse verfolgt. Die Mitgliedschaft im Gruppenversicherungsvertrag muss freiwillig sein, und die Mitglieder müssen das Recht erhalten, von einem Versicherungsunternehmen Leistungen zu beanspruchen. Alle diese Kriterien müssen gleichzeitig erfüllt sein.
Nach diesen Regeln können auch bestehende Gruppenversicherungen als Vermittlungsgeschäfte einzuordnen sein. Die Folge: Diese Gruppenspitzen müssen als Versicherungsvermittler registriert werden, entweder durch ein Versicherungsunternehmen oder durch eine IHK.
IHK-Organisation und BaFin nennen eine Reihe Beispiele, anhand derer deutlich wird, wann ein Gruppenversicherungsvertrag wohl die Kriterien eines vermittelten Vertrags erfüllt. Allerdings wird stets betont, dass der Einzelfall geprüft werden müsse, wofür in der Regel eine IHK zuständig ist.
So werden beispielsweise Gruppenversicherungen eines Sportvereins in der Regel nicht als Vermittlungsleistung des Vereins eingestuft werden. Das gilt nicht einmal dann, wenn der Verein die Kosten der Versicherung an die Mitglieder weiterbelastet und Werbung für den Beitritt zu der Versicherung macht. Entscheidend ist, dass der Verein selbst nichts daran verdienen darf, wenn seine Vereinsmitglieder für die Gruppenversicherung gewonnen werden.
Beispiele für einen vermittelnden Versicherungsnehmer
Auch ein Arbeitgeber wird nicht zusätzlich zur Versicherungsnehmer-Eigenschaft zum Versicherungsvermittler, wenn er nicht mehr als „Aufwandserstattung in Höhe der ihm tatsächlich entstandenen Kosten“ erhält. Anders sieht das bei einem Brillenhändler aus, wenn der seinen Kunden den Beitritt zu einer Gruppenversicherung für Beschädigungen der Brille anbietet und einen Teil der dafür zu zahlenden Prämie als Vergütung bekommt, also eine Provision. Allerdings wird es sich hierbei in der Regel um den Ausnahmetatbestand nach § 34d Absatz 8 GewO handeln, nach dem bei bestimmten Annexvermittlungen keine Vermittlerregistrierung erforderlich ist. Das Beispiel hätte daher nur Auswirkung auf die Kunden, was deren Rechte gegenüber dem vermittelnden Brillenhändler angeht.
Ein Spediteur kann zum Versicherungsvermittler werden, wenn er seinen Kunden eine Absicherung ihrer Transporte über eine Generalpolice freiwillig gegen zusätzlichen Beitrag anbietet. Ausschlaggebend ist, ob der Spediteur für die Aufnahme seiner Kunden in die Generalpolice eine Vergütung erhält.
Vorstellung und Beratung sind erforderlich
Maximilian Teichler weist in einem Aufsatz in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift recht und schaden (12/2023, 529-537) darauf hin, dass die Informations- und Beratungspflichten des Vermittlers in solchen Fällen zum Tragen kommen. Das habe Folgen für das bisher praktizierte Geschäftsgebaren, wie er am Beispiel der Erstinformationspflicht deutlich macht. Denn üblicherweise würde sich eine Gruppenspitze nicht bei ihren Mitgliedern „vorstellen“.
Interessant sei das in Zusammenhang mit der Pflicht, dem Mitglied anzugeben, ob und welche Art Vergütung an die Gruppenspitze fließt. Zudem gelten dann die Frage- und Beratungspflichten analog zum „normalen“ Versicherungsvermittler.
BaFin will Greenwashing bekämpfen
Eine andere, neue Aufsichtsaktivität betrifft das Thema Nachhaltigkeit. Die BaFin hat sich eine „Sustainable-Finance-Strategie“ verordnet.. „Klimawandel und Umwelt, soziale Fragen und eine gute Unternehmensführung – diese Themen haben auch für die Akteure des Finanzsektors eine hohe Bedeutung“, so schreiben die Aufseher einleitend.
Daraus entstehen spezielle Risiken, die im Risikomanagement der Versicherungsunternehmen Berücksichtigung finden sollen. Und: „Marktteilnehmer müssen unterschiedliche Transparenz- und Vertriebspflichten erfüllen.“
BaFin setzt verdeckte Testkäufe ein
Ein Schwerpunkt der künftigen Aufsichtsarbeit der BaFin soll in der Bekämpfung von „Greenwashing“ liegen. Und da kommt der Vertrieb ins Spiel. Denn unter diesem Begriff versteht die BaFin „Praktiken im Vertrieb von Produkten bzw. bei Finanzdienstleistungen“. Kritisch ist demnach, wenn das „Nachhaltigkeitsprofil“ nicht „eindeutig und redlich“ offengelegt wird, und Anleger dadurch Irrtümern hinsichtlich der Nachhaltigkeit ihrer (Versicherungs-) Anlagen unterliegen.
Für den Vertrieb ist weiter wichtig, dass die BaFin im Zuge der Wohlverhaltensaufsicht „insbesondere auf die Umsetzung der Vertriebsvorgaben nach den Delegierten Verordnungen zur Insurance Distribution Directive (IDD) beziehungsweise zur MiFID II, der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie“ achten will. Damit sind neben den Vorgaben zum versichererinternen Produktfreigabeverfahren wohl auch diejenigen zur Befragung des Kunden nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen und deren Berücksichtigung in der Produktauswahl, Beratung und Beratungsdokumentation gemeint.
Was die BaFin hier konkret überprüfen will, geht aus dem Strategiepapier nicht hervor. Allerdings ist bekannt, dass sie schon seit einiger Zeit verdeckte Testkäufe als Methode einsetzt, um sich einen Eindruck von der gelungenen Umsetzung von Pflichten im Vertrieb zu überzeugen.
Autor(en): Matthias Beenken