Der Schadensfall gilt nicht umsonst als „Moment der Wahrheit“, in dem sich zeigt, ob die Erwartungshaltung der Kundinnen und Kunden durch den Versicherer erfüllt wird.
In einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung unter 2.000 Bundesbürgern zwischen 18 und 69 Jahren zum Thema Nachhaltigkeit und Versicherungen ging es unter anderem um Versicherungsbesitz und um Schadenerfahrungen.
Gut jeder Zweite mit Schadenerfahrung
Immerhin 51 Prozent der Teilnehmenden hatten in den vergangenen drei Jahren mindestens einen, 23 Prozent sogar mindestens zwei Schadensfälle erlebt, die mit Versicherungen abzuwickeln waren. Gefragt wurde im Weiteren jeweils nach dem letzten Schaden, der aufgetreten war. Am häufigsten hatte es mit knapp 400 Nennungen die Kfz-Versicherung getroffen, was auch 24 Prozent des Bestands an Kfz-Versicherungen in dieser Stichprobe ausmacht.
Dahinter folgten mit 128 Schadensfällen die Privathaftpflichtversicherung und mit jeweils 103 Nennungen die Hausrat- und die Wohngebäudeversicherung. Nochmals 64 Kunden hatten Schadenerfahrungen mit der Rechtsschutzversicherung und 57 mit einer privaten Krankenzusatzversicherung.
Überwiegend zufrieden mit der Regulierung
In 82 Prozent der Fälle wurde die eigene, in 18 Prozent eine gegnerische Versicherung in Anspruch genommen. Besonders häufig traten die Befragten in der Kfz-Versicherung mit 31 Prozent der Fälle als Anspruchsteller bei einem fremden Versicherungsunternehmen auf.
Die Zufriedenheit mit der Schadenabwicklung ist groß: 81 Prozent zeigen sich auf einer fünfteiligen Antwortskala als äußerst zufrieden oder zufrieden, nur zehn Prozent als unzufrieden bis äußerst unzufrieden. Den Versicherer, der den Schaden abgewickelt haben, würden 52 Prozent auf jeden Fall weiterempfehlen. Der sogenannte Net Promotor Score (NPS) beträgt 28,9 – das ist die Differenz aus den erwähnten, weiterempfehlungsbereiten und denjenigen Kunden, die latent oder offen ablehnend auf die Frage einer Weiterempfehlung reagieren.
Potenzial an Neukunden verschenkt?
Deutliche Unterschiede zeigen sich dabei je nach dem, ob der eigene oder ein fremder Versicherer den Schaden reguliert hat. Mit dem eigenen Versicherer sind 85 Prozent der Kunden zufrieden und nur sieben Prozent offen unzufrieden. Ein fremder Versicherer stellt 63 Prozent zufrieden, jeder Fünfte aber ist mit der Schadenregulierung als Anspruchsteller nicht zufrieden. Hier verschenken Versicherer möglicherweise Potenzial; Neukunden zu gewinnen.
Die Weiterempfehlungsbereitschaft differiert noch stärker danach, ob der Versicherer vom eigenen Kunden oder vom Anspruchsteller bewertet wird. Der NPS beträgt 41,5 beim eigenen, aber minus 25,8 beim fremden Versicherer. Nun ist das auf den ersten Blick nicht überraschend, dass man einen fremden Versicherer nicht weiterempfehlen würde. Auf den zweiten Blick offenbart sich einmal mehr ein Potenzial zur Gewinnung neuer Kunden aus zufriedenen Anspruchstellern, das brach liegt.
Mäßiger Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Versicherung
Aus den Daten kann abgeleitet werden, welchen Einfluss die Erfahrung mit der Schadenregulierung auf die Zufriedenheit mit der wichtigsten Versicherung des Kunden hat. Dabei handelt es sich auch am häufigsten um die Kfz-Versicherung, gefolgt von der Privathaftpflichtversicherung.
Die Zufriedenheiten mit der wichtigsten Versicherung sowie mit einer erlebten Schadenregulierung korrelieren positiv, mit r=0,3 aber auch nicht übermäßig stark. Gleich hoch ist die Korrelation mit der Zufriedenheit mit dem wichtigsten Berater (meist ein selbstständiger Versicherungsvermittler). Insgesamt können Berater und Schadenregulierung 20 Prozent der Zufriedenheit mit einer Versicherung erklären.
Hoher Einfluss auf die Weiterempfehlungsbereitschaft
Deutlich ausgeprägter erklären beide Faktoren die Weiterempfehlungsbereitschaft. Immerhin 40 Prozent des NPS der wichtigsten Versicherung werden aus der Kombination von Berater und Schadenregulierungserfahrung erklärt. Diese beiden Faktoren wirken jeweils mit r=0,5 deutlich positiv auf die Weiterempfehlungsbereitschaft ein.
Zusammenfassend lohnt es sich, sich mit der Schadenregulierung Mühe zu geben, auch gegenüber Anspruchstellern. Und Vermittler können hierauf einen positiven Einfluss nehmen. Damit stellt sich für die Praxis die Frage, ob die Strategie der „Dunkelverarbeitung“ von Schadensfällen immer die glücklichste ist.
Nachhaltige Kunden sind zufriedener
Die Studie zeigt einen weiteren, interessanten Zusammenhang. Kunden, die an Nachhaltigkeit interessiert sind und dafür auch Opfer erbringen würden, sind zufriedener mit der Schadenabwicklung als diejenigen, die dem Thema Nachhaltigkeit skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.
Einmal mehr deutlich fällt das Ergebnis bei der Weiterempfehlungsbereitschaft gegenüber dem den Schaden regulierenden Versicherer aus: Der NPS beträgt bei den „Nachhaltigkeits-Überzeugten“ (19 Prozent Anteil an der Gesamtstichprobe) 48,3 und liegt mit 32,7 auch bei den „Nachhaltigkeits-Wohlwollenden“ (34 Prozent Anteil an der Gesamtstichprobe) immer noch über dem Durchschnitt aller Befragten.
Autor(en): Matthias Beenken