Marktsättigung schürt Verdrängungswettbewerb

Das Tal der Tränen ist durchschritten. Die Kfz-Versicherungs-Branche atmet auf und hat im Jahr 2003 erstmals wieder mit 0,5 Milliarden Euro ein positives technisches Ergebnis erreicht. Die erwartete Konsolidierung im Markt mit großer Zersplitterung durch 118 Autoversicherer ist nach Aussagen von Rolf-Peter Hoenen, Vorstandssprecher der HUK-Coburg Versicherungsgruppe und Präsidiumsmitglied des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) jedoch noch nicht erkennbar.

Mühevolle Sanierung


Ab dem Jahr 2000 hat sich die Branche aufgemacht, in mühevoller Sanierungsarbeit die technischen Verluste in den Griff zu bekommen. Immerhin waren von 1997 bis 2002 rund 6,7 Milliarden Euro an technischen Verlusten aufgelaufen.

Hoenen äußerte vor Marktteilnehmern beim Euroforum in Berlin, dass die Autoversicherer derzeit wieder die Ertragsorientierung im Focus haben. Auch wenn die Kapitalanlagenseite der meisten Gesellschaften noch leicht angespannt erscheine, könne man einen gedämpft positiven Ausblick wagen. Die Kapitalerträge würden künftig auf niedrigerem Niveau wachsen.

Preisaggressivität nimmt schon wieder zu


Nach Zeiten regelrechter Rabattschlachten und hartem Preiswettbewerb müsse man nun ruhigere Fahrwasser ansteuern. Eine Entwarnung sei hier verfrüht, denn die Preisaggressivität nehme vereinzelt schon wieder zu.

Erfreulich sei aus Sicht der Schadenregulierung, dass die Quoten für den Schadendurchschnitt und die Schadenhäufigkeit stagnieren oder gar rückläufig seien. Die Combined Ratio (Schaden-Kosten-Quote) sank im Jahr 2003 erstmals wieder "auf unter hundert" in Kfz auf 98 Prozent, bei KH sogar auf 96 Prozent.

Als sehr begrenzt schätzte Hoenen die Wachstumsaussichten für die Autoversicherung in Deutschland ein. Mit rund 45 Millionen hierzulande zugelassenen Pkw sei ein hoher Motorisierungsgrad und quasi eine Marktsättigung erreicht. Die Wachstumsprognose für die nächsten fünfzehn Jahre liegt nach Hoenens Ansicht bei weniger als ein Prozent jährlich. Tendenz sinkend bis stagnierend. Mit Tendenzen zu geringeren Margen intensiviere sich wieder der Verdrängungswettbewerb.

Veränderungen im Management


Die Autoversicherer müssen sich – so Hoenen – auf Veränderungen im Management einrichten. Neben den Hauptthemen in der Unternehmensführung zu neuer Bilanzierung nach IAS, differenzierten Kapitalanforderungen durch Solvency II müsse man auf die Veränderungen im Kundenverhalten eingehen. Veränderte Rahmenbedingungen erfordern ein striktes Kostenmanagement.

Natürlich werde auch in Zukunft der Preis, die Prämienhöhe, einer Autoversicherung das dominierende Entscheidungskriterium beim Neuabschluss sein. Das liege bei der gegebenen großen Marktvielfalt und Commoditiy-Produkten (das Kfz-Versicherungsprodukt liege quasi abholbereit im Regal) in der Natur der Sache.

Zu wenig Wind für Internetversicherungen


Allerdings sei den Internetversicherern inzwischen der Wind aus den Segeln genommen. Von den vier Autoversicherungsgesellschaften, die Kunden über das World-Wide-Web angesprochen haben, sind mit ineas und intodo bereits zwei von ihnen wieder "offline". Die verbleibende deutsche internet versicherung ag und die HUK24 (eine Tochter der HUK-Coburg) verbleibe ein kleiner Markt – allerdings mit Wachstumschancen, die Hoenen auf maximal zwei bis drei Prozent Marktanteil schätzt.

Eine andere Komponente im Autoversicherungsgeschäft falle heute ins Gewicht. Mit den Konzernen Tschibo und ADAC drängen "Branchefremde" in den Markt. Sie bauen teilweise auf Erfolge in anderen Ländern, die sie dort bereist mit Autoversicherungen verzeichnen konnten (z.B. Tesco in Großbritannien), andererseits seien die Motive zum Markteintritt hierzulande ihr zahlenmäßig riesiger Kundenkreis, deren Zugang nicht neu erschlossen werden müsse. Außerdem verfügen beide Unternehmungen über positive Imagewerte und einen hohen Bekanntheitsgrad.

Wettbewerb mit neuer Qualität


Wettbewerbsdruck mit ganz neuen Qualitätsmerkmalen sei außerdem von den Automobilherstellern zu erwarten, die künftig die gesamte Wertschöpfungskette der "Automobilität" mit Bündnissen zu Versicherungen abdecken. So kurbelt beispielsweise der Autohersteller Ford den Absatz von Versicherungen mit eigenem Financial Service und der Nürnberger an. Auch VW setzt auf den Ausbau des Versicherungsgeschäfts und folgt damit dem Trend der Autobanken. Schließlich holt BMW die Victoria ins Auto. So wird beispielsweise der nächste Z3 auf die Victoria abfahren.

Die wettbewerbsentscheidenden Faktoren für die gesamte Branche sind nach Aussagen von Rolf-Peter Hoenen beim Euroforum in Berlin in der Versicherungstechnik zu sehen. Hier entscheiden
  • Tarifierungs-Know-how – hier sind große Versicherungsunternehmen durch eigene Datenbestände im Vorteil;
  • Schadenmanagement – hier wirkt sich bei großen Gesellschaften das große Einkaufsvolumen als Vorteil aus;
  • Kosteneffizienz – hier sind die Vertriebskosten entscheidend – Verwaltungsprozesse bei Erreichen von Mindestgrößen sind dagegen nicht wettbewerbsentscheidend.
Schließlich werde auch die Gewichtung der Kapitalstärke des Autoversicherers im Wettbewerb zu Vor- oder Nachteilen führen. Hoenen: "Unternehmen mit hohen Eigenmitteln sind bei möglichen Preiskampfszenarien im Vorteil."

Autor(en): Marianne Storck

Alle Branche News