In keinem anderen Versicherungszweig ist das Prämienvolumen so hoch wie bei Lebensversicherungen. In 2008 wurden dafür in Deutschland rund 79,6 Milliarden Euro (brutto) als Prämien gezahlt. Häufig sieht der Versicherungsnehmer dabei nicht sich selbst als Bezugsberechtigten vor, sondern schenkt das Bezugsrecht einem späteren Erben oder einem Dritten.
Seit 1930 gingen das Reichsgericht und anschließend der Bundesgerichtshof davon aus, in diesen Fällen seien die Prämien geschenkt worden und nicht der Auszahlungsbetrag oder der Rückkaufswert im Todesfall. Diese Rechtsprechung spielte eine erhebliche Rolle für Pflichtteilsansprüche: Wer enterbt ist, kann grundsätzlich die Hälfte des Wertes, der ihm als gesetzlicher Erbe zugestanden hätte, als Pflichtteil verlangen. Doch wie wird dieser Wert ermittelt?
Schenkungen der letzten Jahre vor dem Erbfall berücksichtigt
Maßgeblich ist zunächst der Wert des Nachlasses. Dabei werden auch Schenkungen der letzten Jahre vor dem Erbfall berücksichtigt. Wird der Wert der Lebensversicherung nach den Prämien berechnet, so ist dieser Wert (und damit auch der Pflichtteilsanspruch) in der Regel viel geringer als wenn man den Rückkaufswert im Todesfall zugrunde legte.
Viele Erblasser nutzten diese Rechtsprechung und verteilten ihr Vermögen zu einem großen Teil über den Umweg von Lebensversicherungen. So wollten sie den Pflichtteil gering halten – mit Erfolg. Mit zwei Urteilen vom 28. April 2010 (IV ZR 230/08 und IV ZR 73/08) hat der Bundesgerichtshof nun seine Rechtsprechung geändert. War das Bezugsrecht widerruflich, so sind nun nicht mehr die Prämien geschenkt, sondern der Rückkaufswert im Zeitpunkt des Erbfalls. Das hat erhebliche Konsequenzen. Regelmäßig ist die Summe aller gezahlten Prämien bedeutend niedriger als der Rückkaufswert; der Versicherer hat bereits über viele Jahre mit den Prämien gearbeitet und sie vermehrt. Der Pflichtteilsberechtigte (vor allem der Enterbte) kann also nach der Änderung der Rechtsprechung in der Regel einen höheren Pflichtteilsanspruch geltend machen.
Der zugewendeten Lebensversicherung den "Schenkungscharakter" nehmen
Will der Erblasser dies verhindern, muss er das Bezugsrecht unwiderruflich stellen. Dann kann er aber auch zu Lebzeiten nicht mehr darüber verfügen. Der Erblasser kann jedoch auch einen ganz anderen Ausweg suchen: er kann der zugewendeten Lebensversicherung den „Schenkungscharakter“ (zumindest teilweise) nehmen. Dazu kann sich der spätere Bezugsberechtigte als Gegenleistung für die Zuwendung vertraglich etwa zur Pflege des Erblassers verpflichten. Räumt der Erblasser das Bezugsrecht (wie meist) seinem Ehegatten ein, kann der Erblasser bestimmen, dass dies der Altersvorsorge des Ehepartners dienen und damit eine ehebedingte Zuwendung sein soll, für die die Pflichtteilsberechtigten keinen Ausgleich fordern können.
Ob die Gerichte diese Lösung mittragen, ist allerdings nicht sicher. Die Rechtsprechung ist hier (noch) äußerst zurückhaltend. Sie wird sich aber mit diesen Fragen künftig verstärkt zu beschäftigen haben, weil viele Erblasser auf die Urteile vom 28. April 2010 mit neuen Gestaltungsansätzen reagieren werden.
Dr. Felix Rollin und Dr. Thomas Seibert sind Rechtsanwälte, Rollin ist Fachanwalt für Versicherungsrecht bei CMS Hasche Sigle, Hamburg.
Bildquelle: © Tarudeone,
Seit 1930 gingen das Reichsgericht und anschließend der Bundesgerichtshof davon aus, in diesen Fällen seien die Prämien geschenkt worden und nicht der Auszahlungsbetrag oder der Rückkaufswert im Todesfall. Diese Rechtsprechung spielte eine erhebliche Rolle für Pflichtteilsansprüche: Wer enterbt ist, kann grundsätzlich die Hälfte des Wertes, der ihm als gesetzlicher Erbe zugestanden hätte, als Pflichtteil verlangen. Doch wie wird dieser Wert ermittelt?
Schenkungen der letzten Jahre vor dem Erbfall berücksichtigt
Maßgeblich ist zunächst der Wert des Nachlasses. Dabei werden auch Schenkungen der letzten Jahre vor dem Erbfall berücksichtigt. Wird der Wert der Lebensversicherung nach den Prämien berechnet, so ist dieser Wert (und damit auch der Pflichtteilsanspruch) in der Regel viel geringer als wenn man den Rückkaufswert im Todesfall zugrunde legte.
Viele Erblasser nutzten diese Rechtsprechung und verteilten ihr Vermögen zu einem großen Teil über den Umweg von Lebensversicherungen. So wollten sie den Pflichtteil gering halten – mit Erfolg. Mit zwei Urteilen vom 28. April 2010 (IV ZR 230/08 und IV ZR 73/08) hat der Bundesgerichtshof nun seine Rechtsprechung geändert. War das Bezugsrecht widerruflich, so sind nun nicht mehr die Prämien geschenkt, sondern der Rückkaufswert im Zeitpunkt des Erbfalls. Das hat erhebliche Konsequenzen. Regelmäßig ist die Summe aller gezahlten Prämien bedeutend niedriger als der Rückkaufswert; der Versicherer hat bereits über viele Jahre mit den Prämien gearbeitet und sie vermehrt. Der Pflichtteilsberechtigte (vor allem der Enterbte) kann also nach der Änderung der Rechtsprechung in der Regel einen höheren Pflichtteilsanspruch geltend machen.
Der zugewendeten Lebensversicherung den "Schenkungscharakter" nehmen
Will der Erblasser dies verhindern, muss er das Bezugsrecht unwiderruflich stellen. Dann kann er aber auch zu Lebzeiten nicht mehr darüber verfügen. Der Erblasser kann jedoch auch einen ganz anderen Ausweg suchen: er kann der zugewendeten Lebensversicherung den „Schenkungscharakter“ (zumindest teilweise) nehmen. Dazu kann sich der spätere Bezugsberechtigte als Gegenleistung für die Zuwendung vertraglich etwa zur Pflege des Erblassers verpflichten. Räumt der Erblasser das Bezugsrecht (wie meist) seinem Ehegatten ein, kann der Erblasser bestimmen, dass dies der Altersvorsorge des Ehepartners dienen und damit eine ehebedingte Zuwendung sein soll, für die die Pflichtteilsberechtigten keinen Ausgleich fordern können.
Ob die Gerichte diese Lösung mittragen, ist allerdings nicht sicher. Die Rechtsprechung ist hier (noch) äußerst zurückhaltend. Sie wird sich aber mit diesen Fragen künftig verstärkt zu beschäftigen haben, weil viele Erblasser auf die Urteile vom 28. April 2010 mit neuen Gestaltungsansätzen reagieren werden.
Dr. Felix Rollin und Dr. Thomas Seibert sind Rechtsanwälte, Rollin ist Fachanwalt für Versicherungsrecht bei CMS Hasche Sigle, Hamburg.
Bildquelle: © Tarudeone,
Autor(en): Dr. Felix Rollin und Dr. Thomas Seibert