Kyrill wirbelt Schadenbilanzen durcheinander

Die deutschen Versicherer sind nicht so glimpflich wie erwartet durch den Orkan Kyrill gekommen, der vom 19. bis 20. Januar über Deutschland hinweggefegt war. Auf rund eine Milliarde Euro hatte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einer ersten Schätzung den versicherten Schaden des Sturmtiefs beziffert. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass wohl das zwei- bis Dreifache zu erwarten ist. Damit rückt Kyrill in seinen Auswirkungen laut Fitch Ratings in die Nähe des Orkans "Lothar", der Ende 1999 rund fünf Milliarden Euro an versicherten Werten vernichtet hatte.

Derweil rückt der GDV noch nicht von seiner Schätzung ab. Die beruht auf einem laut GDV-Sprecherin Katrin Rüter de Escobar "guten Vergleich" mit dem Sturmtief Jeannett aus dem Herbst 2002, das die deutschen Sachversicherer mehr als 660 Millionen Euro gekostet hatte. Windgeschwindigkeit, Ausdehnung und Verweildauer seien bei Kyrill größer gewesen, so dass man mit Schäden in Höhe besagter einer Milliarde Euro rechnet. Die Mehrzahl der deutschen Versicherer hält sich mit Schätzungen über die erwartete Schadenhöhe noch zurück. Die SV Sparkassen-Versicherung (SV), nach eigenen Angaben bundesweit größter Gebäudeversicherer, rechnet nach ersten Prognosen mit 30.000 Gebäudeschäden und einer Schadensumme von 40 Millionen Euro. Nach Angaben des Versicherers scheint der Orkan aber weniger versicherte Gebäudeschäden als befürchtet hinterlassen zu haben. Dies könne mit Vorsorgemaßnahmen durch die frühzeitigen Unwetterwarnungen zusammenhängen. Deshalb gehe man bei den Stuttgartern von einer Vielzahl an Kleinschäden aus.

Die Gesellschaft AIR Worldwide Corporation, spezialisiert auf die Modellierung von Naturkatastrophen, prognostiziert insgesamt und europaweit Schadenzahlungen zwischen 4,0 und 8,0 Milliarden Euro. Nach Angaben der Münchener Rückversicherungsgesellschaft AG stellt ein Sturm mit dem Ausmaß von Kyrill einen Schadenfall dar, der laut Statistik häufiger als einmal in zehn Jahren vorkommt. Am schwersten waren Deutschland und wohl noch mehr Großbritannien vom Sturm betroffen. Fitch Ratings erwartet jedoch nur begrenzte Auswirkungen auf die Finanzstärke-Ratings von europäischen Versicherern. "Die jetzt für Kyrill prognostizierten Schäden sind nicht hoch genug, um eine Gefahr der finanziellen Stabilität von Erst- oder Rückversicherern zu sehen", sagt Chris Waterman, Managing Director von Fitch Ratings in London ().

Der Hurrikan Katrina in der Karibik und an der Südostküste der USA hatte im August 2005 einen Schaden von 45 Milliarden US-Dollar verursacht. Übrigens: Sturm beginnt nach der so genannten Beaufort-Skala ab Windstärke neun. Versicherungen zeigen sich bei der Anerkennung von Sturmschäden jedoch kundenfreundlicher: Sie zahlen bereits bei "stürmischem Wind" der Stärke acht. Das entspricht Windgeschwindigkeiten von mehr als 62 Kilometern pro Stunde. Für abgedeckte Dächer, eingeschlagene Fensterscheiben und abgebrochene Schornsteine sowie Folgeschäden durch eindringenden Niederschlag kommt die Wohngebäudeversicherung auf. "Einige Versicherer decken auch Schäden an Gebäudezubehör wie Antennen, Satellitenschüsseln oder Markisen ab", erklärt Daniel Meiß von der Axa-Versicherung. Deren Wohngebäudeversicherung zahlt auch für umgekippte Bäume, die nach einem Sturm beseitigt werden müssen.

Autor(en): Detlef Pohl

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