Der Versicherungsombudsmann hat seinen Tätigkeitsbericht für 2023 vorgelegt mit vielen interessanten Zahlen, Beschwerdebeispielen sowie Schlussfolgerungen für die Vertriebspraxis.
Laut dem Jahresbericht 2023 hat der Versicherungsombudsmann im vergangenen Jahr 18.037 Beschwerden erhalten, eine Steigerung um 13,4 Prozent. Die Gesamtzahl liegt jedoch grundsätzlich auf dem Niveau früherer Jahre. Die Zahl ist aus mehreren Gründen interessant.
Immer seltener helfen Gerichte
Denn nach einer letzten, für das Jahr 2019 vorliegenden Zahl gab es im Jahr rund 25.000 Gerichtsverfahren zu Versicherungsstreitigkeiten – was einem Rückgang um gut die Hälfte von rund 51.000 im Jahr 2005 entspricht. Das kann man so deuten, dass die außergerichtliche Streitschlichtung an Akzeptanz gewonnen hat und die Gerichte entlastet.
Der Versicherungsombudsmann weist auf einen weiteren Zusammenhang hin: Laut einem Forschungsbericht zu den rückläufigen Eingangszahlen vor Zivilgerichten sei es schwer, für kleinere Streitbeträge „ein passendes Angebot“ zu deren Durchsetzung zu finden. Gerichtsverfahren sind an Hürden und an hohe Kosten gebunden, zudem ist die Erfolgsaussicht ungewiss. Im Vergleich dazu ist das außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren für den Beschwerdeführer kostenfrei und damit niederschwellig zugänglich.
Deutlich mehr Beschwerden als bei der BaFin
Zudem kann sich ein Versicherungskunde auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) über Versicherer beschweren. Das kam letztes Jahr rund 7.700 mal vor (Versicherungsmagazin vom 9.4.2024), also deutlich seltener. Wenn man noch die Beschwerden beim separaten Ombudsmann für die Private Kranken- und Pflegeversicherung addiert, werden dreimal mehr Beschwerden bei den Ombudsleuten als durch die BaFin bearbeitet.
Von den rund 18.000 Beschwerden waren gut 17.300 Unternehmens- und nur 318 Vermittlerbeschwerden. Knapp 400 waren sonstige Beschwerden.
Von den Unternehmensbeschwerden waren 75,4 Prozent zulässig, konnten also vom Versicherungsombudsmann verfolgt werden. Bei den Vermittlerbeschwerden waren es nur 47,8 Prozent.
Erfolgreich waren 35 Prozent der zulässigen Beschwerden über Lebens- und 50,8 Prozent derjenigen über alle anderen Sparten. Bei den Vermittlerbeschwerden waren nur 21,4 Prozent der zulässigen Beschwerden für den Beschwerdeführer erfolgreich.
Kunden wollen meist vom Versicherer eine Lösung
Der Versicherungsombudsmann erklärt die vergleichsweise sehr geringe Zahl von Vermittlerbeschwerden damit, dass es für die Kunden meist sinnvoller ist, sich beim Versicherer zu beschweren. Dazu rät er auch, denn meistens wollen die Kunden beim Versicherer etwas erreichen, zum Beispiel eine Schadenzahlung oder eine Rückabwicklung eines Vertrages. Das kann aber nicht der Vermittler bewirken.
Hinzu kommt, dass das Handeln der Vertreter ohnehin den Versicherern zugerechnet wird. Nur bei Versicherungsmaklern ist das anders, weil diese einen Maklervertrag mit dem Kunden haben und deshalb selbst dafür einstehen müssen, dass sie beispielsweise den Kunden korrekt beraten. Man kann daher vermuten, dass es sich bei Vermittlerbeschwerden im Wesentlichen um Beschwerden gegen Makler handelt, bei denen der Beschwerdeführer einen Schadensersatz erreichen will. Soll hingegen ein wegen Falschberatung unpassender Vertrag aufgelöst oder ein Schaden doch bezahlt werden, landet dies zumeist in der Statistik des Versicherungsombudsmanns als Unternehmensbeschwerde.
Erstinformation hilft nicht
Offenbar ist Kunden oft nicht wirklich klar, ob sie es mit einem Makler oder mit einem Vertreter zu tun haben. Wie der Versicherungsombudsmann berichtet, musste er oft dem Beschwerdeführer diesen Unterschied erst einmal erklären. „Zwar muss allen Versicherungsinteressenten die Erstinformation des Vermittlers nach § 15 Absatz 1 VersVermV ausgehändigt werden; jedoch geht damit nicht unbedingt das Verständnis für die rechtliche Stellung des Beratenden und die sich daraus ergebenden Folgen einher.“
Wie ein Beschwerdeverfahren wegen Falschberatung gegen einen Makler aussehen kann, dazu führt der Versicherungsombudsmann ein anekdotisches Beispiel auf. Es betrifft eine Kundin, die 2021 im Ort Schuld im Ahrtal von der Überschwemmung betroffen war und ihren Hausrat verloren hatte. Sie war 2012 bis 2013 von einem Makler „zum Vermögensaufbau und zur Vermögenssicherung“ beraten worden und erhielt unter anderem eine Hausratversicherung, aber ohne Elementarschadendeckung.
10.000 Euro Schadenersatz für Falschberatung
Der Makler hatte zunächst versucht, den Schadenersatzanspruch mit Argumenten wie Verjährung oder der Behauptung abzuwehren, es habe in dieser auch schon früher hochwassergefährdeten Wohnlage kein Angebot für eine Elementardeckung gegeben. Im weiteren Verlauf bestritt er auch das Vorliegen eines Überschwemmungsschadens. Die Kundin konnte letzteres allerdings mit Fotos beweisen.
Der Versicherungsombudsmann wies den Makler darauf hin, er müsse sich eine Falschberatung nachsagen lassen, und dass auch keine Verjährung gegeben sei. Danach erst kontaktierte der Makler seine Berufshaftpflichtversicherung. Der Schaden wurde von der Kundin mit 64.500 Euro beziffert, allerdings legte sie keine detaillierte Übersicht vor und hatte zudem bereits 48.000 Euro staatliche Hilfen erhalten. Am Ende habe es eine Einigung auf einen Vergleich in Höhe von 10.000 Euro gegeben.
BaFin-Merkblatt treibt Lebensversicherungs-Beschwerden
Im Tätigkeitsbericht gibt es weitere interessante Hinweise zu Beschwerdegründen. So mutmaßt der Versicherungsombudsmann, dass das Merkblatt der BaFin zu „wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ vom letzten Jahr zu einem stärkeren Kostenbewusstsein der Kunden beiträgt. Denn in der Presse wurde über verstärkte Kontrollen der BaFin bei „teuren“ Versicherern berichtet.
Außerdem wird eine Zunahme von Beschwerden über Vergleichsportale beobachtet. Dabei geht es offenbar um die Beratungs- und Dokumentationspflichten, denen auch dieser Vertriebsweg unterliegt.
Wie schon in den Vorjahren, kritisiert der Versicherungsombudsmann erneut schlechte und schematisch ausgefüllte Beratungsdokumentationen. Dabei werde nicht auf die konkrete Lage des Antragstellers und die tatsächlich erfolgte Beratung eingegangen. „Damit ist die Beratungsleistung nicht nachvollziehbar und die Dokumentation erfüllt nicht ihren Zweck.“
Autor(en): Matthias Beenken