"Komplette Abschaffung der Umlagefinanzierung"

Weniger Bevormundung durch den Staat und mehr Wahlfreiheit für die Menschen forderte Günter Dibbern, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Krankenversicherung AG (DKV) in Köln, bei der Vorlage der Geschäftsergebnisse des zweitgrößten Krankenversicherers hierzulande. Mit den Gesundheitspolitikern ging Dibbern hart ins Gericht. Gleichzeitig berichtete er von zufriedenstellenden Geschäften im Jahr 2004. Die DKV hatte vergangenes Jahr die Marktführerschaft an die Debeka abtreten müssen.

In der Verpflichtung der Kontinuität sieht sich der DKV-Chef, wenn er über die Bilanzzahlen 2004 seines Unternehmens hinaus erneut das gesundheitspolitische Dilemma in Deutschland öffentlich mache. In Bezug auf die DKV sei klar, dass die strategische Aufstellung stimme. Dibbern: „Eigentlich können wir recht zufrieden sein.“ Er wähle aber bewusst den Begriff „eigentlich“, weil ihn und die privaten Krankenversicherer die Vorschläge umtreiben, die „unter dem vernebelten Begriff Bürgerversicherung uns in unserem Kerngeschäft, der Krankheitsvollversicherung und der Pflegeversicherung, die Geschäftsgrundlage entziehen wollen“. Dibbern: „Das Wort „Zwang“ vermeiden die Verfasser unzulässigerweise dabei.“

Zur Zeit habe sich öffentlich in den Köpfen das „Schreckgespenst Bürgerversicherung“ scheinbar zurückgezogen („wohl weil es erst 2006 als Wahlkampfthema wieder aus der politischen Versenkung hervorgeholt wird“). Doch die Ruhe trüge. Dibbern: „Es geht hier um eine Richtungsentscheidung, die nicht auf leisen Sohlen einer Systemveränderung den Weg bereiten darf, die das Land zum Schaden seiner Bürger in die Irre führt.“ Es gehe hier um eine Richtungsentscheidung, die nicht nur für die DKV oder die Krankenversicherungs-Branche allein, sondern für die Gesellschaft schlechthin gefällt werde. Freiheit und Sicherheit dürften sich nicht zu Gegensätzen entwickeln. Vielmehr müssten sie sich gegenseitig bedingen. „Und dies in einer gesamtwirtschaftlichen Krisenzeit mit höchster Arbeitslosigkeit, dem geringsten Wirtschaftswachstum aller EU-Länder und einer Staatsverschuldung, die schier uferlos ist.“

Die Politiker wollten offensichtlich nicht wahrhaben, dass die umlagefinanzierten Sozialsysteme schon jetzt an ihre Grenzen stoßen und das Umlageverfahren die Lohnnebenkosten und damit die Arbeitslosigkeit noch weiter in die Höhe treibe.
Dibbern betonte, dass die DKV als traditionsreicher, moderner Krankenversicherer ihre Verantwortung wahrnehme „im Rahmen unserer sozial- und gesundheitspolitischen Verantwortung für die ganze Gesellschaft“ genauso wie als Arbeitgeber für Tausende der Mitarbeiter, deren Arbeitplätze durch die Bürgerversicherung gefährdet wären.

In aller Klarheit forderte Dibbern, dass der Weg zur Bürgerversicherung gestoppt werden müsse. Andernfalls sei es sicher, dass dieser Weg zur staatlichen Einheitskasse und zu weniger Wettbewerb, zu noch mehr Bürokratie und staatlicher Gängelei, zu weniger Generationen-Gerechtigkeit und zu sinkenden Standards in der Gesundheitsversorgung führe.

Dafür sei allein schon die Pflegeversicherung ein überzeugendes Beispiel, wo zwei Systeme - privat und staatlich - zeitgleich vor zehn Jahren gestartet worden seien. Hier könnten die Leistungen und auch die Altersstrukturen der Versicherten - privat wie staatlich - reell miteinander verglichen werden.

Fakt sei nach zehn Jahren: Die umlagefinanzierte soziale Pflegeversicherung verzehrt ihre Rücklagen. Die Defizite steigen jedes Jahr in dreistelliger Millionenhöhe (zuletzt auf 823 Millionen Euro). Dagegen habe die zeitgleich gestartete private Pflegeversicherung schon dreimal die Beiträge senken können. Darüber hinaus habe sie für ihre Versicherten einen zukunftssicheren Kapitalstock von rund 15 Milliarden Euro aufgebaut. Dibbern: „Wir privaten Versicherer haben ein Konzept zur Reform der sozialen Pflegeversicherung vorgelegt, das mehr Kapitaldeckung vorsieht und ein sehr pragmatisches schrittweises Vorgehen ermöglicht. In dieser Kombination von Umlage- und Kapitaldeckungs-Elementen sehen wir politisch eine Chance relativ kurzfristiger Umsetzung.“

Angesicht noch gravierender demographischer Risiken in der Pflegeversicherung als auch in der Krankenversicherung sieht Dibbern keine andere Alternative als die „schrittweise, am Ende aber komplette Abschaffung“ der umlagefinanzierten Pflegeversicherung.

Der DKV-Vorstandsvorsitzende Dibbern wechselte später das Thema und sprach dann von einer erfolgreichen Entwicklung mit Blick auf die Geschäftsergebnisse der eigenen Gesellschaft. Die DKV, ein Unternehmen der ERGO Versicherungsgruppe, hatte 2004 unterm Strich 60.000 Neukunden gewonnen, davon mehr als 50.000 neue Zusatzversicherte. Insgesamt verzeichnete das Unternehmen hierzulande 2,1 Millionen Zusatzversicherte. Bei den Vollversicherten legte die DKV auf über 804.000 zu. Dibbern: „Das sind rund 7.800 mehr als im Vorjahr.“ Damit zählt die DKV in Deutschland insgesamt knapp 2,9 Millionen Versicherte, was einer Steigerung von 2,2 Prozent entspricht.

Im europäischen Ausland sieht sich die DKV als Marktführer. Insgesamt waren in anderen EU-Staaten 66.333 neue Versicherte gewonnen worden, obwohl man sich in den Niederlanden von einem Tochterunternehmen getrennt habe. Weltweit haben jetzt 6,66 Millionen Kunden eine Krankenversicherungs-Police bei der DKV abgeschlossen.

Damit habe das Unternehmen seine Beitragseinnahmen um 2,0 Prozent auf 3,33 (Vorjahr 3,26) Milliarden Euro gesteigert. Durch interne Kostensenkungs-Programme und ein stringentes Leistungsmanagement sei es der DKV im Jahr 2004 gelungen, mit 345,1 (Vorjahr 176,1) Millionen Euro ein „hohes versicherungsgeschäftliches Ergebnis“ zu erreichen. Für 2004 präsentiere sich damit eine versicherungsgeschäftliche Ergebnisquote von 10,4 (Vorjahr 5,49) Prozent. Die Verwaltungskosten-Quote ist nach Unternehmensangaben um weitere 0,2 Prozentpunkte gesunken. Man habe hier einen Rückgang auf 3,5 (Vorjahr 3,7) Prozent erzielt, arbeite aber an einer weiteren Senkung. Die Schaden-Quote reduzierte sich nach Dibberns Aussage um 4,4 Prozentpunkte von 80,7 auf 76,3 Prozent. „Die DKV ist damit bestens aufgestellt, um ihren Kunden dauerhafte Sicherheit zu bieten", sagte DKV-Chef Dibbern.

Autor(en): Ellen Bocquel

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