Der Pleitegeier kreist vielerorts. Das zeigen Prognosen. Für Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler mit hohem Firmenbestand könnte daher der Einstieg ins Kreditversicherungsgeschäft interessant werden.
Der Kreditversicherer Atradius geht davon aus, dass die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland im Jahr 2023 generell um 21 Prozent und im Jahr 2024 um zehn Prozent steigen werden. Hintergrund ist ein schlechtes Konsumklima. „Wir erwarten, dass der private Verbrauch in diesem Jahr angesichts der anhaltenden Schwäche bei den hochfrequenten Ausgaben um 0,7 Prozent sinken wird. Die Einzelhandelsumsätze werden 2023 voraussichtlich um weitere 2,8 Prozent zurückgehen, nachdem sie 2022 bereits um 0,5 Prozent gesunken sind“, schätzt Frank Liebold, Country Director Deutschland bei Atradius.
Schwindende Liquiditätspuffer und eine sich verschlechternde Rentabilität
"Wir sehen 2023 einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen in Deutschland", bestätigt auch Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "Letztlich ist es aber eine Rückkehr zur Normalität: Am Jahresende dürften die Insolvenzen weiterhin rund fünf Prozent unterhalb des Niveaus von vor der Pandemie 2019 liegen und dieses erst nach einem weiteren Anstieg im kommenden Jahr überschreiten." Weltweit geht Allianz Trade davon aus, dass die Insolvenzen im Jahr 2023 um sechs Prozent und im Jahr 2024 um zehn Prozent steigen. Schwindende Liquiditätspuffer und eine sich verschlechternde Rentabilität würden viele Branchen gefährden. Vor allem die Baubranche kämpft mit extrem steigenden Preisen, weniger Projekten und geringerem Realeinkommen der Verbraucher.
Warenkreditversicherung schützt offene Forderungen
Schutz für offene Rechnungen gibt es über die Warenkreditversicherung. Sie sorgt dafür, dass Forderungen abgesichert sind. Je nach Kunde und Auftrag ist ein Zahlungsziel von 30, 60 oder 90 Tagen üblich. Bleibt die Zahlung aus, haben Unternehmen mit einer Warenkreditversicherung Schutz. Der Versicherungsfall tritt nicht nur ein, wenn der Kunde Insolvenz anmeldet. Heute ist es auch möglich die Liquidität über die Versicherung zu erhalten, wenn der Kunde nur längere Zeit in den Zahlungsverzug gerät. In der Regel ist der Kunde dann schon mehrmals gemahnt. Der Versicherer übernimmt dann die Forderung.
Die VHV Versicherung gewährt hier beispielsweise nach drei Monaten, die R+V Versicherung sogar schon nach zwei Monaten Versicherungsschutz. „Wir übernehmen dann den Regress“, erläutert VHV-Sprecherin Janine Bollhorst. Vorab gibt es eine Leistung in Höhe von 90 Prozent der Forderung. Verläuft das Inkassoverfahren erfolgreich und der Versicherer erhält 100 Prozent der Forderung nebst Nebenforderungen, zahlt er bei der Endabrechnung den Einbehalt von 10 Prozent aus. Im Insolvenzfall müssen die Unternehmen hingegen damit rechnen, dass sie nur 90 oder vielleicht sogar nur 70 Prozent der Forderung erhalten. Je nach Tarif und Versicherer schwanken die Selbstbeteiligungen.
Verbreitungsgrad ist noch gering
Für Versicherungsmakler, die im Firmenschutz aktiv sind, ist die aktuelle Lage ein guter Anlass, ihre Kunden auf die Möglichkeiten der Warenkreditversicherung hinzuweisen. Noch ist der Verbreitungsgrad der Sparte überraschend gering. Derzeit haben sich etwas mehr als 600.000 Unternehmen abgesichert. Laut Homepage des Statistischen Bundesamtes gibt es aber rund 3,4 Millionen Unternehmen in Deutschland. Somit liegt die Absicherungsquote in der Warenkreditversicherung rein rechnerisch bei rund 18 Prozent. „Es ist bei kleineren Unternehmen oft schwer, die Entscheidungsträger zu erreichen“, heißt es bei Atradius.
Viele Unternehmer würden den Bedarf für einen solchen Schutz nicht einsehen. Dabei erhalten Versicherte auch eine regelmäßige Bonitätsprüfung ihrer Kunden. Notfalls raten die Assekuranzen dann sogar von einem Geschäft mit Zielzahlung ab. Spezialmakler prüfen zudem regelmäßig, ob am Markt bessere Prämien oder Konditionen möglich sind.
Der Markt ist überschaubar
Auch klassische Gewerbeversicherungsmakler sollten das Thema Kreditversicherung unbedingt bei ihren Kunden thematisieren und beraten. Sie können dabei in der Regel mit fast jedem Fachmakler kooperieren. Die Konditionen der Zusammenarbeit können aber unterschiedlich sein. So ist eine anteilige oder Tippgeber-Provision für die Vermittlung eines Kunden möglich. Möglich ist es natürlich auch direkt mit den Warenkreditversicherern zusammenzuarbeiten. Der Markt ist überschaubar. Anbieter sind vor allem Atradius, Coface, Credendo, Allianz Trade, VHV, R+V oder Zurich.
Anmerkung der Redaktion: Die VHV hat uns am 29. November einen Leserbrief zur Klarstellung der Leistungen Ihrer Warenkreditversicherung gesandt. Dort heißt es: "Die VHV Versicherung gewährt nach drei Monaten Versicherungsschutz, wobei bei der VHV die Meldung der Überfälligkeit nach zwei Monaten zu erfolgen hat und in den genannten drei Monaten bereits die einmonatige Prüfung auf Entschädigung seitens der VHV berücksichtigt ist. Somit werden Versicherungsnehmer der VHV nicht weniger schnell entschädigt als Versicherungsnehmer anderer Anbieter." - Sabine Sommer, Pressesprecherin Bau, VHV Gruppe
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek