Großer Versicherer und Verdi wollen bald ein Sozialpartnermodell realisieren

740px 535px

"Das ist eine Riesen-Sensation" freute sich Heribert Karch (5. von rechts im Bild), der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba) bei der Veranstaltung "Sozialpartnermodelle jetzt!" des Eberbacher Kreises in Berlin. Der Grund: Verdi will gemeinsam mit einem großen Versicherer noch in diesem Jahr ein Sozialpartnermodell anbieten.

Nahezu beiläufig vermeldete Andrea Kocsis (im Bild), stellvertretende Vorsitzende bei Verdi, auf der Podiumsdiskussion der hochkarätig besetzten Tagung in der Hessischen Landesvertretung in Berlin, dass ihre Gewerkschaft in den nächsten Monaten ein Pilotprojekt mit einem Versicherungskonzern auf den Weg bringen will. Der Name des Versicherers konnte und wollte Kocsis noch nicht nennen, da die Planungen und Vorbereitungen für das große Projekt noch im vollen Gange seien.

Versicherer sehr interessiert an den Sozialpartnermodellen

Sensationell war diese Nachricht auf jeden Fall deshalb, weil Sozialpartnermodelle in Deutschland seit einiger Zeit zwar intensiv diskutiert werden, aber in der Praxis aktuell noch keine angeboten werden. Interessant auch die Aussage der Verdi-Frau, dass bei ihnen "täglich Versicherer vor der Tür stehen, um Angebote für Sozialpartnermodelle zu machen." Aber natürlich auch nachvollziehbar, denn die Versicherer erkennen in diesem neuen bAV-Modell auch große Chancen für sich.

Dass Verdi auf diesem Weg äußerst rege scheint, zeigt auch die Aussage von Kocsis, dass im Moment auch für "ein Unternehmen im Luftverkehr" ein erster Tarifvertrag konzipiert werde. Aber auch hier durfte die Verdi-Verantwortliche noch keinen Namen nennen.

Was zeichnet eigentlich Sozialpartnermodelle aus?

Auf der Grundlage des Betriebsrentenstärkungsgesetzes sollen mit Hilfe von Tarifverträgen sogenannte Sozialpartnermodelle entstehen. Dabei handelt es sich um große, branchenweite Versorgungswerke, die von möglichst allen Arbeitgebern der jeweiligen Branche genutzt werden. Nach den Vorstellungen des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil sollen diese Modelle "einfache, attraktive und sehr kostengünstig organisierte Betriebsrenten bei gleichzeitig hoher Sicherheit" ermöglichen.

Bei der Verhandlung eines Tarifvertrages über ein Sozialpartnermodell müssen tarif-, sozial- und verbandspolitische Grundsätze berücksichtigt werden. Aber auch rechtliche Aspekte spielen bei der Gestaltung eine wichtige Rolle.

 

 

Große Gestaltungsspielräume vorhanden

Bei jedem Sozialpartnermodell müssen sich die Tarifvertragsparteien mit allen wesentlichen Fragen der Beitragszusage beteiligen. Das betrifft insbesondere die Verwaltung und die Kapitalanlage. Hier gibt es große Gestaltungsspielräume. Aber auch das Versicherungsaufsichtsrecht muss berücksichtigt werden.

Die Analyse des künftigen Versorgungsträgers muss sehr sorgfältig ablaufen. Soweit ein oder mehrere externe Dienstleister eingebunden werden, sollte für die Mandatsvergabe eine private Ausschreibung erfolgen.   Im Zentrum der reinen Beitragszusagen steht die Kapitalanlage. Ihr Erfolg bestimmt die Höhe der Versorgung. Wenn die Kapitalanlage und die Puffer möglichst flexibel gehandhabt werden, haben alle Beteiligten genügend Handlungsspielraum.

Äußerst wichtig ist auch die Kommunikation bei diesem bAV-Modell. Diese ist für die Akzeptanz und damit für den Erfolg des Sozialpartnermodells wesentlich. Die Sozialpartner sollten früh und klare Regeln für die gemeinsame Kommunikation festlegen.

Vertrauen der Bürger in den Sozialstaat in unsicheren Zeiten wichtig

Wie bedeutsam bei diesem sensiblen Thema die Kommunikation zwischen Bürger und Politiker ist, zeigte Arbeitsminister Hubertus Heil, der sich auf der Berliner Tagung auch für die Sozialpartnermodelle stark machte. Besonders in schwierigen und unsicheren Zeiten sei das Vertrauen der Bürger in den Sozialstaat und die diesbezüglichen Systeme wichtig. In seiner Rede in der Hessischen Landesvertretung wusste Heil wohl noch nichts von den Verdi-Aktivitäten, denn er betonte, dass es in der Praxis noch keine Sozialpartnermodelle gäbe, dies aber baldmöglichst geändert werden müsste. Sein Ziel sei auf jeden Fall noch in diesem Jahr. Verdi zeigt schon mal, wie es gehen kann.

Dabei warnte er auch, dass man solch wichtige Geschäftsmodelle keinen Scharlatanen überlassen dürfe, die nur die Ängste der Menschen schüren würden. Um sein Engagement für die Altersvorsorge der Menschen zu betonen, zitierte Heil aus einem Brief einer Bürgerin an ihn. Der Tenor in diesem: "Wir (Bürger) wollen nicht verwöhnt werden, sondern im Alter nur gut abgesichert sein. Das müsst Ihr doch in Berlin hinbekommen". Heil ist sich sicher, dass seine Partei diese Frau nicht enttäuschen wird, denn das "NATO-Prinzip - No action, talk only" dürfe nicht länger wirken.

Politik hat die richtigen Anreize geliefert

Sicher dürfe man sich jetzt nicht nur auf die Sozialpartnermodelle verlassen, aber "mehr als fünf bis sechs Jahre dürfen wir bei der betrieblichen Altersversorgung der Menschen nicht mehr warten". Die Politik hätte hier die richtigen Anreize gesetzt.

Wohl nicht alle Branchenkenner, die an der Tagung anwesend waren, sind genauso optimistisch wie Heil. So kommentierte ein Teilnehmer das Gesagte: "Ich beschäftigte mich schon lange mit dem Thema bAV. Aber leider hat sich in den vergangenen 20 Jahren im bAV-Sektor wenig verändert, vor allem für die Menschen aus dem Niedriglohnsektor hat sich viel zu wenig getan".

Wer ist der Eberbacher Kreis und welche Ziele verfolgt er?

Der Eberbacher Kreis wurde im September 2016 in Frankfurt gegründet. Er ist ein Zusammenschluss von Rechtsanwälten nationaler und internationaler wirtschaftsberatender Anwaltssozietäten, die vorrangig in der betrieblichen Altersversorgung aktiv sind. Das Ziel des nicht eingetragenen Vereins ist es, zu aktuellen Entwicklungen in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Praxis Stellung zu beziehen sowie Vorschläge zu unterbreiten, wie die bAV sich weiterentwickeln kann.

Der Kreis ist laut eigenen Angaben gemeinnützig und verfolgt keine wirtschaftlichen Interessen. Aktuell  gehören dem Eberbacher Kreis elf Personen an. Sprecher ist Marco Arteaga von DLA Piper.  

Autor(en): Meris Neininger

Zum Themenspecial "bAV"

 

Alle Branche News