Grenzen des Versicherungsverkaufs durch Banken

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Der Europäische Gerichtshof (EUGH) hat sich anhand eines italienischen Falls mit den Geschäftspraktiken von Kreditinstituten beim Vertrieb von Versicherungen befasst und Spielräume definiert – in verschiedene Richtungen hin.

Ausgangspunkt eines vom EUGH (Urteil vom 14.11.2024, Az. C-646/22, VersR 2025, 112-122) entschiedenen Falls war der Verkauf von Versicherungsprodukten durch die italienische Bank Compass Banca. Die Besonderheit dabei war, dass zusätzlich zu persönlichen Darlehen Versicherungen angeboten wurden, die nicht unbedingt für die Nutzung des Darlehens notwendig waren. Es gab zwar keinen Zwang zum Abschluss, aber zumindest wurde ein impliziter Druck gesehen.

Aggressive Geschäftspraktik behauptet

Die italienische Wettbewerbsaufsicht leitete jedenfalls 2018 ein Verfahren gegen die Bank ein. In einem Bescheid 2019 stellte sie fest, dass der Versicherungsverkauf „aggressiv“ und damit „unlauter“ erfolgt sei. Der Versicherungsverkauf wurde verboten und eine Geldbuße von 4,7 Millionen Euro verhängt.

Dagegen klagte die Bank und verlor. Das Revisionsgericht legte die Rechtssache den europäischen Richtern vor. Dabei ging es einerseits um das Wettbewerbsrecht auf Basis der Europäischen Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken, aber auch um eine Auslegung der Versicherungsvertriebsrichtlinie 2016/97 (IDD). Denn die sieht in ihrem Artikel 24 unter anderem vor, dass „Querverkäufe“, also der gleichzeitige Verkauf von Versicherungen und anderen Produkten, nur unter bestimmten Einschränkungen zulässig sind. Das betrifft besonders den Fall, dass Versicherungen nur ein Nebenprodukt sind. Dann muss der Vermittler dies dem Kunden darlegen und ihm anbieten, sein Produkt auch ohne die Versicherung zu erwerben. Deutschland hat die entsprechenden Regeln in den § 7a VVG übernommen.

Framing-Bias als impliziter Zwang zum Abschluss

Dem italienischen Berufungsgericht ging es um die Frage, ob eine solche Verkaufspraktik schon allen durch einen „Framing-Bias“ aggressiv und damit unlauter ist. Denn es bestehe die Gefahr, dass der Kreditnehmer in der Kreditvermittlung den Eindruck gewinnt, dass er den Kredit nur bekommt, wenn er auch die angebotene Versicherung abschließt.

Allerdings könnte einer solchen Einstufung der Art. 24 Abs. 3 IDD sogar entgegenstehen. Denn darin werden unter anderem Kreditdienstleistungen ausdrücklich von dem Gebot ausgenommen, solche Pakete dem Kunden zu erklären und ihm die freie Entscheidung gegen das Paket zu ermöglichen.

Banken dürfen Versicherungen anbieten

Der EUGH kommt zum Schluss, dass aus wettbewerbsrechtlicher Sicht „eine Geschäftspraxis, bei der einem Verbraucher gleichzeitig ein Angebot für ein persönliches Darlehen und ein Angebot auf ein nicht mit diesem Darlehen zusammenhängendes Versicherungsprodukt unterbreitet wird, weder eine unter allen Umständen aggressive Geschäftspraxis noch eine Geschäftspraxis“ sei, „die unter allen Umständen als unlauter anzusehen ist“.

Eine Bank darf also grundsätzlich auch verschiedenartige Versicherungen anbieten und vermitteln. Sie sollte eben nur nicht den Eindruck erwecken, als sei der Abschluss notwendig, um auch eine Kreditzusage zu bekommen.

Cooling off-Period zulässig?

Allerdings dürfte die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedslands durchaus eine Schutzmaßnahme gegen aggressive und damit unlautere Praktiken vorschreiben. Die kann grundsätzlich auch darin bestehen, dass der Versicherungsabschluss erst nach einer angemessenen, zum Beispiel siebentägigen, Bedenkzeit nach dem Kreditabschluss zulässig ist. Allerdings muss die Aufsicht prüfen, ob es auch mildere Mittel gibt, um das erwünschte Ziel zu erreichen.

Diese Bedenkzeit ist auch als Cooling off-Period im britischen Markt bekannt geworden und Jahre später in Deutschland übernommen worden. Dabei geht es allerdings um Restschuldversicherungen, die produktakzessorisch zum Kredit angeboten werden. Hier ist die Nähe zum Kredit so groß, dass der „Framing-Bias“ besonders ausgeprägt ist. Deshalb hatte die britische Aufsicht nach millionenfachen Falschberatungen mit einem viele Milliarden Britische Pfund teuren Schaden für Kreditnehmer eine Bedenkzeit verhängt, nach der erst eine Restschuldversicherung angeboten und abgeschlossen werden darf.

Deutschland hatte dies 2017 in Zusammenhang mit der Umsetzung der IDD ebenfalls als notwendig angesehen, zunächst aber als milderes Mittel eine erneute Belehrung des Kunden über seine Rechte unter anderem auf einen Rücktritt von der Restschuldversicherung mit Zeitabstand zum Kreditabschluss verlangt. Zum 1. Januar 2025 wurde das verschärft. Eine Bank darf jetzt erst eine Woche nach Abschluss eines Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags einen Antrag zur Restschuldversicherung aufnehmen, sonst ist diese Versicherung nichtig (§ 7 Abs. 5 VVG).

Nach Meinung des EUGH stellt Artikel 24 IDD keinen Hinderungsgrund für die Einführung einer Cooling off-Period dar. Im Gegenteil, in Absatz 7 wird ausdrücklich die Erlaubnis erteilt, national strengere Vorgaben vorzusehen, wenn es zu für die Verbraucher schädlichen Verkaufspraktiken kommt.

Wissensvorsprung nicht missbrauchen

Für den deutschen Versicherungsvertrieb durch Banken und Sparkassen bedeutet das, dass sie derzeit, abgesehen von Restschuldversicherungen, Versicherungen weiterhin anbieten und vermitteln dürfen. Sie sollten aber alles vermeiden, was als impliziter Zwang ausgelegt werden kann, dass eine Kreditvergabe von einem Versicherungsabschluss abhängig gemacht wird. So sollte nicht der Eindruck entstehen, dass zum Beispiel ein Autokredit vom Abschluss einer Autoversicherung oder ein Möbelkredit von einer über das Kreditinstitut abzuschließenden Hausratversicherung abhängen.

Diesen Eindruck könnten Kreditinstitute auch dadurch hervorrufen, dass sie auf „aggressive“ und damit unlautere Weise bei ihren Kunden durch Auswertung der eigenen oder sogar auch von Fremdkonten in Erfahrung bringen, welche Versicherungen sie wo und zu welchem Preis abgeschlossen haben und Gegenangebote unterbreiten, oder dass sie vermeintliche Versicherungslücken aufdecken und schließen wollen. Die technischen Möglichkeiten dazu gehen inzwischen dank auch der europäischen PSD2-Richtlinie weit. Das Fingerspitzengefühl im richtigen Umgang damit sollte ebenso gegeben sein.

Autor(en): Matthias Beenken

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