Langjährige Krankenversicherungsverträge schlechtzureden, um eine neue Abschlussprovision zu verdienen, ist keine gute Idee.
Was beispielsweise in der Kfz-Versicherung Normalfall ist, birgt bei lebenslänglich ausgelegten Versicherungsverträgen wie in der privaten Krankenversicherung besondere Fallstricke. Offenbar ist das manchen Versicherungsmaklern entweder nicht immer bewusst oder gleichgültig. Denn schon wieder (Versicherungsmagazin vom 15.4.2024) musste ein Makler von einem Gericht belehrt werden, was er dabei falsch gemacht hat.
Höhere Beitragsstabilität durch Versichererwechsel
In dem vom Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 26.6.2024, Az. 20 U 202/23, VersR 2025, 92-101) entschiedenen und sehr ausführlich begründeten Fall ging es um eine Schadenersatzklage eines Kunden im eigenen Namen und dem seiner Ehefrau gegen deren Versicherungsmakler. Der hatte 2018 die Versicherungen der Familie überprüft und dabei auch eine bereits seit 1997 bestehende Krankenversicherung für die Eheleute und ihre drei Kinder in den Fokus genommen. Diese wies zum Zeitpunkt der Beratung einen Monatsbeitrag von 1.255 Euro und eine Selbstbeteiligung von 20 Prozent auf.
Laut Beratungsprotokoll soll das Ziel gewesen sein, eine höhere Beitragsstabilität als beim bisherigen Krankenversicherer zu erreichen. Hauptargument des Maklers war, dass beim bisherigen Krankenversicherer mit weiteren Beitragssteigerungen über die in der Vergangenheit festgestellten hinaus zu rechnen sei.
Vorerkrankungen nicht angegeben
Empfohlen wurde der Wechsel zu einem anderen Krankenversicherer mit dann nur noch 1.089 Euro Monatsbeitrag inklusive einem Gesundheitsbonus sowie mit Selbstbeteiligungen von 1.000 Euro jährlich für ambulante Leistungen der Eltern sowie 20 Euro je Fall bei Leistungen für die Kinder.
Umgedeckt wurde zum 1.1.2019 und zu zwei verschiedenen Krankenversicherern, separat für die Eltern und die Kinder. Für die Kinder wurde ein Versicherer gewählt, bei dem schon eine Krankentagegeldversicherung der Eltern lief. Wichtig und auch vor Gericht nicht strittig war, dass die Ehefrau Vorerkrankungen bei der Aufnahme des Umdeckungsantrags verschwieg. Festgestellt wurde zudem später, dass die neue Krankenversicherung für die Eltern Deckungshöchstgrenzen für Zahnersatzleistungen enthielt, über die es weder eine mündliche noch eine schriftliche Aufklärung gab.
Das Unglück nahm seinen Lauf, als der Krankenversicherer der Eltern 2021 wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung der mitversicherten Ehefrau für diese den Rücktritt erklärte und offene Rechnungen nicht mehr übernahm. Die Frau wurde daraufhin bei einem anderen Krankenversicherer versichert, laut einer Tabelle mit Aufrechnungen für 1.014 Euro Monatsbeitrag nur für die Frau allein. Es fehlen in der Tabelle Beitragsangaben für die Versicherung der Kinder, aber auf jeden Fall dürfte die Gesamtbeitragsbelastung dieser Familie am Ende weit oberhalb der früheren gelegen haben.
Aktuelle und künftige Schäden geltend gemacht
Der Kläger machte insgesamt 13.578,88 Euro an Schadenersatzforderungen geltend. Diese setzten sich aus Mehrkosten für die zwischenzeitliche gemeinsame neue Krankenversicherung der Eltern bis zum Rücktritt für die Ehefrau, Mehrkosten bei der letztlich gewählten Versicherung der Ehefrau und die nicht übernommenen Behandlungskosten von alleine rund 10.285 Euro zusammen. Zudem sollten auch künftige Schäden per Feststellungsklage dem Makler angelastet werden.
In der ersten Instanz hatte der Kläger zumindest mit der Feststellungsklage Erfolg. Die wechselseitig eingelegten Berufungen waren nur zu kleinen Teilen erfolgreich.
Die Forderung von 13.578,88 Euro war nicht erfolgreich, weil der Kläger nach Ansicht des Gerichts diese nicht schlüssig dargelegt hatte. Grundsätzlich muss ein Makler nach der sogenannten Differenzhypothese für den Unterschied aufkommen, der sich im Vermögen des Klägers nach seinem Fehlverhalten ergibt. Dabei müssen nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile der durchgeführten Veränderung berücksichtigt werden. Eine Rosinenpicken der für den Kläger günstigen Umstände, eine Vermögensverschlechterung zu behaupten, reicht also nicht.
Tarifwechsel-Möglichkeit nicht geprüft
Dagegen stellt das Berufungsgericht fest, dass der Versicherungsmakler sich tatsächlich grundsätzlich schadenersatzpflichtig gemacht hat. Die Feststellungsklage war insofern erfolgreich. Denn ein Makler muss bei einer Umdeckung besondere Sorgfalt walten lassen, zumal „in einem existenziell bedeutsamen Bereich“ wie der Krankenversicherung. Das hat er nicht getan.
Insbesondere hat es der Makler versäumt, dem Kunden zunächst die Möglichkeit eines Tarifwechsels innerhalb des bestehenden Krankenversicherers zu prüfen, um die Alterungsrückstellungen nicht zu verlieren. Zwar hatte er pauschal auf einen solchen Verlust hingewiesen, aber nicht näher dargelegt, was das konkret in Zahlen bedeutet. Bei einer so alten Krankenversicherung war ein Komplettverlust der Alterungsrückstellungen gegeben.
Auch hätte der Makler sorgsam mit dem Thema Vorerkrankungen umgehen und unter Umständen von einem Versichererwechsel abraten. Vor allem hätte er auf die Folgen einer falschen Beantwortung der Gesundheitsfragen hinweisen müssen. Im Gegenteil hatte der Makler diese Fragen wohl sogar „mit bagatellisierenden und sinnverschiebenden mündlichen Zusätzen versehen“, was das Risiko einer Falschbeantwortung erhöht habe. Das Gericht ließ sich auch nicht davon überzeugen, dass es sich bei den Kunden um Ärzte handelte, denen der Makler genügend Knowhow für eine korrekte Beantwortung von Gesundheitsfragen zutrauen müsse. Denn bei der Beantwortung von Fragen zu einem Versicherungsantrag geht es zunächst um versicherungsrechtliche Zusammenhänge, in denen keine besondere Sachkunde der Kunden zu erwarten war.
Ein weiterer Fehler der Maklers war nach Ansicht des Berufungsgerichts, dass er den Leistungsnachteil in der neuen Krankenversicherung bei Zahnersatz nicht erwähnt hatte. Dabei kam es der Ehefrau gerade auf diese für den Makler erkennbar besonders an.
Das kann teuer werden
Im Ergebnis wurde damit festgestellt, dass der Makler für künftige Mehrbelastungen aufkommen muss, die sich aus einem Vergleich der Beitrags- und der Leistungsentwicklung der neuen Krankenversicherungen zum Altvertrag für die Eheleute errechnen lassen. Entwickeln sich also die neuen Verträge schlechter als der Altvertrag, bei dem die Alterungsrückstellungen eine dämpfende Wirkung entfaltet hätten, muss der Makler die Differenz tragen.
Das Urteil belegt wieder einmal, dass Umdeckungen höchst problematisch sind und jedenfalls in der Krankenversicherung oft keinen Sinn machen. Gerade ein Versicherungsmakler muss als treuhänderischer Sachwalter sehr sorgfältig die Interessen der umdeckenden Kunden wahren und sie notfalls von Fehlentscheidungen abhalten.
Autor(en): Matthias Beenken