Gothaer Maklersymposium 2010: Starke Worte, eindeutige Positionen, klare Forderungen

Die Meldung kam am Mittwoch für viele überraschend: Die Finanzaufsicht BaFin verbietet ungedeckte Leerverkäufe in Aktien und Staatsanleihen aus Euro-Ländern. Schon einen Tag zuvor war dies auch ein heiß diskutiertes Thema auf dem "Gothaer Maklersymposium 2010" in Bensberg, Bergisch-Gladbach.

Dort prangerte auch Jürgen Meisch, Finanzvorstand des Gothaer Konzerns, die Praktiken von Spekulanten und Investmentbanken als untragbar an, Leerverkäufe oder auch Credit Default Swaps zu tätigen und gegen Europa zu wetten. Meischs klare Ansage: "Eine umfassende Marktregulierung ist alternativlos und durch ein Verbot der ungedeckten Leerverkäufe wäre weitaus weniger Volatilität im Markt".

Auch zum Thema "Inflation" bezog der Versicherungsexperte eine eindeutige Stellung: "Inflation gibt es bereits und zwar in den Kapitalanlagen. Das heißt, wir haben zwar noch keine Güterpreis-Inflation, aber eine Vermögenspreis-Inflation". Darüber hinaus traut er empirischen Studien, die belegten, dass wenn viele Menschen an eine kommenden Inflation glaubten, diese auch käme.

Industrialisierung der Branche wird sich fortsetzen
Sein Ausblick in die Zukunft und für die Zeit nach der Krise gestaltete sich ernüchternd: So geht er davon aus, dass große Konzerne zu Lasten von kleinen Unternehmen Marktanteile gewinnen werden, aber gleichzeitig ein organisches Wachstum in der Branche unwahrscheinlich wird. Dagegen glaubt er an die fortschreitende Industrialisierung der Branche, die Fortsetzung der Re-Regulierung und dass die Schaden- und Unfallversicherung der Träger von Profitabilität ist, die Lebensparte dagegen in erster Linie Eigenkapital-Kosten verursache. Tenor Meisch: "Sie ist zwar wichtig für die Vertriebsfinanzierung, aber bei ihr bleibt nicht viel hängen".

Honorarberatung stört Beziehung zwischen Makler und Versicherer
Auch Dr. Werner Görg, Konzernvorstand der Gothaer, gestand ein, dass die momentane Kapitalmarktentwicklung beunruhigend sei, aber er zeigte sich gleichzeitig auch optimistisch, dass diese sich wieder beruhigen werde. Doch Versicherungsbranche und Makler müssten nicht nur mit finanzmarktpolitischen Umwälzungen zurechtkommen, sondern auch der Konkurrenzkampf innerhalb der Maklerschaft nähme verstärkt zu. So griffen Großmakler wie Marsh und Co. zunehmend mittelständische Makler an und gefährdeten deren Existenz. Ein Problem, das die Zukunft der Branche kennzeichnen werde.

Ein weiteres Problem sieht Görg in der Honorarberatung. Zivilrechtlich sei sie zwar erlaubt, aber umsatzsteuerrechtlich problematisch. Der Grund: Sie könne nicht wirksam vereinbart werden. Wie bei Architekten und Ingenieuren müssten Honorartabellen vorliegen, aber die Summe aller potenziellen Dienstleistungen eines Maklers könnten überhaupt nicht genau festgelegt werden. Görg knapp: "Die Honorarberatung stört nur die Arbeitsbeziehung zwischen Makler und Versicherer".

Skeptisch sieht der Gothaer-Chef auch die gegenwärtige Komplexität der Beratungsleistung. Diese Leistung könne künftig nicht mehr nur von einer Person getragen werden, dafür sei und werde sie immer komplexer. Mit anderen Worten: Das bis dato bekannte Cross-Selling-Geschäft ist künftig nicht mehr möglich. Das Ziel einer differenzierteren Beratung sei die Erhöhung des Kundenwertes, in deren Folge eine Abwerbung durch Mitbewerber weitaus schwieriger werde.

Der Exportweltmeister muss sich zum Importweltmeister mausern
Dr. Frank Augsten, Chefvolkswirt der Gothaer Asset Management AG, beleuchtete die volkswirtschaftlichen Hintergründe einer Kapitalmarktstrategie. Seine Grundpositionen: Die deutsche Wirtschaft wächst schneller als die europäische, Deutschland besitzt eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und kann in der Folge vom Aufschwung Asiens profitieren. Dennoch finde eine konjunkturelle Erholung auf den Finanzmärkten nicht statt, die Renditen seien trotzdem im Keller. Diese Situation sei sehr ungewöhnlich. Ein möglicher Grund: Flucht in Sicherheit, das heißt in sichere Anleihen.

Auch eine Inflation löse das Schuldenproblem seines Erachtens nur kurzfristig, nur der Abbau des Primärdefizites wäre hilfreich. Auch der begonnene Kauf von Staatsschuldpapieren durch die EZB sei nicht sonderlich sinnvoll, da deren Abhängigkeit vom Kapitalmarkt zunähme und somit ein erhöhtes Inflationsrisiko entstehe. Das anscheinendes Ziel der EZB liege bei zwei Prozent, doch Augsten ist sich sicher, dass wir in den nächsten Jahren deutlich höhere Inflationsraten sehen werden.

Seine Einschätzung der nahen Zukunft: Der konjunkturelle Aufschwung werde nicht abbrechen, die Renditen werden wieder steigen. Und: Der Exportweltmeister Deutschland müsse künftig Importweltmeister werden, auch im Kapitalbereich. Denn: "Es bringt nichts, nur Leistungsüberschüsse zu produzieren, Werte müssen auch wieder zurückgeholt werden".

Lesen Sie auch in der Juli-Ausgabe von Versicherungsmagazin ein Interview mit dem Gothaer Vorstandsvorsitzenden Görg.

Autor(en): Meris Neininger, versicherungsmagazin.de

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