Gothaer: Ausstieg aus klassischer Lebensversicherung

Die klassische Lebensversicherung ist für die Gothaer kein Vertriebsschwerpunkt mehr. "Unsere Produktpalette konzentriert sich künftig auf Biometrieprodukte, Fondspolicen und die betriebliche Altersversorgung", sagte Werner Görg, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Versicherung bei der Vorstellung des Jahresabschlusses 2010.

Franzosen machen bessere Lobbyarbeit
Nach seiner Einschätzung ist es unter Solvceny II eine "sehr sportliche" Veranstaltung weiterhin als Versicherer das Kapitalanlagerisiko zu verwalten. Görg kritisierte, dass unter Solvency II die deutschen Versicherer für europäischen Aktienbesitz mit 30 Prozent, außereuropäischen Aktienbesitz mit 40 Prozent und Immobilienbesitz mit 25 Prozent Eigenkapitalhinterlegung "bestraft" würden. Das würde zu Absterben ganzer Produktbereiche führen. Viele Lebensversicherer müssten dann möglicherweise ihr Neugeschäft einstellen, warnte Görg. Aktienunternehmen wären davon aber noch eher betroffen als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Hier müsse eine politische Diskussion angestoßen werden. So hätten es beispielsweise französische Versicherer erreicht, dass für ihr Aktieninvestment eine Sonderregelung gelte.

Bewusst hat die Gothaer 2010 auf Beitragseinahmen in der Lebensversicherung verzichtet, weil kaum Verträge mit Einmalbeiträgen angenommen wurden. Grundsätzlich wurden keine Kapitalisierungsprodukte verkauft und auch aufgeschobene Renten, die eindeutig nicht als Altersvorsorge gekauft werden sollten, hat das Unternehmen nicht in die Bücher genommen. Dadurch sei es bewusst zu einem Rückgang der gebuchten Bruttobeiträge gekommen, die von 4,249 Milliarden Euro auf 4,002 Milliarden Euro gesunken sind. Trotzdem konnte der Jahresüberschuss um sieben Prozent auf 82 Millionen Euro gesteigert werden. Die Sparte Schaden/Unfall wuchs um 1,2 Prozent und Kranken sogar um 7,3 Prozent. Besonders erfolgreich ist das Unternehmen im betrieblichen Gesundheitsschutz. Hier konnten Kollektivverträge um 8,6 Prozent gesteigert werden. Das Einzelgeschäft stieg hingegen nur um 5,3 Prozent.


Internationales Engagement
Mit rund 630 Millionen Euro engagiert sich die Gothaer im internationalen Versicherungsgeschäft. "Es wird immer wichtiger, die Kunden weltweit zu begleiten", erläuterte Görg. Risiken würden dabei aber genau unter die Lupe genommen. Nordamerikanische Haftpflichtrisiken oder deutsche Krankenhäuser würden nicht gezeichnet. An griechischen Anleihen hält die Gothaer 97 Millionen Euro. Das Unternehmen ist aber fest überzeugt, dass es eine Rettung für Griechenland geben werde. Verstärkt wird die Gothaer 2011 sich international im Bereich erneuerbare Energien engagieren. Derzeit ist der Versicherer in 27 Ländern in den Bereichen Solar-, Biogas- und Windenergie aktiv. In sieben Ländern ist die Gothaer Marktführer. "Die politische Entwicklung in Deutschland dürfte hier noch zu einem weiteren Schub führen", so Görg. Bei Windenergieanlagen warnte er vor hohem Aufwand durch Fundament-Schäden. "Diese Schäden machen mehr als die Hälfte des Risikos aus", so Görg. Grundsätzlich müsse aber immer genau geprüft werden, ob es sich um einen Konstruktionsfehler oder um einen versicherten Schaden handele. Noch problematischer sieht der Gothaer-Chef daher den Schutz von Windenergieanlage im Meer an. Unter Wasser würden sich die Fundamentprobleme potenzieren. Bisher hat der Versicherer daher noch keinen Off-Shore-Anlagen versichert.

Hinsichtlich eines Vertriebsskandals bei einem Konkurrenzversicherer, der ruhende Lebensversicherung in Unfallpolicen mit Beitragsrückgewähr umgedeckt hatte, betonte Görg, dass es solche Aktionen zu Ungunsten der Kunden bei der Gothaer niemals gegeben habe. Auch an unterjährigen Flottenkündigungen sei man nicht beteiligt. 2010 konnte das Unternehmen in der Autoversicherung unter dem Strich 11.000 Kunden gewinnen.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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