Gibt es zu viele Vermittler?

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Die europäischen Vermittlerverbände haben die Anzahl der Vertreter und Makler in den Mitgliedsländern erhoben. Wie Deutschland im Vergleich zu den Nachbarn abschneidet.

Schon oft wurde bemängelt, dass Deutschland zu viele Vermittler hat. Beispielsweise behauptete eine Studie für das Verbraucherschutzministerium vor einigen Jahren, dass die im Vergleich zu Europa außerordentlich hohe Vermittlerdichte für Qualitätsmängel verantwortlich sei. Normalerweise argumentieren Ökonomen anders und schreiben dem Wettbewerb eine qualitätsfördernde Wirkung zu.

Vermittlerzahlen schwer zu vergleichen

Nun hat der Dachverband der europäischen Vermittlerverbände, das Bureau international des producteurs d'assurances et de réassurances (BIPAR), aktuelle Zahlen ermittelt. Dazu fragte BIPAR die nationalen Vermittlerverbände ab, konnte aber nicht für alle Länder und auch nicht immer aktuelle Daten erhalten, sondern zum Teil stammen sie von 2014 oder 2015, zum Teil aktuell von 2016. „Es scheint in manchen Ländern sehr schwierig zu sein, korrekte Daten zu erhalten“, so das Sekretariat einleitend. Außerdem sei es sehr schwierig, die Angaben zu vergleichen. Man wolle nur "ein allgemeines 'Gefühl' für die Situation" geben.

Das Hauptproblem ist, dass trotz aller Vereinheitlichung über die EU-Vermittlerrichtlinie Vermittler in den einzelnen Ländern nicht gleichermaßen definiert und registriert werden. Beispielsweise erfasst Deutschland relativ akribisch viele nebenberufliche Vermittlerformen. Außerdem werden Untervermittler einzeln gezählt, sofern sie als Gewerbetreibende gelten. Das führt zu einer formal hohen Zahl von fast 240.000 Vermittlern, ein regelmäßiger Anlass für kritische Diskussionen.

Zwangsvorsorge bedeutet weniger Vermittler
In vielen europäischen Ländern spielt der Vertrieb über Vertreter und über klassische Makler längst nicht eine so bedeutende Rolle wie unter anderem in Deutschland. Vielfach werden Versicherungen über Banken, Sparkassen, Postschalter und andere Wege verkauft. Gerade in der Altersvorsorge gibt es in einigen Ländern eine pflichtweise Aufnahme in die betriebliche Altersvorsorge, was den Bedarf an Verkauf von freiwilliger, privater Vorsorge drastisch senkt.

Ein gutes Beispiel dafür sind die Niederlande, in denen der durchschnittliche Arbeitnehmer im Alter genauso gut versorgt ist wie im Erwerbsleben und keinen Bedarf an zusätzlicher Vorsorge verspürt - sofern er nicht ausnahmsweise aktiv die betriebliche Altersvorsorge abgewählt hat (Opt-out). Hinzu kommt der Versicherungszwang in einer einheitlich über gesetzliche Krankenkassen wie private Krankenversicherer angebotene Krankenpflichtversicherung - auch hier fehlt der Bedarf an Beratung und Verkauf durch Vermittler.

Einige Länder haben weitaus mehr Vermittler
Aber selbst so ist die Zahl der Versicherungsvermittler in Deutschland im europäischen Vergleich keineswegs herausragend hoch, wenn man nicht nur auf die absolute Zahl sieht. Denn bezogen auf die Einwohnerzahl weisen Luxemburg (0,5 Millionen Einwohner) und Tschechien (10,5 Millionen Einwohner) rund die fünf- bis sechsfache Vermittlerzahl auf.

Deutlich mehr Vermittler je 100.000 Einwohner haben außerdem Rumänien (20 Millionen Einwohner), Litauen (drei Millionen Einwohner) und Slowakei (5,4 Millionen Einwohner). Gleich viel sind es in Ungarn (9,9 Millionen Einwohner), nur geringfügig weniger sind es in Italien (59,9 Millionen Einwohner), Polen (38,5 Millionen Einwohner) sowie Spanien (47 Millionen Einwohner).

Staatlich finanzierte Robo-Berater müssen es richten
Ganze 19 Vermittler pro 100.000 Einwohner weist Großbritannien auf (Deutschland: 287). Da ist zu verstehen, dass mittlerweile sogar schon die Finanzaufsicht und das Finanzministerium mit staatlich finanzierter Roboterberatung gegen die Beratungslücke angehen wollen. Pikant daran ist, dass die Behörden vorher ein jahrelanges Vermittlersterben durch massive Regulierung begleitet haben - ausgelöst durch Vertriebsskandale, die vor allem Banken und Großvertrieben zuzuschreiben waren (siehe Versicherungsmagazin vom und vom ).

Sehr geringe Quoten weisen ansonsten auch die Niederlande und Estland auf (jeweils 0,1 Vermittler je 100.000 Einwohner), gefolgt von Irland, Finnland, Frankreich, Belgien und Malta (jeweils maximal 0,4 Vermittler je 100.000 Einwohner).


Autor(en): Matthias Beenken

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