Gewerbekunden müssen mit einem regelrechten Prämienschock in 2023 rechnen. So dürfte die Inhaltsversicherung, die Waren, Vorräte und Betriebseinrichtungen schützt, 2023 um einen zweistelligen Prozentsatz teurer werden. Grund ist der Erzeugerpreisindex. „Wir rechnen damit, dass die dynamische Summenanpassung um 40 bis 50 Prozent steigt“, sagte Christian Buschkotte von Online-Versicherer Andsafe auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Finanzchef 24 anlässlich der Vorstellung des dritten Teils des „Reports Gewerbeversicherung 2022“.
Große Erhöhungsspanne
Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im September 2022 um 45,8 Prozent höher als im September 2021. Dies teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am 20. Oktober 2022 mit. Nach Informationen von Versicherungsmagazin liegt der Anpassungsfaktor für die Inhaltsversicherung bei rund 43 Prozent. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verweist aber in seiner unverbindlichen Empfehlung darauf, dass der Anpassungsfaktor ohne die Steigerung der Energiekosten nur bei rund 14 Prozent liegt.
Laut Andsafe ist es nun jedem Versicherer selbst überlassen, in welchem Umfang er von der dynamischen Anpassung der Summen und Prämien Gebrauch macht. Eine volle Erhöhung würde in der Regel zu viel zu hohen Summen führen. Buschkotte schätzt, dass mehr als 70 Prozent aller Inhaltsversicherungen eine Anpassungsklausel für die dynamische Summenanpassung enthalten. Betroffene Unternehmen müssen die Anpassung hinnehmen. Ein Sonderkündigungsrecht gibt es nicht. Sie können erst regulär zur Hauptfälligkeit aus dem Vertrag aussteigen.
Diese liegt bei vielen Verträgen aber am Jahresanfang. Und da es in der gewerblichen Inhaltsversicherung in der Regel eine Kündigungsfrist von drei Monaten gibt, müssen wohl die meisten Kleinunternehmen die höheren Prämien zumindest bis zum 30. September 2023 schlucken. Ansafe selbst hat keine dynamische Erhöhung mit den Kunden vereinbart und will die Kunden nun hinsichtlich höherer Summen anschreiben. Unternehmen, die die Anpassungsklauseln in ihrer Police vereinbart haben, könnten der Summenerhöhung widersprechen. „Dann entfällt aber der Unterversicherungsverzicht“, warnte Buschkotte.
Auf Versicherungsmakler kommt enormer Beratungsbedarf zu
Gewerbekunden müssen nach Einschätzung von Experten mit weiteren erheblichen Beitragsanpassungen rechnen. Das gilt laut Eileen Billerbeck aus Hannover, Jochen Brenner von Südwest Ring aus Weingarten, Andreas Vollmer von Hasenclever aus Bielefeld oder Johannes Brück aus Düsseldorf auch für die Flottenversicherung und die Betriebsgebäudeversicherung. Für die Gebäudeversicherung, die ebenfalls eine dynamische Anpassung der Summen vorsieht, liegt der Anpassungsfaktor laut GDV bei rund 15 Prozent.
Auf Versicherungsmakler kommt nun ein enormer Beratungsbedarf zu. Das ist auch das Fazit, dass Payam Rezvanian, Geschäftsführer von Finanzchef 24, aus dem aktuellen Gewerbereport zieht. Denn die Unternehmer würden sich der Krise stellen und ihre Geschäftsmodelle aktiv ändern. Zwar würden viele Selbstständige angesichts explodierender Betriebskosten, nachlassender Kaufkraft und der nächsten zu erwartenden Corona- Pandemiewelle voller Sorgen in die Zukunft blicken.
Selbstständige bleiben angesichts drohender Rezession nicht tatenlos
Andsafe stellt bereits fest, dass der Anteil der Neugründer bei den Neukunden geringer wird. Gleichzeitig bleiben die schon eingesessenen Selbstständigen angesichts der drohenden Rezession nicht tatenlos. „Das führt ganz schnell zu einer neuen Risikosituation“, warnte Rezvanian. Als Beispiel wurde der Dachdecker genannt, der nun zusätzlich Photovoltaik-Anlagen installiert. Zudem berichten Finanzchef24-Kunden von einem deutlich gestiegenen Diebstahlrisiko auf Baustellen. „Es werden bei uns auch mehr Vergleiche gerechnet“, so Rezvanian. Wie sich das in mehr Kunden umsetzt, kann der Online-Makler aber erst nach dem Jahresendgeschäft mitteilen.
Risiko der Insolvenz steigt
Die Stimmung bei den 654 befragten Unternehmen sei branchenabhängig unterschiedlich. Viele kleine Unternehmer und Unternehmerinnen eine allerdings eine neue Entschlossenheit und Agilität, nachdem sie sich von der Regierung während der Corona-Krise kaum gesehen oder alleingelassen gefühlt haben. „So schaut immerhin gut die Hälfte optimistisch auf die Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten, so Rezvanian. Die Inflation ist für die Unternehmer das wichtigste geschäftsbestimmende Thema in den nächsten zwölf Monaten.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek