GDV: Klare Forderungen an die neue Regierung

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Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) hat zu fünf Themenfeldern Position bezogen und dafür kurz vor der Bundestagswahl klare Forderungskataloge gegenüber der Politik aufgestellt. Dabei zeigt sich Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), überzeugt, dass 2025 politisch ein „entscheidendes Jahr“ wird, in dem dringend notwendige Reformen umgesetzt werden müssten. Die vom GDV benannten Themen sind: Altersvorsorge, Bürokratieabbau, Digitalisierung, Naturgefahren und Steuern.

Stichwort Altersvorsorge:
Nach Ansicht des GDV sollte die Entscheidung zur privaten Altersvorsorge (pAV) freiwillig bleiben. Und als Ergänzung zur ersten Säule müsse die pAV in privater Hand bleiben. Eine Reform sollte das Fördersystem vereinfachen und es auch für Selbstständige zugänglich machen. Höhere Renditechancen und eine lebenslange Absicherung seien entscheidend für ein gutes Leben im Alter. Besonders für Menschen mit geringem Einkommen sei diese Form der Altersvorsorge wichtig.

Der GDV ist fest davon überzeugt, dass auch die bAV weiter gestärkt werden und ihre Verbreitung erhöht werden muss. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen(KMU) benötigen mehr Flexibilität, auch unabhängig von Tarifverträgen. Arbeitgeber sollten die Möglichkeit haben, alle Beschäftigten automatisch in die bAV einzubeziehen, es sei denn, diese widersprechen. Eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss sei nicht nötig.

Stichwort Bürokratieabbau:
Nach Maßgabe des GDV ist es für die kommende Regierung entscheidend, spürbare Fortschritte beim Bürokratieabbau zu erreichen, insbesondere durch den Einsatz für eine vereinfachte EU-Regulierung. Dabei sollte sich Deutschland in der EU für eine Konsolidierung von Rechtsakten und eine deutliche Reduzierung der Berichts- und Dokumentationspflichten stark machen. Ein gezielter Bürokratieabbau sei ein entscheidender Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzsystems zu stärken und den Innovationsfreiraum zu fördern. Rollinger kommentierte die Situation so: „Die Regulierung überholt sich derzeit selbst. Sie ist der helle Wahnsinn!“ Und am Ende führe dieser Bürokratiewahnsinn nur dazu, dass die Kundinnen und Kunden die leidtragenden wären.

Stichwort Naturgefahren:
Damit Schäden durch Überschwemmungen, Starkregen, Stürme und Hagel auch künftig versicherbar bleiben, muss die kommende Regierung die Weichen für nachhaltig wirksame Präventionsmaßnahmen gestellt werden, so der GDV. Eine Pflichtversicherung, die lediglich die Zahl versicherter Schäden erhöhe, sei nicht die richtige Lösung, wenn Schäden gleichzeitig häufiger und heftiger werden, so die Position des Verbandes.

Um langfristig eine privatwirtschaftliche Absicherung zu bezahlbaren Prämien zu gewährleisten, sind nach GDV-Ansicht unter anderem folgende Maßnahmen notwendig: Eine Kombination aus Absicherung gegen Schäden, Prävention, Sensibilisierung und Information sowie einer Beteiligung des Staates für einen Fall von katastrophalen Ausmaßen.  Zudem sollte das Baurecht angepasst werden. Das würde vor allem bedeuten: Bauen in Überschwemmungsgebieten sollte verboten werden. Asmussen dazu: „Viele europäischen Länder sind hier oft viel weiter als wir. Wir sollten überlegen, was wir von diesen übernehmen können, was nicht.“ Besonders Großbritannien sei hier ein interessantes Beispiel, bei dem auch auf Freiwilligkeit gesetzt werde. „Wir müssen hier mit dem Staat gute Rahmenbedingungen schaffen, um am Ende vernünftige bezahlbare Konzepte zu bekommen“. 

Stichwort Steuern:
Wie kann Deutschland wieder international wettbewerbsfähig werden und Arbeitsplätze sowie Wohlstand erhalten? Auch hier hat sich der Verband so seine Gedanken gemacht. Feststeht für den Verband:  Es bedarf keiner umfassenden Unternehmenssteuerreform. Schon gezielte, kleinere Maßnahmen können positive Impulse setzen und die finanzielle Belastung begrenzen. Eine klare, übersichtliche Steuergesetzgebung müsse das Ziel sein. Und wie soll das funktionieren? Durch „Decluttering“, das ist das konsequente Aufräumen von Steuergesetzen.

Dazu gehört unter anderem

  1. Unternehmenssteuerbelastung überprüfen:
    Sie ist nach Einschätzung des Verbandes im internationalen Vergleich zu hoch. Ein positives Signal wäre die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages.
  2. Meldepflichten reduzieren:
    Die Vielzahl der Meldepflichten sollte laut GDV spürbar gesenkt werden.
  3. Umsatzsteuerorganschaft modernisieren:
    Diese, auch für die Versicherungswirtschaft wichtige Regelung, soll unbedingt zukunftssicher ausgestaltet werden.

Stichwort Digitalisierung:
Nach Ansicht des GDV muss eine bundesweit einheitlichen Datenschutzaufsicht und eine klare Behördenstruktur für die KI-Verordnung geschaffen werden. Die Zersplitterung der Aufsicht muss ihrer Ansicht nach ein Ende finden. Alle KI-Anwendungen der Versicherungswirtschaft sollten unter die Aufsicht der BaFin fallen. Um wichtige Innovation nicht auszubremsen, sollten neben der KI-Verordnung keine zusätzlichen Anforderungen für die Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen in Deutschland gestellt werden.

Auch um die Cyber-Resilienz zu stärken, wünscht sich der GDV eine zentrale Behörde, möglichst im Bereich des Bundesministeriums des Innern, die ein Expertengremium einrichten kann, um kumulative Angriffe auf die Wirtschaft verbindlich festzustellen und sie nach Art (kriminell, terroristisch oder fremdstaatlich) einzuordnen. Hier fordert der GDV-Präsident Norbert Rollinger: „Wir müssen unsere Widerstandsfähigkeit gegen Cyber-Risiken stärken, vor allem, weil Cyber-Kriminelle immer brutaler vorgehen. Es müssen Notfallpläne erstellt werden, damit uns Cyber-Angriffe nicht unvorbereitet treffen.“ Problematisch sei, dass durch Cyber-Angriffe sensible Lieferketten unterbrochen würden und in deren Folge verheerende wirtschaftliche Schäden entstünden. Als kritisch betrachtet Rollinger auch, dass die Zahl der Cyberversicherungs-Abschlüsse nur noch sehr langsam wachse, vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen. Diese seien in jüngster Zeit nur noch einstellig gewachsen.

Das Fazit von Jörg Asmussen, GDV-Hauptgeschäftsführer, zu den kommenden Aufgaben der neuen Regierung lautet: „Deutschland braucht eine handlungsfähige und entschlossene Regierung, die diese Aufgaben kraftvoll angeht und Bürgerinnen und Bürger dabei mitnimmt. Denn wir sind sicher: Deutschland kann es besser. Die Versicherer stehen bereit, dabei mitzuwirken.

FIDA - eine verpasste Chance?

Ein Thema beschäftigt die Versicherungsbranche aktuell besonders, so auch den GDV. Schon die Branchenverbände BVK und AfW haben in den letzten Tage hierzu klar Stellung bezogen. 
FIDA
sehen Jörg Asmussen und Norbert Rollinger als „verpasste Chance“. O-Ton Asmussen: „Das hätte man sein lassen können“, besonders da es keine konkreten Vorschläge für Geschäftsmodelle gebe und eine richtige Nutzung nicht erkennbar sei.

Hintergrundinformationen:
Im Juni 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission (EK) einen Vorschlag für eine neue Verordnung über ein Framework für den Zugang zu Finanzdaten (FIDA) / Financial Data Access. Das EU-Rahmenwerk für den Zugang zu Finanzdaten ist eine Sammlung von Regeln und Vorschriften, die in der Europäischen Union eingeführt wurden, um sicherzustellen, dass Menschen und Unternehmen leicht auf wichtige Finanzinformationen zugreifen können. Das Ziel ist es, Transparenz zu schaffen und den Zugang zu Finanzdaten zu erleichtern, damit Verbraucher und Unternehmen informierte Entscheidungen treffen können.

Das Rahmenwerk legt fest, wie Finanzdaten gesammelt, gespeichert und geteilt werden dürfen, um sicherzustellen, dass sie sicher und vertraulich bleiben. Es beinhaltet auch Regeln, die sicherstellen, dass Finanzdaten für verschiedene Zwecke verwendet werden können, wie für die bessere Beratung oder Analyse von Trends.

Diese Neuerung soll Versicherern helfen, Kundenbeziehungen zu vertiefen und personalisierte Produkte sowie Dienstleistungen anzubieten. Außerdem soll durch den „Open Finance-Raum“ eine erhöhte Transparenz geschaffen werden, was ein verbessertes Betrugsmanagement sowie eine effizientere Schadenbearbeitung und in der Folge ein gesteigertes Kundenvertrauen mit sich bringen soll.

Die FiDA-Verordnung kann aber für die Dateninhaber, wie Versicherungsunternehmen, auch problematisch sein. Denn die Versicherer müssen aufwändige Vorbereitungen treffen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Besonders den Zeitpunkt für das FIDA-Vorhaben erachtet Asmussen als ungeschickt. Seiner Ansicht nach sollte der Anwendungszeitpunkt besser nach hinten geschoben werden, besonders da nahezu zeitgleich andere Anforderungen an die Branche gestellt würden. So in erster Linie DORA, das seit dem 17. Januar 2025 umzusetzen ist. 

Hintergrundinformationen:
Der Digital Operational Resilience Act (DORA) ist eine EU-Verordnung, die am 16. Januar 2023 in Kraft getreten ist und ab dem 17. Januar 2025 gilt. Laut Aussage der EIOPA ist es das Ziel von DORA, die IT-Sicherheit von Finanzinstituten wie Banken, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen zu stärken und dafür zu sorgen, dass der Finanzsektor in Europa im Falle einer schwerwiegenden Betriebsstörung widerstandsfähig bleibt. DORA führt eine Harmonisierung der Vorschriften zur operativen Belastbarkeit des Finanzsektors durch und gilt für 20 verschiedene Arten von Finanzunternehmen und externen IKT-Dienstleistern.

Außerdem würde demnächst das Gesetz zur Regulierung der Künstlichen Intelligenz (KI) weitere Anforderungen an die Unternehmen stellen, die Zeit und vor allem enorme IT-Kapazitäten binden würden.
 

Hintergrund:
Das Europäische Parlament will sicherstellen, dass die in der EU eingesetzten KI-Systeme sicher, transparent, nachvollziehbar, nicht diskriminierend und umweltfreundlich sind. KI-Systeme sollten von Menschen und nicht von der Automatisierung überwacht werden, um schädliche Ergebnisse zu verhindern. Das Parlament möchte außerdem eine technologieneutrale, einheitliche Definition für KI festlegen, die auf künftige KI-Systeme angewendet werden könnte.

Auch der Umstand, dass Daten in Echtzeit darzustellen seien, würde alle betroffenen Unternehmen vollkommen überfordern. Das sei ein Problem und darum „bezweifeln wir den Nutzen dieser neuen Anforderung", so die kritische Ansage von Asmussen.

Autor(en): Meris Neininger

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