Gleich im neuen Jahr hat Allianz-Chef Oliver Bäte mit zwei Statements die öffentliche Meinung aufgeschreckt. Der Vorschlag, die Lohnfortzahlung ab dem ersten Tag zu streichen, führte zu medialer Empörung aus fast allen Ecken. Sein zweites Statement zur Bezahlbarkeit von Versicherungsbeiträgen blieb dagegen fast unbemerkt.
Das Jahr 2025 fing unruhig an: Allianz-Chef Bätes Vorschlag, einen Karenztag für den ersten Krankheitstag einzuführen, führte zu ablehnenden Reaktionen vieler Politiker und Gewerkschafter. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz nannte den Vorschlag „eine absurde Idee“. Kein Wunder, es ist Wahlkampf. Mit der Umsetzung von Bätes Idee würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen – wie hierzulande vor 1970. Seine Begründung: Arbeitnehmer in Deutschland seien im Schnitt 20 Tage im Jahr krank, der EU-Schnitt liege nur bei acht Tagen. Was die Argumentation stützt: Verzeichnete der Dachverband der Betriebskrankenkassen im Jahr 2010 noch durchschnittlich 13,2 Krankheitstage bei Arbeitnehmern, waren es 2022 bereits 22,6 Tage. Für kranke Mitarbeiter geben Arbeitgeber in Deutschland pro Jahr 77 Milliarden Euro an Gehalt aus.
Es spricht viel dagegen
Das Ziel, Lohnkosten zu senken, ist ein gutes Ziel. Und gleichwohl scheint mir dazu Bätes Idee nicht durchdacht zu sein. Wer nämlich für den ersten Krankheitstag die Kosten selbst tragen muss, wird dann länger als ein Tag krank sein, da er ab Tag zwei die Kosten vom Arbeitgeber wieder bezahlt bekommt. Oder es könnte dazu führen, dass Arbeitnehmer krank zur Arbeit erscheinen und die Kolleginnen und Kollegen anstecken. Oder Arbeitnehmer verschleppen die Krankheit, die dann im Nachgang schlimmer wird, was mehr Fehltage bedeutet. Daher sollte man davon absehen. Ein Trost für den Allianz-CEO: Eine Auswertung von Bloomberg belegt, dass Banken und Versicherer 2023 mit 4,5 Prozent den geringsten Krankenstand im Jahresdurchschnitt unter allen untersuchten Branchen hatten.
Prämien nicht mehr bezahlbar?
Wesentlich weniger Resonanz gab es für das zweite Statement von Bäte ebenfalls in einem Interview mit dem „Handelsblatt“. Originalzitat: „Die Bezahlbarkeit von Versicherungen raubt mir den Schlaf.“ Richtig ist, dass die Prämien für die Kfz- und die Wohngebäudeversicherungen in den vergangenen zwei bis drei Jahren deutlich gestiegen sind. Das Gleiche gilt für die gesetzliche, aber auch die private Krankenversicherung. Versicherungen könnten, befürchtet der Allianz-Chef, künftig für viele Menschen nicht mehr bezahlbar sein. Gerade beim Thema Gesundheit werde man sich sehr bald Gedanken machen müssen, welche Leistungen man in den Versicherungen noch abdecken könne, weil sonst die Prämien unbezahlbar werden könnten.
Weiter Druck auf Beiträge
Dass die Prämien gerade in den genannten Sparten unter Druck stehen, hat viele Ursachen. Sturm, Hagel und Überschwemmungen haben 2024 erneut für überdurchschnittlich hohe Elementarschäden in diesem Jahr gesorgt. Die Wohngebäudeversicherung bleibt daher in den roten Zahlen. Dazu kommt die weitgehend alten Bausubstanz in Deutschland, höhere Rückversicherungskosten, insgesamt geringere Zeichnungskapazitäten und steigende regulatorische Vorgaben wie zum Beispiel die Gefahrstoff-Verordnung.
Ähnlich schlecht sieht es in der Kfz-Versicherung aus, in der quasi alle Anbieter rote Zahlen schreiben. Treiber hier sind weiterhin stark gestiegene steigende Preise für Ersatzteile und höhere Werkstattkosten. Die Krankenversicherung „krankt“ am demografischen Wandel und dem zunehmenden Alter der Bevölkerung, den steigenden Kosten bei den medizinischen Leistungsausgaben, insbesondere im Krankenhausbereich. Die Beiträge werden daher auch künftig steigen. Dies gilt für beide Systeme der Krankenversicherung.
Kosten bei Tarifen sparen
Es kann dann der Punkt kommen – der vielleicht bei einigen Menschen schon erreicht ist –, dass Versicherte Probleme haben, alle erhöhten Versicherungsbeiträge zu zahlen, zumal die Inflation auch bei allen anderen Ausgabeposten in einem privaten Haushalt zehrt. Wer bereits die Hälfte oder mehr seines Einkommens an Miete zahlen muss, steht finanziell unter Druck. Wenn Ausgaben gekürzt werden müssen, dann werden auch die Beiträge zu den Versicherungen auf den Prüfstand gestellt. Dabei könnte es helfen, wenn Versicherte im Benehmen mit ihrem Vermittler kostengünstigere Tarife aussuchen, indem zum Beispiel bestimmte Leistungen abgewählt oder reduziert werden.
Zweite Möglichkeit ist eine Selbstbeteiligung. Dies könnte ein Weg in der privaten Krankenversicherung oder Wohngebäudeversicherung sein. Die Selbstbeteiligung sollte aber nicht zu hoch gewählt werden, damit die Versicherten ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht überfordern. In der Kfz-Versicherung könnten Versicherte beispielsweise auf die freie Werkstattwahl verzichten. Und wenn dies alles nicht hilft, steht den Versicherten immer noch der Wechsel des Versicherers frei, um günstigere Tarife zu bekommen.
Was Versicherer tun können
Auch die Versicherer sind gefragt, was wohl eine Intention des Allianz-Chefs war. Alle Kosten müssen auf den Prüfstand, das gilt auch für die Vertriebs- und Abschlusskosten. Die Prozesse in den Unternehmen müssen schlanker und vor allem papierlos werden. Ein weiterer Punkt wäre ein klar durchdachtes Rabattmanagement, wie es Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner bei Simon-Kucher, in einem Medienbeitrag vorschlägt. Offenbar werden Rabatte von Vermittlern immer noch zu großzügig und ohne strategischen Plan vergeben. Darüber hinaus könnten Versicherer zusätzlich Tarife mit abgespecktem Leistungsumfang anbieten, die in erster Linie existenzielle Schäden abdecken, um die Beiträge für Teile der Bevölkerung bezahlbarer zu machen.
Autor(en): Bernhard Rudolf