Das Institut für Altersvorsorge (DIA) aus Berlin treibt die Finanzbildung junger Menschen in Deutschland um. Kürzlich suchte sie in einer Online-Diskussionsrunde nach Wegen, wie „Ahnungslose Sparer zu souveränen Anlegern“ werden können. Ein Fazit: Viele Ideen sind vorhanden, die Umsetzung durch schlechte Rahmenbedingungen schwer.
Vier Finanzexperten hatte das Institut für Altersvorsorge (DIA) in ihre Zoom-Diskussionsrunde geladen: Bettina Stark-Watzinger, Diplom-Volkswirtin und seit 2021 Landesvorsitzende der FDP Hessen. Sven Schumann, Co-Vorsitzender des Vorstands des Bündnisses Ökonomische Bildung Deutschland (BÖB), Finanzexperte Yannick Fischer und Meike Richartz vom „Quartier Zukunft“ der Deutschen Bank.
Ziel sollte stärkeres Miteinander und weniger Nebeneinander sein
Alle vier waren sich einig, dass es um die Finanzbildung der Deutschen, vor allem junger Menschen in Deutschland, schlecht bestellt ist. Wie dieser Missstand behoben werden kann, lieferten die Diskutanten unterschiedliche Ideen. Bettina Stark-Watzinger hat bei ihrer politischen Arbeit zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass gut zwei Drittel der Schüler sich das Schulfach „ökonomische Bildung“ oder „Finanzbildung“ wünschten. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedürfe es aber einer besseren Zusammenarbeit der Kultusministerkonferenz und der Bundesländer. Dieses stärkere Miteinander und weniger Nebeneinander der verantwortlichen Institutionen könnte auch dazu beitragen, dass die Digitalisierung in den Schulen forciert werde.
Grundsätzlich müsse das Ziel sein, dass Menschen lebenslang lernen, dass alle „Weiterentwicklung als Chance sehen“. Es reiche nicht aus, dass es an Schulen Projektwochen zum Thema „Finanzwissen“ gebe, das Wissen um Geld und Finanzen müsse ein grundlegender Bestandteil der Bildung und auch nicht nur in einem Schulfach verankert werden.
Früh damit anfangen und nie damit aufhören
Und wie soll das Problem konkret angegangen werden? „Wir brauchen sicher eine umfassende Allgemeinbildung, aber wir müssen uns die aktuellen Lehrpläne ansehen. Immer nur Inhalte auswendig lernen oder nur mehr Inhalte in kürzerer Zeit zu vermitteln, kann nicht der Weg sein. Damit Finanzbildung fruchtet, ist der Praxisbezug sehr wichtig. Mit ihr muss man früh anfangen und nie aufhören.“
Auch der BÖB- und Börsen-Mann Schumann skizzierte konkrete Vorschläge für ein stärker finanz-orientiertes deutsches Schulwesen. Seines Erachtens könnte möglicherweise die Einführung eines neuen Schulfaches die Lösung sein, wie dies mit dem Fach „Medienkompetenz“ bereits umgesetzt werde. Die großen Probleme wie Überalterung der Gesellschaft und der Klimawandel bräuchten (aus-)gebildete Menschen, das sei auch für den Finanzsektor der Fall. Schumann wörtlich: „Wir würden heute noch Bogenschießen, wenn sich nichts verändert hätte“.
Brauchen Bildungsstandards in Deutschland
Er plädiert dafür, dass Finanzbildung zum festen Bestandteil der Lehrpläne wird. Auf jeden Fall müsse hier die Politik aktiver werden, der durch den Föderalismus produzierte Flickenteppich sei kontraproduktiv. „Wir brauchen auf jeden Fall Bildungsstandards in Deutschland“, lautet sein Postulat.
Ein Vorbild könne hier Schweden sein. Das Land habe das Thema Finanzbildung in seinem Schul- und Staatswesen implementiert. In sieben Lebensbereichen würde das Thema behandelt, so zum Beispiel bei den Zielgruppen Rentner, Immigranten und bei Kleinkindern im Kindergarten.
Nicht begeistert ist er dagegen von der Idee, dass Finanzdienstleister und Versicherungsexperten an Schulen zur Finanzbildung beitragen. Hier bestehe die Gefahr, dass die Vermarktung der Versicherungsprodukte im Mittelpunkt stehe und nicht die wertneutrale Schulung der jungen Menschen.
Der Verschuldung von Menschen entgegensteuern
Dass Finanzdienstleistungsunternehmen und Banken aber doch einen wertvollen Beitrag leisten können, zeigt Bankfachfrau Richartz. In ihr „Quartier Zukunft“ kämen oft Jugendliche mit recht unrealistischen Vorstellungen über ihre finanziellen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Hier könnten sie in ihren Workshops wichtiges Grundwissen an Hand von praktischen Beispielen vermitteln, auch weitaus digitaler als dies in vielen Schulen möglich sei. In ihrem Quartier könne den jungen Menschen auch veranschaulicht werden, welche Wege es gebe, wenn sie in finanzielle Probleme gerieten oder bereits geraten seien. Denn Verschuldung ist schon bei Menschen unter 18 Jahren immer häufiger ein Problem. (Notiz: Im Quartier Zukunft vernetzt die Deutsche Bank ihre analoge und digitale Angebotswelt und zeigt, worauf modernes Banking aufbaut und was das künftig bedeuten kann: mehr Innovation und Coaching, mehr Inspiration und Community.)
„Gemeinsam mit den jungen Menschen erstellen wir zum Beispiel Einnahmen- und Ausgabenrechnungen, sie recherchieren selbst relevante Finanzbegriffe, so dass sie ein Gespür für das Thema bekommen“, beschreibt die Finanzkennerin das Procedere eines Workshops. Sie betont aber auch, dass Kundenbindung besser möglich sei, wenn sich Kunde und Berater auf Augenhöhe begegneten.
Seriöse und unseriöse Angebote voneinander unterscheiden
Aktuell prüfe ihr Unternehmen gerade, welcher Einfluss Social-Media-Kanäle auf das Verhalten der (jungen) Menschen habe, wie beeinflussbar sie durch Angebote im Netz seien und wie sie dafür sensibilisiert werden könnten, seriöse und unseriöse Angebote voneinander zu unterscheiden.
Denn, so auch eine Anmerkung aus der Zuschauerrunde, die falschen Verlockungen im Netz sind groß. Sie versprechen Lösungen, wie man bereits mit 35 Jahren zum Millionär werden könne. „Finanzpornografie“, so die drastische, aber auch treffende Bezeichnung dieser illegalen Angebote, seitens des Zuschauers der DIA-Runde.
Wenig Wissen über Alltagsinstrument wie Gehaltsabrechnung und Steuererklärung
Damit Menschen diesen hohlen Versprechungen nicht aufsitzen, müssen Lehrer ihre Schüler dementsprechend schulen können. Fischer, der jüngste in der Diskussionsrunde, 2015 das Abitur gemacht, sieht derartige Pädagogen aber eher als Zufallstreffer. Er selbst habe in der Schule „eine coole Wirtschaftslehrerin gehabt“, doch seiner Erfahrung nach fehle meist der Alltagbezug bei der schulischen Finanzaufklärung. Es gebe immer noch zu viele rudimentäre Angebote. Wer wisse schon, wie eine Gehaltsabrechnung aufgebaut sei oder was eine Steuererklärung beinhalte, wenn er die Schule verlasse? Zu oft würden auch fachfremde Lehrer Finanzwissen vermitteln (müssen), hätten zudem nicht die didaktischen Fähigkeiten.
Und was darf am Ende auf keinen Fall fehlen? Bildungsgerechtigkeit. Doch die ist längst noch keine Selbstverständlichkeit. Viel muss sich noch bewegen. Auch hier herrschte Einigkeit unter den Experten in der DIA-Runde „Ahnungslose Sparer – souveräne Anleger“.
Autor(en): Meris Neininger