In einer Podiumsdiskussion im Bundesfinanzministerium wurde über die unzureichende Finanzbildung und ihre Folgen diskutiert. Was kann das bewirken? Wir haben bereits über die politische Debatte berichtet.
„Finanzielle Bildung ist eine Voraussetzung für wirtschaftliche Unabhängigkeit“, so Bundesfinanzminister Christian Lindner in einer gemeinsam mit dem Bundesbildungsministerium durchgeführten Podiumsdiskussion „Aufbruch finanzielle Bildung“. Der Minister kritisierte, „Deutschland ist nicht so gut aufgestellt.“
Mensch treffen schlechte finanzielle Entscheidungen
Die Folgen seien kritisch. Kunden „lassen sich abziehen beim Handyvertrag“ oder treffen schlechte finanzielle Entscheidungen unter anderem bei der Altersvorsorge oder bei Anlagen. In diesem Zusammenhang wies Lindner auch auf überhöhte Vergütungen von manchen Anlagevermittlern hin.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ergänzte: „80 Prozent der Eltern wünschen sich, dass die Kinder mehr finanzielle Bildung bekommen“. Es sei nicht richtig, dabei auf das Elternhaus als Quelle solcher Informationen zu setzen. Denn gerade diejenigen Haushalte, die in dieser Hinsicht schlecht aufgestellt sind, könnten ihren Kindern keine finanzielle Allgemeinbildung vermitteln. Zudem wies Stark-Watzinger auf die besonders schwierige Lage vieler Frauen hin, was finanzielle Unabhängigkeit angeht.
Aktienanlage als Zockerei verstanden
Lindner ergänzte: „So richtig deutlich wurde mir, dass wir was tun müssen, bei der Diskussion über die Rente und das sogenannte Generationenkapital“. Er kritisierte, dass auch viele Politiker für diese Ansätze kein Verständnis aufbringen und kritisieren, „da wird noch wieder gezockt“ oder die „Aktie, das ist doch nur was für Reiche“.
Für das Bildungsministerium kündigte Stark-Watzinger an, mehr Forschung in Auftrag zu geben, um besser zu verstehen, wie finanzielle Allgemeinbildung erreichen lässt. Lindner ergänzte, die beiden Ministerien wollten sich nicht nur untereinander, sondern auch verstärkt mit privaten Initiativen vernetzen.
Sind Beamte glaubwürdige Ratgeber in Sachen Rente?
Vertreter solcher Initiativen kamen ebenfalls zu Wort und betonten, dass finanzielle Bildung verständlich und auch unterhaltsam präsentiert werden müssten. Selbst die Bekämpfung des Klimawandels habe etwas mit einem Verständnis von ökonomischen Zusammenhängen zu tun, so eine Vertreterin von Bildungsinitiativen.
Dafür muss man auch vermehrt Kanäle der sozialen Netzwerke nutzen, in denen sich Schülerinnen und Schüler aufhalten. Aber auch die Lehrpläne müssten entsprechend verändert und die Ausbildung der Lehrkräfte verbessert werden. Da allerdings liegt der Kern des Problems: Im deutschen Föderalismus liegt die Hoheit bei der schulischen und hochschulischen Bildung bei den Bundesländern. So gut die Initiativen seine zwar alle gut, aber die Durchschlagskraft bisher zu gering.
In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass es schwierig sei, wenn Lehrerinnen und Lehrer Finanzbildung zur Rente vermitteln sollen, wenn sie als Pensionsberechtigte selbst keine Entscheidungen zur Rentenabsicherung treffen müssten. Hier wäre es wünschenswert, private Anbieter wie Banken, Versicherungen, Vermittler oder Honorarberater hinzuziehen – allerdings nur unter striktem Neutralitätsgebot und Schule nicht als Verkaufsplattform zu missbrauchen.
Nicht nur Jugendliche als Zielgruppe
Bundesminister Lindner betonte, dass man sich nicht nur auf Kinder und Jugendliche fokussieren dürfe. Ein großes Bildungsdefizit gebe es auch bei der „Generation T-Aktie“, also älteren Kunden, die moderne Finanzinstrumente oft nicht kennen und in der Vergangenheit auch schlechte Erfahrungen mit Aktien-Direktanlagen gemacht hätten.
Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wies darauf hin, dass man den Menschen abverlange, einen Führerschein zu machen, bevor sie Auto fahren, aber in Sachen Finanzen gebe es keinen Führerschein. Dadurch würden manche Kunden viel zu viele Risiken eingehen und andere „mit angezogener Handbremse“ fahren und Renditechancen verpassen.
Wollen nicht zum politischen Spielball werden
Die BaFin selbst käme auch selbst nicht direkt an die Verbraucher heran. „Wir werden nicht cool genug sein“, um finanzielle Bildungsinhalte zum Beispiel auf Tiktok präsentieren zu können. Deshalb brauche eine Behörde auch die Vernetzung mit privaten Initiativen.
„Wir möchten nicht, dass ökonomische Bildung zum politischen Spielball wird“, so ein anderer Vertreter privater Initiativen. Als Beispiel nannte er Nordrhein-Westfalen, wo unter der früheren FDP-Landesbildungsministerin ein entsprechendes Schulfach eingeführt, von der aktuellen CDU-Ministerin aber als nicht wichtig eingeordnet wurde. Und die SPD habe bereits angekündigt, im Fall einer Rückgewinnung der Regierungsmacht das Schulfach wieder abzuschaffen. Deshalb müssten sich die privaten Initiativen bemühen, mit allen Parteien einen guten Kontakt zu halten.
Lindner betonte in diesem Zusammenhang, dass finanzielle Bildung „eine ganz wichtige Kulturtechnik“ und eine Frage von „sozialer Gerechtigkeit und Chancengerechtigkeit“ sei und gerade nicht als Fördermaßnahme privatwirtschaftlicher Gewinninteressen verstanden werden dürfe.
Beispiele aus dem Ausland
Eine persönliche Ergänzung zu diesem Thema: In den Vereinigten Staaten gibt es an Sekundarschulen Unterrichtsfächer, in denen 15- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern ganz praktisch finanzielle Planung im Haushalt nahegebracht wird. Ein lustiges, aber nachdenklich machendes Beispiel ist die Planung der Hochzeit, um den Schülerinnen und Schülern zu verdeutlichen, welche Kosten mit einer Hochzeit verbunden sind, und wie man diese sowohl durch Sparen als auch durch Kredite finanzieren kann. Weitere typische Themen sind Autokauf oder Erwerb von Wohneigentum. So lernen die Jugendlichen anhand von lebenspraktischen Situationen grundlegend den Umgang mit Geld.
In Hochschulen zumindest einiger amerikanischer Bundesstaaten gibt es verpflichtende Kurse für alle Studierenden gleich welcher Studienrichtung zur finanziellen Allgemeinbildung. Darin geht es um reine Grundbegriffe von Zinsen und Wirkung von Schulden, von Anlagen und Finanzierungen. In dieser Hinsicht ist Deutschland tatsächlich Entwicklungsland.
Autor(en): Matthias Beenken