Damit das Geld im Alter nicht knapp wird, sind viele Verbraucherinnen und Verbraucher auf eine private Zusatzvorsorge angewiesen. Als Gegenmodell zur staatlich geförderten Riester-Rente hat die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) jetzt das Modell einer Extra-Rente vorgestellt.
Nach Meinung der Verbraucherschützer funktioniert die Riester-Rente "nicht ausreichend gut." Den Verbrauchern würden "häufig unrentable und unflexible Rentenversicherungen angeboten." Daher fordern die Verbraucherschützer die Extra-Rente als ein öffentlich-rechtlich organisiertes Standardprodukt einzuführen. Der Träger soll von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht kontrolliert werden und die Verbraucherinteressen gegenüber Banken und Großanlegern vertreten. So würden unnötige Kosten vermieden. Zudem sieht das Modell keine Belastung der Sparsumme durch Vermittlungsprovisionen vor. Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, für jeden Mitarbeiter eine Extra-Rente abzuführen. Sechs Monate lang haben die Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht.
Keine Garantie für Sparer
Das Geld soll in Aktien angelegt werden. Eine Garantie erhält der Sparer aber nicht. Dazu erläutern die Verbraucherschützer: "Langfristig, also über Zeiträume von 20 Jahren oder länger, sind diese Renditen in der Vergangenheit im Durchschnitt immer positiv gewesen. Damit also auf Garantien verzichtet werden kann, muss das einmal eingezahlte Geld langfristig, also bis zum Renteneintritt angelegt bleiben."
Die Einzahlungen können somit lediglich beendet oder unterbrochen werden. Wer 45 Jahre 100 Euro pro Monat zahlt, erhält nach der Prognoseberechnung der vzbv ab dem 67. Lebensjahr bis zum 100. Geburtstag eine Leistung von durchschnittlich 675 Euro. Diese Auszahlung ist aber nicht sicher. Sie kann schwanken. Alternativ kann der Sparer sein Kapital verrenten lassen. Dann erhält er bis zum Lebensende 571 Euro, so der Verband. Eine Auszahlung ist nicht vorgesehen. Bei einer Verrentung kann das Ersparte nicht vererbt werden.
Idee ist nicht neu
Die Idee der Verbraucherschützer ist nicht neu. Ähnliche Vorschläge gab es schon als Deutschlandrente oder Vorsorge-Konto. In der Branche schlägt dem Modell deutliche Skepsis entgegen. "Das ist ein hehrer Vorschlag: Der Staat soll ein Standardprodukt für die private Altersvorsorge organisieren - kostengünstig, gewinnbringend, freiwillig, fair, einfach, vor allem aktienbasiert. Also die eierlegende Wollmilchsau", kommentiert Norman Wirth vom Bundesverband Finanzdienstleistung AfW den Vorstoß der Verbraucherschützer.
Das sei ideologischer Unfug. Private Altersvorsorge gebe es nicht von der Stange. Wirth: "Es bedarf immer individueller und qualifizierter Beratung zu Chancen und Risiken im Anlagebereich." Das könnten die Verbraucherzentralen nicht leisten, weder quantitativ noch qualitativ. "Hinzu kommt weiterhin die konsequente Weigerung der Verbraucherzentralen sich den richtigen und wichtigen Qualifizierungsanforderungen der gewerblich tätigen Versicherungs- und Finanzanlagenvermittlern und –beratern zu unterwerfen", so der AfW-Geschäftsführer.
Beratung ist notwendig
Ähnlich kritisch sieht der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) den Vorschlag. "Eine angemessene Beratung von Sparern ist nicht vorgesehen. Sie sollte aber die Grundlage einer soliden Altersvorsorge sein", kritisiert BVK-Präsident Michael Heinz. Diese Beratung sei jahrzehntelang und bewährt durch Versicherungskaufleute besorgt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Verbraucherzentrale jetzt die Altersvorsorge allein über öffentlich-rechtliche Träger organisieren will. Diese hätten sich in der Vergangenheit nicht unbedingt als die besseren Investoren hervorgetan.
Zudem könnee schon heute jeder Vorsorgesparer als Selbstentscheider über einen Fondssparplan an der Wertentwicklung der Aktienmärkte kostengünstig partizipieren. Nach Feststellung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) würden Umfragen belegen, dass die meisten Menschen in Deutschland kein Risiko tragen wollen. Das müssten sie beim vzbv-Modell aber. "Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Vorschlag kostengünstiger sein sollte als bestehende Angebote. Vertriebsaufwand und Verwaltungskosten müssten Arbeitgeber und Steuerzahler tragen", kritisierte ein GDV-Sprecher. Zudem ziele der Vorschlag für ein staatliches Standardprodukt in erster Linie auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. "Nötig ist aber eine Altersvorsorge unabhängig vom beruflichen Status", so der GDV. Daher sei es einfacher, die vorhandene Riester-Förderung für alle zu öffnen.
Branche muss reagieren
Mehr Aktivitäten von der Versicherungsbranche fordert hingegen der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM). "Man darf den Druck, der auf der Politik in Sachen mehr Altersvorsorge für die breite Masse, lastet, nicht unterschätzen", sagte BDVM-Vorstand Hans-Georg Jenssen. Die private Versicherungswirtschaft sollte möglichst bald mit einem konkreten Vorschlag zur Reform der Riesterrente in die Öffentlichkeit gehen. Sonst könnten tatsächlich alternative Modelle an Akzeptanz gewinnen. Viele Konzepte der Versicherer haben nach Meinung von Jenssen ausgedient.
Vorsichtig reagiert der Bund der Versicherten (BdV). "Noch können wir die Extra-Rente nicht vollumfänglich beurteilen", sagte Vorstandschef Axel Kleinlein. Klar sei aber, dass die Versicherer über eine Verrentung wieder an Bord geholt werden sollten. Das sieht der BdV skeptisch. Zudem gebe es bei der Extra-Rente anscheinend keinen oder nur einen sehr geringen sozialpolitischen Ausgleich im Kollektiv. Das könnte dazu führen, dass Renten für die einzelnen Sparer sehr unterschiedlich ausfallen. Es sei an der Politik zu entscheiden, ob man ein solches sehr volatiles Produkt möchte oder lieber ein Produkt, bei dem Leitplanken für mehr Gerechtigkeit eingezogen wurden. Ein solches Produkt habe mit dem Vorsorge-Konto laut BdV Professor Oskar Goecke vom Kölner Institut für Versicherungswesen entwickelt.
Erstfinanzierung per Kredit
Grundsätzlich sei es derzeit aber für alle Modelle, angesichts der Zinssituation schwer einen Kapitalstock aufzubauen. Werde eines der Modelle eingeführt, dann muss es nach Einschätzung des BdV wohl eine staatliche Anschubfinanzierung geben. Dieses Problem wurde auf Anfrage vom vzbv bestätigt. "Damit unser Modell ohne staatliche Subventionen auskommt, muss der Start kreditfinanziert sein", erläuterte Dorothea Mohn, die beim Bundesverband für die Extra-Rente zuständig ist.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek