Das furchtbare Hochwasser in Verbindung mit Starkregen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat nicht nur Schäden in Höhe von etwa 20 Milliarden Euro verursacht, Tausenden Menschen ihre Heimat genommen, Häuser, Straßen, Schienen und Brücken zerstört, sondern wohl auch über 200 Menschen das Leben gekostet. Was daraus folgen sollte …
Ohne Zweifel handelt es sich hierbei um eine Katastrophe von historischem Ausmaß. Die Schäden übersteigen alle bisherigen Erfahrungen. Wer von einem Jahrhundertereignis spricht, sollte jedoch vorsichtig sein, denn diese Ereignisse können und werden wohl angesichts des Klimawandels und der andauernden Bodenversiegelung öfter als einmal in 100 Jahren vorkommen.
Etwa fünf Milliarden versicherte Schäden
Von den schweren Schäden, die Tief Bernd angerichtet hat, wird nur ein kleinerer Teil versichert sein. Das zeigt eine aktuelle Einschätzung der aktuariellen Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss (MSK). Das Unternehmen schätzt, dass bei einem Schadenszenario von 15 Milliarden Euro nur rund vier Milliarden Euro abgesichert seien. Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht von versicherten Schäden zwischen 4,5 und 5,5 Milliarden Euro aus. In dieser Schätzung seien auch Zahlen aus den anderen betroffenen Bundesländern, darunter Bayern und Sachsen, enthalten.
"Laut aktualisierter Schadenschätzung sind rund 40.000 Kraftfahrzeuge durch die Fluten beschädigt oder zerstört worden", so GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. "Der versicherte Schaden für die Kfz-Versicherer liegt bei rund 200 Millionen Euro und für die Transportversicherer bei rund 100 Millionen Euro."
Weniger als die Hälfte gegen Elementarschäden versichert
Jetzt kocht die Diskussion um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden hoch, denn weniger als die Hälfte der Menschen verfügen über einen solchen Schutz. Offenbar haben viele Betroffene nicht mit einer solchen Flutkatastrophe gerechnet. In Baden-Württemberg, wo eine Elementarversicherung einige Jahre lang Pflicht war, haben heute mehr als 80 Prozent der Hausbesitzer eine solche Police. Nur dies nützt den Betroffenen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz herzlich wenig.
Privat vor Staat
Ulrich Reitz, Korrespondent von "Focus-Online", erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Ministerpräsidenten vor vier Jahren beschlossen haben, dass der Staat nur jenen Opfern von Umweltkatastrophen wie einer Flut beispringt, falls ein Versicherer es abgelehnt hat, den Versicherungsschutz zu übernehmen. Das -wegen der Kosten - nachvollziehbare Motto lautete damals: Privat vor Staat. Die Länder wollten den Grundsatz, dass private Vorsorge Vorrang hat vor staatlicher Nachsorge, bestätigen.
Betroffene nicht im Regen stehen lassen
Aus Sicht der reinen marktwirtschaftlichen Lehre ist das sicher richtig gedacht. Nur hilft es den Betroffenen nicht weiter, wenn man sie im wahrsten Sinne des Wortes im Regen mit ihren existenzbedrohenden Schäden stehen lässt. Eine rein privatwirtschaftliche Lösung nach dem Motto "Weiter wie bisher“ wird schon deshalb nicht funktionieren, weil aufgrund der aktuellen Ereignisse zukünftig viele Häuser nicht mehr oder nur noch sehr teuer zu versichern sein werden. Eine übergreifende Lösung über die private Absicherung hinaus ist also notwendig. Auch in anderen Ländern setzte sich die Erkenntnis durch, dass solche Elementarereignisse nicht mehr rein privatwirtschaftlich zu decken sind, sondern etwa über gemischtfinanzierte Katastrophenfonds.
Die Erkenntnis setzt sich durch: Eine Elementarversicherung ist für jeden Hausbesitzer elementar. Aus meiner Sicht sollte man über eine Pflicht-Basisversicherung gegen Elementarschäden nachdenken. Alle Hausbesitzer müssten abhängig von der Risikoklasse Beiträge zahlen. Im Schadenfall erhalten sie einen existenzsichernden Basisbetrag. Einen darüberhinausgehenden Schutz könnte individuell zugekauft werden. Staat und Versicherer sollten hier eng zusammenarbeiten. Ein ähnliches Modell mit Versicherern und Staat gibt es bereits mit dem Terrorversicherer Extremus.
Fehlanreize vermeiden
Natürlich darf man nicht den Fehler machen, Neubaugebiete in hochwassergefährdeten Regionen auszuweisen oder die Häuser erneut 1:1 etwa im Ahrtal wieder aufzubauen. Fehlanreize, in besonders Hochwasser-gefährdeten Regionen zu bauen und auch den Hochwasserschutz zu vernachlässigen, müssen vermieden werden. Denn das nächste Hochwasser kommt bestimmt!
Autor(en): Bernhard Rudolf