Die Gestaltungsmöglichkeiten bei grünen Produkten sind vielfältig. Zudem haben Versicherer die Chance, einen positiven Beitrag bei der Bekämpfung des Klimawandels zu leisten. „Aktuarinnen und Aktuare können diese Entwicklung durch ihre zentrale Rolle bei der Datenanalyse und Modellierung entscheidend mitgestalten“, ist Detlef Frank, Vorstandsmitglied der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) und Vorsitzender des DAV-Ausschusses Schadenversicherung, überzeugt.
Die Versicherer spielen aufgrund ihres Geschäftsmodells eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und bei der Minimierung seiner Auswirkungen. „Durch die Integration von Klimarisiken in ihre Zeichnungsrichtlinien können sie darauf hinwirken, dass Industriesektoren grüner werden und die Industrieunternehmen sich weiterentwickeln“, glaubt Frank. Zusätzlich können die Versicherer durch das Instrument des Risikoausgleichs im Kollektiv dazu beitragen, dass besonders stark vom Klimawandel betroffene Personengruppen durch die Gesellschaft unterstützt werden, indem das Risiko auf möglichst viele Schultern verteilt wird. In diesem Zusammenhang haben die Aktuarinnen und Aktuare mit ihrer Expertise in der Modellierung von Klimarisiken eine wichtige Funktion.
Bei der Entscheidung sind verschiedene Faktoren zu beachten
Auch bei der Gestaltung neuer Versicherungsprodukte ist die Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor. „Bei der Entscheidung, welche der grünen Produktideen umgesetzt werden sollen, sind verschiedene Faktoren zu beachten“, erläutert Frank. So ist nach DAV-Analysen beispielsweise das Potenzial der Versicherung von E-Autoladestationen in einem stark wachsenden Markt bei gleichzeitig fehlenden öffentlichen Ladepunkten groß. Laut Kraftfahrt-Bundesamt gab es im Januar 2022 bereits über zwei Millionen E- und Hybrid-Autos, wohingegen im Juni 2022 laut Bundesnetzagentur nur etwa 62.000 öffentliche Ladepunkte existierten. Zudem hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2030 insgesamt 15 Millionen E-Autos in den Markt zu bringen. „Im Schadenfall ist mit sehr hohen Schadenzahlungen zu rechnen, da aufgrund eines Kurzschlusses oder bei einer Überladung das E-Auto brennen könnte“, unterstreicht Frank. Wenn dabei die Hochvoltbatterie in Brand gerät, ist laut Deutschem Feuerwehrverband mit enormer Brandleistung zu rechnen und der Löschvorgang dauert länger als bei herkömmlichen Fahrzeugen.
Informationen müssen in Schadensystemen richtig erfasst werden
„Die Abschätzung des zu erwartenden Schadens, der wichtigsten Komponente der Tarifierung, ist demnach gerade bei der Absicherung neuer Risiken nicht immer einfach“, so Frank weiter. In der Gebäudeversicherung verbrauchen moderne Heizungs- und Kühlungssysteme in klimafreundlichen Gebäuden beispielsweise weniger Strom und könnten dadurch weniger Brände verursachen. Andererseits können nachhaltige Baumaterialien gegebenenfalls eine höhere Entflammbarkeit sowie eine geringere Lebensdauer aufweisen. Wie sich derartige gegenläufige Effekte insgesamt auf den zu erwartenden Schadenbedarf und damit auf den Preis der Versicherung auswirken, kann nur über die Zeit anhand von gesammelten Daten und Erfahrungen beantwortet werden.
„Damit die Daten von den Aktuarinnen und Aktuaren in ihren Modellen ausgewertet werden können, ist es entscheidend, dass die Informationen in den Schadensystemen der Versicherer richtig erfasst werden, zum Beispiel hinsichtlich der Schadenursache“, appelliert Frank. Die anfänglich bestimmten Preise könnten dann mithilfe von Testfeldern überprüft und sukzessive angepasst werden, sofern aktualisierte Daten zu neuen Erkenntnissen bei der aktuariellen Modellierung führen.
Quelle: DAV
Autor(en): versicherungsmagazin.de