Die "Zeitschrift für Versicherungswesen" hat in ihrer aktuellen Ausgabe wieder eine Menge an Kennzahlen zur privaten Krankenversicherung für das Jahr 2016 veröffentlicht. Diese lassen unter anderem Rückschlüsse auf die Geschäftsstrategie in Sachen Neugeschäftsorientierung zu.
So listet die Zeitschrift beispielsweise das Neugeschäft von Vollversicherten auf, jedenfalls soweit die Versicherer entsprechende Zahlen lieferten. Das war bei sieben der untersuchten 31 Krankenversicherer mit Vollversicherungsgeschäft nicht der Fall.
Debeka verbucht Großteil des Neugeschäfts
Die 24 Gesellschaften mit Angaben berichten zusammen über 210.000 Neuversicherte. Allein 80.000 davon entfallen auf Marktführer Debeka. Hansemerkur verzeichnete über 23.000, Signal über 20.000 und Continentale über 18.000 neue vollversicherte Personen. Auch die Huk-Coburg schaffte es noch deutlich über 10.000. Doch viele Versicherer hatten nur drei-, in einem Fall sogar nur eine zweistellige Zahl an Neuzugängen.
Gewinner im Markt sind die beitragsstarken Unternehmen, dies belegt auch eine Korrelationsanalyse. Das Neugeschäft geht also vor allem zu bekannten Marken.
Wachstumsstärke geht nicht immer mit hohen Abschlusskostenquote einher
Vermuten könnte man, dass diese Versicherer auch mit besonders hohen Abschlusskostenquoten zu kämpfen haben. Das Gegenteil ist der wachstumsstärkeren Versicherer haben sogar eine leicht geringere Abschlusskostenquote, die im Durchschnitt bei 6,7 Prozent der Jahresbeitragseinnahme liegt. Bei der wachstumsschwächeren Hälfte der Versicherer sind dagegen 7,6 Prozent zu verzeichnen.
Allerdings muss man berücksichtigen, dass mit Debeka, Huk-Coburg und Landeskrankenhilfe (LKH) drei Gesellschaften zu den wachstumsstärkeren gehören, die mit außerordentlich niedrigen Kostensätzen wohl aufgrund ihres Vertriebssystems aufwarten können - zwischen 1,3 Prozent bei der LKH und 4,4 Prozent bei der Debeka, das sind Spitzenwerte im Marktvergleich. Man könnte vorsichtig schlussfolgern, dass man sich Wachstum vor allem mit einem günstigen Vertriebssystem leisten kann. Sonst kann es schnell richtig teuer werden, wie als Beispiel die Hansemerkur zeigt: Den Platz zwei beim Zugewinn an Versicherten erkauft sich das Unternehmen mit einer deutlich überdurchschnittlichen Abschlusskostenquote von 11,9 Prozent.
Auch bei den Verwaltungskosten hilft Größe und damit auch der Neugewinn an Versicherten. Die Verwaltungskostenquoten der wachstumsstärkeren Versicherer sind - allerdings nicht signifikant - geringer als diejenigen der wachstumsschwächeren Anbieter.
Umdeckung bessert die Kasse auf
Ist damit Neugeschäftserfolg gut für die Versicherten? Das muss man wohl differenziert beantworten.
So spielen inzwischen zunehmend die Portabilitätsgewinne eine wichtige Rolle. Es geht um die Umdeckung von Vollversicherungen aus Tarifen, die ab 2009 vereinbart wurden. Hier kann der Kunde sich einen Teil der Alterungsrückstellungen beim Versichererwechsel anrechnen lassen. Und das sind inzwischen durchaus beachtliche Zuflüsse, die die wachstumsstarken Versicherer erreichen - einmalig. Beispielsweise gab die Hansemerkur an, dass ihr 21,4 Millionen Euro zugeflossen sind. Auch die Continentale konnte 12,2 Millionen Euro einnehmen, gefolgt von der Debeka mit 8,2 Millionen Euro.
Zwischen 100 und 1.000 Euro pro Neukunden erlöst
Pro gewonnenem Neuversicherten sieht die Rangfolge noch etwas anders aus. Hier zeigt sich, wer in erster Linie aus Umdeckung Neuversicherte gewinnt, und wer eher echte Neukunden ins PKV-System holt. Beispielsweise konnte die Hansemerkur umgerechnet 913 Euro pro neuer versicherter Person an Portabilitätszufluss verbuchen, bei der Debeka waren es nur 102 Euro. Hohe Werte verzeichnen auch Continentale (661 Euro), Württembergische (571 Euro), Hallesche (562 Euro) oder Nürnberger (502 Euro), einen Spitzenwert erreicht allerdings auch die kleinste Gesellschaft Mecklenburgische mit umgerechnet 1.087 Euro pro Neuversichertem.
Wer viel einnimmt, muss allerdings oft auch viel abgeben. Der Kampf um Kunden führt auch zu nicht unerheblichen Abgaben an Alterungsrückstellungen. Von den Gesellschaften, die hierzu Angaben machten, sticht wieder die Hansemerkur mit 5,3 Millionen Euro abgegebener Mittel hervor, gefolgt von der Continentale (4,1 Millionen Euro) und der Gothaer (2,7 Millionen Euro). Einige Player verweigerten aber Auskünfte, obwohl oder vielleicht weil sie auch durchaus beachtliche Zahlen an Portabilitätsgewinnen oder -verlusten aufweisen dürften, zum Beispiel DKV, Axa und Central.
Mehr notleidende Kunden
Schließlich ist noch ein Zusammenhang interessant. Je abschlussstärker die Gesellschaften, desto höher auch die Anzahl der Kunden, die sich einen Normaltarif aus welchen Gründen auch immer nicht oder nicht mehr leisten können und stattdessen in einen Standardtarif, einen Basistarif oder sogar in den Notlagentarif wechseln. Nur der Basistarif ist unter bestimmten Voraussetzungen auch unmittelbar beim Neueinstieg abschließbar, das heißt eine hohe Zahl Basistarif-Versicherter kann auch schlicht an der Bekanntheit der großen Versicherer liegen. Die beiden anderen Tarife sind nur für Bestandskunden unter bestimmten Voraussetzungen zugänglich.
Beispiel Notlagentarif: Den Angaben der Zeitschrift zufolge sind allein fast 12.000 Kunden der DKV in diesem Tarif, gefolgt von der Central (gut 8.000) und der Allianz (knapp 8.000). Diese und weitere Versicherer sind bedeutende Marktteilnehmer, die oft in früheren Zeiten ehrgeizige Wachstumsziele verfolgt haben oder dies aktuell noch tun. Insgesamt verzeichnet die Branche über 63.000 Kunden, die ihre Beiträge wohl auf lange Sicht oder dauerhaft nicht mehr zahlen können, wobei acht Versicherer keine Angaben lieferten, es werden also noch mehr sein. Hinzu kommen gut 44.000 gemeldete Standardtarif- und gut 29.000 Basistarif-Versicherte.
Das heißt nicht unbedingt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Neugeschäftsorientierung und der Anzahl der in Not geratenen Kunden gibt, die auf einen der speziellen Tarife der Branche ausweichen müssen. Aber zumindest sollte es zu denken geben, ob eine hohe Neugeschäftsorientierung für die Kunden nachhaltig ist, jedenfalls wenn es kein dazu besonders passendes Vertriebssystem gibt.
Autor(en): Matthias Beenken