Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), über die neue Bundesregierung, die Themen für 2022 und warum er trotz aller Unbill seinen Beruf als Versicherungsmakler liebt.
Herr Heinz, lassen Sie uns positiv einsteigen. Das neue Jahr steht vor der Tür. Welche Chancen wird 2022 für Versicherungsvermittler bereithalten?
Es ist eine Herausforderung, von Chancen zu sprechen. Das Positivste ist der Erhalt des dualen Gesundheitssystems unter der neuen Regierung. Ansonsten haben wir viele schwere Aufgaben vor uns. Es kommen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt auf uns zu. Damit einher gehen möglicherweise Arbeitslosigkeit und der daraus folgenden geringeren Kaufbereitschaft für Versicherungen. Aus Brüssel steht die Evaluierung der Vermittlerrichtlinie IDD an. An den niedrigen Zinsen wird sich nichts ändern. Ein großes Thema für die Branche wird freilich die Reform der privaten Altersvorsorge sein, die die neuen Regierungsparteien anstreben. Und man wird wieder über die Förderung der Honorarberatung und über die gesetzliche Regulierung von Provisionen reden. Wobei der BVK hier angesichts der Tatsache, dass der Provisionsdeckel nicht im Koalitionsvertrag steht, vorsichtig optimistisch ist. Allerdings hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht das Thema auch auf dem Zettel.
Was Sie vom Provisionsdeckel halten, ist bekannt.
Ich sehe keinen Sinn darin. Die Beratung und die Produkte in der privaten Altersvorsorge werden nicht dadurch besser, kostengünstiger und auch nicht attraktiver, dass der Vermittler weniger bekommt. An einem Riester-Produkt verdient der Vermittler 800 Euro. Er ist nicht daran schuld, dass in der Ablaufleistung 30.000 Euro fehlen. Politikern das zu erklären, habe ich die vergangenen vier Jahren versucht.
Wie sensibilisieren Sie die Politiker für die Belange der Vermittler?
In der vergangenen Legislaturperiode habe ich zum Beispiel immer wieder Staatssekretäre und Bundestagsabgeordnete zu einem Besuch einer Versicherungsagentur in ihren eigenen Wahlkreisen mitgenommen. Die Vermittler beginnt mit dem Beratungsgespräch und rechnet zwei Stunden. Die Abgeordneten haben gestaunt, wie aufwändig und komplex das Gespräch ist, obwohl wir noch nicht einmal richtig zur Beratung und schon gar nicht zur Dokumentation gekommen sind, weil allein schon die Datenaufnahme so viel Zeit benötigt. Zwei Wochen später zeigten sich die Abgeordneten immer noch beeindruckt von der Arbeit des Vermittlers, erklärten aber trotzdem: „Der Provisionsdeckel muss kommen.“
Was ist die Ursache dieses Sinneswandels?
Es ist halt das tradierte Bild der Verwerfungen unserer Branche. Betrachten wir den Provisionsdeckel im Lebensversicherungsreformgesetz I. Diese Vorgaben haben die BVK-Mitglieder, also die angestammten Vermittler, längst alle umgesetzt. Auch der Provisionsdeckel in der privaten Krankenversicherung tangiert den BVK-Vermittler nicht, weil er nur zwischen vier und sechs der zulässigen neun Monatsbeiträge als Provision generiert. Das ist möglicherweise bei unseriösen Großvertrieben anders. Sie suchen Schlupflöcher, um die Vorgaben zu umgehen. Und die Politik differenziert nicht. Manche Kreise warten darauf, dass die Vermittler aufgrund der immer höheren Anforderungen aufgeben, damit der Staat eingreifen kann, zum Beispiel mit Obligatorien und Opting-out-Modellen.
Sind Sie desillusioniert?
Ja, ich bin desillusioniert, aber nicht weniger kampfbereit. Desillusioniert deshalb, weil es bei bestimmten politischen Entscheidern ideologiebedingt nicht in den Kopf geht, wo der Hebel anzusetzen ist. Lediglich bei den Parteien, die ihren Markenkern in der Marktwirtschaft haben, dringen wir durch – deshalb unsere Hoffnung auf die FDP. Natürlich müssen wir über Reformen reden. Wir im BVK haben bereits 2012 erklärt, dass wir für alle Vergütungsformen offen sind, wenn der Kunde es wünscht. Aber zu glauben, dass es hilft, wenn der Vermittler, der im Schnitt jährlich 50.000 oder 60.000 Euro Gewinn vor Steuern erwirtschaftet, weiter gedrückt wird, und dass dann alle Kunden eigeninitiativ loslaufen und Versicherungen kaufen, ist völliger Blödsinn.
Sie sind selbst Versicherungsmakler und Vater. Würden Sie Ihren Kindern raten, Vermittler zu werden?
Unbedingt! Meine Tochter arbeitet nebenbei in meinem Betrieb mit und überlegt, komplett einzusteigen. Es ist ihre Entscheidung und ich bin dafür offen. Makler ist ein super Beruf, den ich gerne ausübe. Besonders den Kontakt zum Kunden, auch wenn ich selbst nicht so oft dazu komme, finde ich toll. Aber auch ich spüre die Last der Regulierung und der Verkomplizierung.
Was dürfen Vermittler 2022 vom BVK erwarten?
Der BVK ist gut aufgestellt und bleibt im Gespräch mit der Politik. Wir sind keine Reformgegner. Es gibt so viele spannende Themen, etwa die Zukunft der Vertriebswege oder der einheitliche Datenaustausch zwischen Versicherern und Maklern. Aber ein brutaler Kahlschlag – Riester abschaffen und Vermittler über einen Provisionsdeckel womöglich gleich mit dazu – hilft doch keinem.
Wie bringen Sie sich bei der neuen Bundesregierung in Position?
In der neuen Bundesregierung suchen wir uns unsere neuen Gesprächspartner in den Ausschüssen Verbraucherschutz, Finanzen und Wirtschaft. Wie nach jeder Wahl muss sich das nun erneut aufbauen. Außerdem müssen wir sehen, was aus Brüssel kommt. Dort werden wir künftig besser als andere aufgestellt sein, weil wir noch 2021 als erster Vermittlerverband ein eigenes Büro eröffnen. Wir werden es mit dem Team aus unserem Bonner Verbändehaus betreiben. Kontakte und Verbindungen nach Brüssel haben wir schon länger. Wir sind zum Beispiel größter Angehöriger des europäischen Vermittlerverbands Bipar. Aber es ist ein Unterschied, ob unsere Mitarbeiter im Rahmen der Kommissionsarbeit zwei-, dreimal im Jahr für einen Tag in Brüssel sind, oder ob jede Woche ein Kollege ein, zwei Tage vor Ort ist und Gesprächspartner im Büro empfangen oder für ein Treffen ins Parlament hinübergehen kann.
Unser Lesetipp für Sie
In der Januar-Ausgabe von Versicherungsmagazin spricht der BVK-Präsident Michael H. Heinz unter der Überschrift „Ein brutaler Kahlschlag hilft doch keinem“ über die Themen 2022, die Gefahren der Marktmacht von Dienstleistern und der Wunsch von Versicherern, die Hoheit über den Einzelmakler zurückzugewinnen.
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Autor(en): Stefanie Hüthig