Eine von der Europäischen Kommission vorgelegte und zwischenzeitlich korrigierte Kleinanlegerstudie zeigt, dass der Kauf von Anlagen anderen Kriterien folgt als erwartet.
Eine Anfang Februar in korrigierter Version vorgelegte Studie kommt zu dem wohl wenig überraschenden Ergebnis, dass Anlagen und Versicherungsanlagen preiswerter sind, wenn sie keine Provisionen für deren Vertrieb enthalten. Korrigiert werden musste der Preisaufschlag, der ursprünglich mit 35 Prozent angegeben wurde, nun aber auf 24 bis 26 Prozent gesenkt wurde, worauf der Votum-Verband aufmerksam machte.
Nicht repräsentative Erhebung als Basis politischen Handelns?
Zugrunde gelegt wurden 176 unterschiedlichste Arten von Anlagen, die in 15 EU-Mitgliedsstaaten untersucht wurden. Die Studienautoren sagen dazu selbst, dass diese Auswahl „eher zweckmäßig als repräsentativ“ sei.
Eine besondere Brisanz hat diese Studie, weil sich EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness hierauf stützt und ein Provisionsverbot fordert. Dem hat sich laut der Süddeutschen Zeitung nun auch die Bundestagsfraktion der deutschen Grünen angeschlossen. Eine Sympathie für ein Provisionsverbot hegt die EU-Kommission schon lange. So war ein solches Verbot bereits 2012 in dem ersten Vorschlag einer revidierten EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie enthalten und nach zähen Verhandlungen mit dem EU-Parlament und dem EU-Rat 2014 aus der zwischenzeitlich auf EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) umbenannten Richtlinie gestrichen worden.
Trotz Provision: ETF Verkaufsschlager in Deutschland
Die vom Marktforschungsinstitut Kantar erstellte Studie zeigt aber eine Menge anderer Fakten, die wesentlich interessanter erscheinen als die wohl sehr willkürliche Produktauswahl und Vorgehensweise bei der Analyse vermeintlich oder tatsächlich schädlicher Anreize des Vergütungssystems.
Ein Beispiel: In dem ohne Frage noch sehr stark vermittler- und provisionsbasierten Deutschland sind die von Verbraucherschützern gern empfohlenen Exchange Traded Funds (ETF) mit Abstand am häufigsten in den Portfolios der Anleger verbreitet im Vergleich zu neun anderen EU-Ländern. 40 Prozent der von Kantar befragten Deutschen geben an, Geld in ETF anzulegen.
Trotz Provision: Aktien liegen oft in deutschen Depots
In überhaupt nur drei anderen Ländern haben es ETF unter die TOP 5-genannten Anlageformen geschafft. Darunter sind auch zwei Länder der scharfen Provisionsregulierung und Provisionsverbot, Niederlande mit aber nur 16 Prozent und Schweden mit auch nur 28 Prozent. Auch der Gesamtdurchschnitt der zehn Länder liegt bei 16 Prozent.
Auch bei Aktien liegen die deutschen Anleger mit 43 Prozent über dem Schnitt der zehn untersuchten Staaten (38 Prozent). Gerade die oft als hoch provisionsbelastet kritisierte Lebensversicherung ist mit 29 Prozent nur knapp unter dem Schnitt der zehn EU-Länder (30 Prozent) in den Portfolios deutscher Anleger enthalten, das sieht beispielsweise bei den Franzosen mit 74 Prozent komplett anders aus.
Trotz Provision: Deutsche achten auf die Kosten
Oder ein andere Beispiel: Deutsche Anleger achten im EU-Vergleich am intensivsten auf die Kosten eines Produkts, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen. So äußern sich 66 Prozent der Befragten im Vergleich zu 56 Prozent unter allen zehn beteiligten Ländern. Niederländer (55 Prozent) und Schweden (50 Prozent) finden die Kosten weniger wichtig bei ihren Anlageentscheidungen, Risiken und Renditen sind relativ jedenfalls wichtiger – aber auch nicht wichtiger als den deutschen Anlegern. Offenbar ist es also hierzulande auch ohne Provisionsverbote und Provisionsdeckel gelungen, bei Anlegern ein überdurchschnittlich hohes Kostenbewusstsein zu erzeugen.
Weiter zeigt die Studie, dass die Kosten einkalkulierter Provisionen in Deutschland vergleichsweise niedrig ausfallen. Die Gesamtkosten einschließlich Provisionen werden mit 1,2 Prozent angegeben, das liegt deutlich unter dem Mittel von 1,9 Prozent von hier 14 verglichenen EU-Ländern, für die entsprechende Informationen gezeigt werden. In Irland zum Beispiel fallen 2,5 Prozent an, in Österreich 2,4 Prozent oder in Schweden auch noch 1,5 Prozent.
Autor(en): Matthias Beenken