Wie lässt sich digitaler Vertrieb am besten mit persönlicher Vertriebsarbeit verzahnen, um das beste Kundenerlebnis zu schaffen? Diese Frage wird zum stärksten Wettbewerbsfaktor für Vertriebsorganisationen 2020.
Der klassische Vertrieb wandelt sich weiter zur agilen, immer digitaler agierenden Organisation. Für 2020 stehen daher neu organisierte Vertriebsteams und wachsende KI-Unterstützung, um intelligenter den Kundenbedarf aufgrund generierter Daten zu erkennen, auf der Agenda vieler Unternehmen. Dabei wird die Verzahnung zwischen Automatisierung und persönlicher Vertriebsarbeit am Kunden auch 2020 Dreh- und Angelpunkt erfolgreicher Vertriebsarbeit: "Trotz des rasanten technischen Fortschritts bleiben Menschen der Fixpunkt im Vertrieb. Der Vertrieb ist und bleibt ein Vertrauensgeschäft", sagt Vinay Rmani, Chief Product Officer beim CRM-Spezialisten Pipedrive.
Drei Trends, die den Vertrieb im neuen Jahr beschäftigen werden
- Trend 1. Agil, technologisch, vernetzt mit KI
Der Bedarf an neuen Vertriebstechnologien bleibt auch 2020 hoch, wie Rmani schätzt. Dabei geht es vor allem um vertriebsunterstützende Tools, denn Vertriebsmitarbeiter verlieren einer You Gov-Studie im Auftrag des Unternehmens zufolge im Durchschnitt monatlich 19.500 Euro aufgrund unkoordinierter Vertriebsaktivitäten. Weitere Ergebnisse der Studie besagen:
- 79 Prozent der Vertriebler sind überzeugt, dass sie ihre eigene Leistung steigern müssen,
- 80 Prozent sagen einer Oracle-Studie zufolge, dass sie bis 2020 Chatbots nutzen werden oder planen, sie anzubieten.
- 73 Prozent der Vertriebsmitarbeiter glauben, dass eine Maschine künftig ihr Produkt oder ihre Dienstleistung verkaufen könnte.
Das bedeutet unter dem Strich: Akquisition 2020 wird digitaler, wie auch Vertriebstrainer und Sales Excellence-Autor Lothar Stempfle in einem Blogbeitrag auf Linked.in feststellt. Die klassische Akquise, etwa Push-Aktivitäten, werden aus seiner Sicht immer aufwendiger. Soziale Medien, wie Aktivitäten auf Social-Media-Plattformen in Kombination mit traditioneller Kundenansprache, böten aber einen Ausweg aus dem Dilemma. "Das eine wird ohne das andere in Zukunft nicht mehr gehen", glaubt Stempfle.
Chatbots steuern Leads
Vor allem auf die Leadgenerierung könnte Künstliche Intelligenz noch stärkeren Einfluss haben. Chatbots können laut Pipedrive vor allem als Unterstützer eingesetzt werden, wenn es darum geht, Kunden über den Webvertrieb anzusprechen, Interessenten zu filtern und sie anschließend als qualifizierte Kontakte in die Vertriebsteams zu schleusen. In diesem Zusammenhang werden Big Data, Data Analytics und Kundenkontaktmanagement an Bedeutung zunehmen. Digitale Helfer wie Chatbots könnten laut den CRM-Experten zum Beispiel:
- Kundenkommunikation lenken,
- Konversationen mit vergleichbaren Leads analysieren,
- Angebote für potenzielle Kunden vorbereiten.
Danach übernehmen persönliche Vertriebsmitarbeiter die Weiterbearbeitung und qualifizierte Kundenansprache. Persönlicher Vertrieb wird also zum Premium-Skill. Doch Analysen von Simon Kucher & Partner zeigen: Unternehmen haben die Möglichkeiten von KI und Big Data nicht optimal gehoben. Für Themen wie Cross- und Upselling, Kundenansprache oder zur Preisfindung würden die Daten bisher wenig eingesetzt: "Hier wird das Potenzial der Daten noch längst nicht ausgeschöpft", meint Andree Radloff, Partner und Sales-Experte des Beratungshauses. Das scheitert offenbar auch noch an Analyseprozessen: So gaben über die Hälfte der befragten Vertriebsmitarbeiter aus der Studie "B2B Sales Study" an, vorhandene Daten gar nicht, nur unregelmäßig oder unstrukturiert mithilfe von Excel-Tabellen zu betrachten. Den Nutzen für KI-Technologien im Vertrieb und die damit verbundene bessere Analyse von Kundendaten sehen die Vertriebler allerdings positiv: 81 Prozent rechnen mit einer höheren Kundenzufriedenheit und verbesserten Abschlusswahrscheinlichkeiten, weil die Kundenbindung zum Anbieter steigt.
- Trend 2: Der "Netflix"-Faktor im Vertrieb
Daten werden zum Wettbewerbsvorteil im Vertrieb. "Unternehmen verfügen über mehr Daten und Informationen potenzieller Kunden als je zuvor", so die Experten von Pipedrive. Smart Sales wird neue Messlatte. Über KI und moderne Algorithmen wird das Nutzerverhalten von Kunden, etwa auf Online-Plattformen, zum ständigen Lernfaktor. Das Prinzip lässt sich auf die B2B-Vertriebsarbeit übertragen, indem entsprechende Systeme den Vertriebsmitarbeitern erfolgreiche Kundenaufträge der Vergangenheit und deren Muster als Vorgehensweise für potenzielle Neukunden vorschlagen.
- Trend 3: Customer Experience wird Benchmark im Wettbewerb
Technologien kurbeln also die Vertriebseffizienz an. Doch den entscheidenden Unterschied macht auch weiterhin der nachgelagerte, persönliche Vertrieb. Denn die Mehrheit der Kunden will laut einer Mc Kinsey-Studie weiterhin menschlichen Kontakt, wenn es um den Kaufprozess geht, auch wenn ein großer Anteil der Kaufentscheidungen schon vor den eigentlichen Gesprächen mit dem Einkauf getroffen wird. B2B-Vertriebsunternehmen 4.0 setzen laut dem Beratungshaus am besten auf beide Faktoren – starke Vertriebskraft und digitale Kanäle. Wie die Studie ergab, vertraut die Mehrheit der Käufer immer noch auf die Expertise von Vertriebsmitarbeitern, wenn die Kaufoption beim allerersten Kauf ins Auge gefasst wurde.
Dabei kommt es auch darauf an, das bestmögliche Kauferlebnis und die bestmögliche Customer Journey zu schaffen. Customer Experience Management spielt als der wichtigste Schlüssel- und Wettbewerbsfaktor in digital geprägten Vertriebsstrategien auch 2020 eine Rolle. Viele aktuelle Untersuchungen im Vertrieb belegen, dass Vertriebsmitarbeiter keine Angst davor haben, durch KI ersetzt zu werden, solange der Kunde und Kundenbeziehungen im Mittelpunkt stehen, sie dadurch entlastet werden und ihre Expertise gefragt ist, wenn es um ihren Kernvorteil geht: die Kundenberatung.
Autor(en): Eva-Susanne Krah