Der wirtschaftliche Rückgang durch die Corona-Krise sei ein "veritabler Einbruch", sagte Professor Bert Rürup, Präsident Handelsblatt Research Institute, beim diesjährigen MCC-Kongress Zukunftsmarkt Altersvorsorge am 2. März. Dieser werde auch Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung haben.
Rürup ist sich sicher, dass die Wirtschaft erst 2022 das Produktionsniveau von 2019 erreichen wird. Es werden infolge von Corona mittel- und langfristig 150 Milliarden Euro Bruttoinlandsprodukt fehlen, man werde auf Dauer mit einem niedrigeren Wachstumspfad leben müssen. Das bedeutet unter anderem weniger Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, auch wenn die vermehrte Kurzarbeit immerhin noch zu wenigstens verminderten Einnahmen führten. Auf den Arbeitsmarkt seien die Auswirkungen bisher noch moderat. Der ehemalige Berater der Bundesregierung warnte jedoch vor einem Anstieg der langfristigen Arbeitslosigkeit.
Alterungsschub verschärft Finanzbasis der Rentenversicherung
Ab dem Jahr 2025 sei durch die demografische Entwicklung ein massiver Alterungsschub in der Gesellschaft zu erwarten, so Rürup. So werde der Altenquotient (Anteil der 67-Jährigen zu den 20- bis 67-Jährigen) von gut 30 Prozent heute auf 50 Prozent im Jahr 2060 steigen. Im Vorjahr sei es durch die gute Lohnentwicklung 2019 zu hohen Rentenerhöhungen gekommen, die die Renten dauerhaft erhöht hätten. Der Rückgang der Löhne 2020 führte bei den Renten nur zu einer Nullrunde, aber nicht zu Rentenkürzungen, da die Regierung 2009 den Nachhaltigkeitsfaktor in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschafft habe. Nach Ansicht von Rürup werde es hier zu einem Druck auf die Rentenbeiträge kommen. Auch die notwenigen Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung werden weiter steigen müssen (Stand 2019: 90 Milliarden Euro).
"Nachhaltigkeit ging verloren"
Seit 1957 habe es 60 Reformen in der gesetzlichen Rentenversicherung gegeben, erklärte Rürup. Davon gab es fünf so genannte Jahrhundertreformen. Keine Reform hielt länger als eineinhalb Legislaturperioden. In den 2000er-Jahren hatten die Reformen Nachhaltigkeitscharakter. Danach kam das wirtschaftlich goldene Zeitalter, die Nachhaltigkeit ging verloren. Es gab vielmehr Leistungsausweitungen, Reserven seien ausgeschüttet worden. Das System sei dadurch nicht nachhaltiger geworden.
Wähler werden immer älter
Das Alter des so genannten Medianwählers in Deutschland, der die Bevölkerung in genau zwei gleich große Gruppen teilt, liege derzeit bei knapp 54 Jahren, erklärte der Präsident des Handelsblatt Research Institutes. Die Wähler in Deutschland werden also immer älter. Dies werde künftige Entscheidungen von Bundesregierungen in der Rentenpolitik beeinflussen, wenn es zum Beispiel um eine mögliche Erhöhung des Renteneintrittsalters ginge.
Zunehmende Altersarmut
Rürup prognostizierte darüber hinaus eine zunehmende Altersarmut vor allem in Ostdeutschland. Die so genannte Armutsrisikoquote (die Quote der Personen, deren Einkommen unterhalb von 60 Prozent des Einkommensmedians liegt), werde im Osten auf 35,9 Prozent ab dem Jahr 2031 steigen (Vergleich West: 16,6 Prozent). Diese Entwicklung werde durch die Veränderung der Anzahl der Grundrentenempfänger bestätigt. Die Einführung der Grundrente sei dazu "keine sehr zielgenaue Antwort". Da werde man nachlegen müssen, so der Professor. Mehr Kapitaldeckung in der Rentenversicherung tue Not. Es sei – bis auf die Partei Die Linke – Konsens und völlig unstrittig, so Rürup, dass mischfinanzierte Systeme mit Umlage- und Kapitaldeckungssystem risikoresistenter seien.
Autor(en): Bernhard Rudolf