Versicherungsmagazin sprach mit Dennis Sturm, Geschäftsführer des Versicherungsmaklers STC GmbH aus dem Westerwald in Rheinland-Pfalz. Der Makler hat eine Reihe von Unternehmen zum Thema Betriebsschließungen durch das Coronavirus beraten und bietet ein Versicherungskonzept an.
Deutschland steht laut Gesundheitsminister Jens Spahn vor einer Coronavirusepidemie. Das könnte viele Firmen treffen. Wie reagieren die Unternehmen?
Dennis Sturm: Unternehmen reagieren natürlich mit großer Sorge auf die aktuellen Pressemeldungen. Gerade die wirtschaftlichen Folgen, beispielsweise bei der Unterbrechung einer Lieferkette oder fehlende Absatzmöglichkeiten stellten ein hohes Risiko dar. Rohstoffknappheit könnte auch zu höheren Einkaufspreisen führen. Unternehmen, die eine hohe Kundenfrequenz haben, wie Händler oder Betriebe der Lebensmittelindustrie, aber auch Pflegeeinrichtungen äußern berechtigt die Sorge vor möglichen Betriebsschließungen.
Gibt es Anfragen nach Versicherungsschutz?
Anfragen nach Versicherungsprodukten kommen vor allem von professionell aufgestellten Betrieben, die über ein internes oder auch externes Risikomanagement verfügen. Über unsere Unternehmensberatung STC Risk Consulting beraten Unternehmen gezielt zur Implementierung eines entsprechenden Risikomanagements. Danach kann das Unternehmen abwägen, wie notwendig nach Risikoreduzierung oder Risikovermeidung noch eine Verlagerung des Risikos, also der Kauf von Versicherungsschutz ist.
Zahlen herkömmliche Policen?
Nein. Sie stellen, wie etwa Betriebsunterbrechungsversicherungen, immer aus einem Schaden durch klassische Gefahren, wie Feuer, Sturm oder Überschwemmung ab. Umfangreichen Versicherungsschutz gegen eine Infektionswelle durch den Coronavirus bieten Betriebsschließungsversicherungen. Diese sind oft bei Multi-Risk-Policen, die sich häufig in Gewerbebetrieben wiederfinden bereits rudimentär eingeschlossen. Die Produkte im Markt sind aber sehr unterschiedlich. So beziehen sich einige in ihren Bedingungswerken auf das Infektionsschutzgesetz in seiner Altfassung vor rund fünf Jahren. Die einzelnen, dort genannten Krankheiten gelten "deklaratorisch" als mitversichert. Corona wurde nur erst ab 1.Februar 2020 mit der Verabschiedung und dem Abdruck im Bundesanzeiger am 31. Januar 2020, des CorViMV unter § 6 IfSG aufgenommen. Bezieht sich ein Versicherer auf eine historische, alte Form des IfSGs, so greift der Versicherungsschutz nicht für einen Corona-Infektionsschaden. Im Markt gibt es aber durchaus Teilnehmer, die allgemeingültig auf die §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetztes verweisen. Für diese gilt auch entsprechender Versicherungsschutz im Fall von behördlichen Schließungen durch den Coronavirus oder sonstiger, dort erfasster Infektionen. Die Unternehmen sichern damit eine Kostenposition bei einer möglichen, behördlich angeordneten Schließung ab. Möglich ist es aber auch, dass eine Sachentschädigung, beispielsweise für wegzuwerfende Waren eingeschlossen ist.
Kann man "brennende Häuser" noch versichern?
Ja, derzeit, also Ende Februar, war es noch möglich, am Markt Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen auch aufgrund des Coronavirus zu erhalten. Wie lange noch, ist aber fraglich. Tendenziell sehen wir hier, auch durch den Druck der Rückversicherer, ein umfassendes Rückrudern im Markt.
Welche Deckung wird angeboten?
Die Deckung umfasst im großen Teil Kostenentschädigungen, ähnlich einer Betriebsunterbrechung. Ausgangspunkt des Schadens ist ja auch eine Unterbrechung durch eine behördlich angeordnete Schließung, um eine Epidemie zu vermeiden. Sachschäden an möglicherweise wegzuwerfenden Materialien können ebenfalls eingeschlossen werden, sie müssten in ihrer Höhe aber benannt werden.
Ist der Betriebsschließungsschutz zu einer wirtschaftlichen Prämie möglich?
Wir sehen die Prämie aktuell als durchaus wirtschaftlich an. So kann eine Tagesentschädigung für die Gefahr Betriebsschließung in Höhe von 5.000 Euro für eine Jahresnettoprämie von 450 Euro abgeschlossen werden. Abgedeckt sind jeweils 30 Schließungstage. Im Beispiel also 150.000 Euro Höchstentschädigung. Ein Tagesschutz von 7.500 Euro (Höchstentschädigung 225.000 Euro) würde 675 Euro netto pro Jahr kosten und 2,1 Millionen rund 6.300 Euro Jahresnettoprämie.
Nach Aussagen aus der Branche gibt es Ausschlüsse, wenn es zur einer Pandemie nach der WHO-Skala 5 bis 6 kommt, also eine weltweite Übertragung durch einen gut angepassten Virus kommt. Wie sieht das bei Ihrem Konzept aus?
Eine solche Ausschlussregelung kennt das Konzept nicht. Natürlich bleibt abzuwarten, inwiefern Erst- und Rückversicherer hier die Tür offenhalten, daher sollten sich mögliche Interessenten schnell entscheiden.
Welche Zielgruppen benötigen Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen aufgrund einer Virusepidemie?
Als versicherbare Zielgruppe sehen wir vor allem Unternehmen in den Branchen Lebensmittelverarbeitung, Handel und Gewerbe, aber auch Alten- und Pflegeheime, sowie Reha-Einrichtungen. Um dies zu konkretisieren: Bäckereien, Brauereien, Hotels und Metzgereien, Systemgastronomie aber auch Supermärkte.
Welches Risk-Management muss man leisten?
Die gesetzlichen Regelungen für ein verpflichtendes Riskmanagement greifen bei Betrieben in unterschiedlichen Größenordnungen nach den gesetzlichen Vorschriften. Wir empfehlen jedoch nicht nur alleine den gesetzlichen Anforderungen nachzukommen, sondern vor allem auch ein Risk-Management mit einer hohen Akzeptanz und Bereitschaft zur Annahme und Umsetzung in der Belegschaft einzuführen. Hierzu ist es wichtig, bereits frühzeitig für kleine Maßnahmen die Zusage der Mitarbeiter einzuholen. In den konkreten Fällen sind darüber hinaus auch redundante Liefer- und Absatzprüfungen erforderlich. Betriebe mit hohem Dienstleistungscharakter können prüfen, inwiefern es möglich ist Mitarbeiter ins Homeoffice zu entsenden, sofern das Risiko präsenter wird. Möglich ist es auch die Belegschaft durch den Abbau von Überstunden oder Urlaubstage zeitweilig zu verringern. Kleine und nicht kostenintensive Maßnahmen können hier sehr schnell schon gute Ergebnisse ermöglichen.
Sind auch Lieferketten-Unterbrechungen mitversichert?
Zulieferer- und Abnahmeschäden sind aktuell nur schwierig über den deutschen Markt absicherbar. Möglich ist vielleicht eine Police über den internationalen Markt, beispielsweise über Lloyds. Tendenziell sehen wir hier aktuell jedoch wenig Chancen für eine adäquate und bezahlbare Lösung. Betriebe, die sich nicht frühzeitig abgesichert haben, können hier leider kaum noch Schutz erwerben.
Die Fragen stellte Uwe Schmidt-Kasparek, freier Journalist aus Düsseldorf.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek